gemeinsam zwiften | youtube | forum heute
Trainingslager Südbaden
Triathlon Trainingslager Südbaden
Keine Flugreise
Deutschlands wärmste Gegend
Kilometer sammeln vor den Wettkämpfen
Traumhafte Trainingsstrecken
Training auf dem eigenen Rad
04.-07.06.2026
EUR 299,-
triathlon-szene.de | Europas aktivstes Triathlon Forum - Einzelnen Beitrag anzeigen - Wir sind ja auch nicht mehr die Jüngsten
Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 05.08.2011, 15:50   #427
Pantone
Szenekenner
 
Registriert seit: 08.05.2008
Beiträge: 1.805
Über die Eitelkeit

Beim Thema Eitelkeit kann ja eigentlich jeder mitreden. Wenn auch ungern über sich selbst, dann doch aber meistens und um so lieber über andere. Denn eitel sind natürlich immer nur die anderen.

Triathleten tun da ja in der Regel besonders abgefeimt. Nein, nein, heißt es stets betont zurückhaltend, ich esse echt total viel und achte überhaupt nicht auf mein Gewicht. Was für eine krasse Lüge, würde ich meinen. Kennt man doch von sich selbst: In Gesellschaft tut man immer so als könne man alles bedenken- und gefahrlos in sich reinstopfen. Tut man auch. Aber nur, weil man die letzten beiden Tage Radmarathons bis zum Umfallen gefahren ist oder aufgrund des zweitägigen Sommers und der damit verbundenen Hitze sowieso keinen Appetit hatte. In Wirklichkeit stehen wir mindestens einmal täglich auf der Waage und zetern rum, wenn die Geißel der Gewichts-Erpichten einfach falsche Dinge anzeigt. In unserem eigenen Haushalt haben wir zudem die ständige Diskussion darüber, ob die Anschaffung eines Körperfettmessgerätes Not tut oder nicht. Ich finde nein. Definitiv. Und ich bin auch dagegen, dass mein Mann sich so einen Apparat kauft. Das wäre nämlich so als würde er mir eine Familientafel meiner Lieblings-Schokolade vor die Nase stellen. So was kann ich einfach nicht ignorieren. Das ist pure Willensschwäche. Und so wäre das auch mit einem Fettmessgerät. Da würde ich mich heimlich anschleichen und das Ding doch benutzen und müsste mich dann anschließend heimlich grämen und meine Familie würde sich wundern, dass ich jeden Morgen so kurz nach dem Aufstehen schon so schlechte Laune habe. Aber zurück zur Eitelkeit.

Ich trage seit ungefähr 30 Jahren Turnschuhe. Lange bevor die Sportschuhe Sneaker hießen, habe ich die schon immer und überall hin geschleppt. Da musste ich mich viel belächeln lassen, weil ich so uneitel war. Von den gleichen Leuten übrigens, die heute viel Geld für ihre stylischen Sneaker ausgeben. Schade nur, dass sie ihre neuen Sportschuhe nicht sehen können, wenn sie an sich herunter gucken. Eine meiner größten Missetaten war das Entsorgen meiner über Jahre geschleppten „Allround“ von adidas. Knöchelhoch und in weiß mit schwarzen Streifen. Heute heißt das alles Retro und modische Pappnasen geben dafür viel Geld aus. Was soll´s, tröste ich mich halt damit, dass ich meiner Zeit um Jahrzehnte voraus war. Bleibt mir ja auch nichts anderes übrig.

Das Gute an Schuhen ist, dass man sie ausziehen kann, wenn sie drücken oder man sie einfach nicht mehr leiden kann. Das geht mit Tätowierungen ja nicht. Früher hatten Matrosen verruchte Tattoos wie z. B. eine nackte Ische aus einem fremden Hafen. Heute sind diese Körperverschönerungen Design-Objekte, die alles oder nichts ausdrücken können. Und da es sich schließlich um eine lebenslange Verbindung handelt, wird im Allgemeinen allergrößte Sorgfalt bei der Wahl des richtigen Motivs an den Tag gelegt. Das würde ich auch noch gar nicht unter Eitelkeit, sondern unter Altersvorsorge buchen. Denn wer möchte sich schon für ein falsches Design an unpassender Stelle entscheiden, das in spätestens 10 Jahren durch den natürlichen Alterungsprozess und ohne Erläuterungen des Inhabers nicht einmal mehr in seinen Grundzügen zu erkennen ist. Manchmal aber drängt sich dennoch der Eindruck auf, dass so manches Motiv wie früher bei den Seefahrern ausgewählt wurde: nämlich einfach im Vollsuff. So gesehen dieser Tage im hiesigen Freibad: Eine Frau um die 30, die oberhalb ihrer rechten Brust eine rosa-farbene und riesen-große „Hello Kitty“-Tätowierung zur Schau stellt. Mit weniger Alkohol und ein bisschen mehr Eitelkeit wäre das vermutlich nicht passsiert.

Bei den Begriffen Sport und Tätowierungen fällt einem natürlich auch gleich so mancher Sportler ein. Dennis Rodman, David Beckham oder Stefan Kretzschmar. Und bei Kretzsche denkt man an Franzi, die gerade eben bei der zur Ende gegangenen Schwimm-Weltmeisterschaft als Fernseh-Kommentatorin zugange war. Damit sind wir auch schon wieder direkt beim Thema. Die Tattoos von Frau van Almsick waren ja nicht sichtbar. Aber der Rest. Dass Franzi sich die Zähne hat schön machen lassen, kann ich ja verstehen. Aber wäre denn nicht für die Haare noch ein bisschen mehr drin gewesen als ausgerechnet Polinnen-Blond? In Kombination mit einem kleid-ähnlichen Ensemble in der Farbmischung ocker-orange (oder war es schilfgrün?) kann man ihr übermäßige Eitelkeit wahrlich nicht vorwerfen. Aber ganz so streng wollen wir denn man doch nicht sein, denn schließlich wirken die Bekleidungsversuche von Triathleten für den Rest der Welt mindestens etwas merkwürdig.

Als ich zum Beispiel meinen Mann kennen lernte, habe ich ihn recht frühzeitig zu einer Marathonmesse geschleppt. Da hat der überzeugte Kraftsportler sich an einem Wühltisch eine lange Tights geschnappt, hoch gehalten und laut und deutlich posaunt: „Also, die sind jawohl so was von schwul!“ „Vorsichtig,“ habe ich ihm nur zwischen zusammen gepressten Zähnen zu gezischt, „die sind hier alle so drauf.“ Damals fand er die Ernährungsgewohnheiten seiner zukünftigen Bekannten komplett daneben: zu viele Kohlenhydrate, zu wenig Eiweiß. Und dann, drei Jahre später, der historische Moment: Mein Mann kommt vom Joggen und geht in die Küche. Kurze Zeit später steht er in seiner ultra-kurzen Tri-Shorts und seinem super körpernahen Tri-Top am Küchentisch und schmiert großzügig Nutella auf seine vier Scheiben Toastbrot. Es lag keine Trauer, eher hochgradige Verwunderung in seiner Stimme als er meinte: „Was ist nur aus mir geworden?!“. Die Antwort gibt er sich dann meist selbst: „Vom Michelin- zum Kastanien-Männchen.“ So hat denn so jede Sportart ihre eigenen Schönheitsideale. Und Schönheit an sich liegt ja immer im Auge des Betrachters.

Morgen sind wir übrigens zu einer Hochzeit eingeladen. Ich habe ´mal wieder den Schrank voll nichts anzuziehen. Und auf meine geliebten Turnschuhe werde ich wohl einen Tag lang schweren Herzens verzichten müssen. Aber eitel bin ich trotzdem: Heute Morgen im Freibad hat mir nämlich eine ältere Dame gesagt, sie habe sich gewundert, wer da so schnell angeschwommen käme. Da habe ich mich strahlend und stolz in die Brust geworfen und gemeint: „Das war ich.“
Pantone ist offline   Mit Zitat antworten