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triathlon-szene.de | Europas aktivstes Triathlon Forum - Einzelnen Beitrag anzeigen - Putin und die Ukraine
Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 21.04.2022, 10:20   #4299
Helmut S
Szenekenner
 
Registriert seit: 30.10.2006
Beiträge: 9.722
Zitat:
Zitat von Klugschnacker Beitrag anzeigen
Wie triffst Du die Entscheidung zwischen zwei Optionen, ohne über deren wahrscheinliche Folgen zu spekulieren?
Man kann ja Entscheidungen auch auf Grund von Gesinnung und nicht nur aufgrund von Folgeabschätzungen/-beurteilung treffen. Ich bin der Meinung, dass man gerade in der Politik und im Krieg viele Entscheidungen sieht, die aufgrund von Gesinnung getroffen bzw. sehr stark von Gesinnung beeinflusst werden/wurden.

Allerdings ist dein Punkt schon ein Guter, denn auch die "Gesinnungsethiker" werden sich irgendwann Gedanken über die Grenzen ihrer Gesinnungsethik machen müssen. Sie werden sich fragen müssen: "Ist das noch verantwortbar, was ich hier entscheide?" dr_big macht das hier im Thread z.B. bzgl. der Luftraumüberwachung durch die Nato. Als Folge würde er die Nato als Kiegspartei sehen, was er nicht möchte. Hier ist die Grenze der Gesinnung "Wenn die Ukraine Hilfe zur Selbsthilfe möchte, dann gewähre ich sie."

Ein problematischer Punkt der "Handlungen aufgrund von Folgeabschätzung/-beurteilung" ist m.E., dass die Abschätzung der Folgen (im Sinne des Aufstellens einer Liste von Folgen) alleine noch nicht reicht. Man muss die möglichen Folgen im nächsten Schritt auch bewerten und sich klar darüber sein, ob man die Verantwortung für die Folgen auch bereit ist zu übernehmen. Nur so kann man letztlich als "Verantwortungsethiker" entscheiden, welche Handlungen man tatsächlich in der Praxis durchführen möchte.

Problematisch: Diese Bewertung der Folgen, fällt je nach Weltbild oder Wertesystem ggf. anders aus bzw. man kann zu unterschiedlichen Schlüssen kommen: Dem einen sind Demokratie, Völkerrechtsverträge und Tote nicht so wichtig wie die Befreiung von besetzten Gebieten. Ein anderer will unter keinen Umständen Tote akzeptieren und schlägt deshalb Kapitulation vor, während einem Dritten nahezu um jeden Preis die Einhaltung der völkerrechtlichen Verträge wichtig ist und er einen Bruch unbedingt mit voller Härte der freien Welt bestraft sehen will.

Ich bin z.B. der Meinung, das Putin zumindest einen (möglicherweise auch nur einen kleinen) Teil der faktischen Folgen seines Angriffes auf die Ukraine (z.B. die Sanktionen) für wahrscheinlich gehalten hat. Trotzdem hat er die Ukraine angegriffen.

Im Endeffekt wird es immer um eine Balance gehen zwischen Verantwortung und Gesinnung. Möglicherweise ist es sogar so, dass man eine Folgenbewertung/-abschätzung so durchführt, dass sie zur persönlichen Gesinnung passt: Der Verstand rechtfertigt das, was ins eigene Weltbild passt.

Eine Verhandlungslösung, die nicht berücksichtigt, welche Gesinnung die Parteien haben, wird deshalb m.M.n. nicht zum Erfolg führen. Ebenso wird m.E. auch eine Lösung die ausschließlich auf Diplomatie setzt, nicht zum Erfolg führen. Es ist aus meiner Sicht ebenso wichtig, dass sich beide Parteien darüber sicher sind, dass sie die beste Strategie gewählt haben, unter der Berücksichtigung, dass der "Gegner" ebenfalls die für ihn beste Strategie gewählt hat.

Wenn vor diesem Gleichgewicht dann klar wird, dass die eigenen Ziele höchstwahrscheinlich nicht (oder nur zu einem inakzeptablen Preis) zu erreichen sind, dann hat Diplomatie m.E. auch mitten in dem vorliegenden Eskalationsfalle eine Erfolgschance.

So ein Gleichgewicht bzw. so eine Situation kann m.E. durch eine Kombination aus Waffenlieferung/Unterstützung und Sanktionen hergestellt werden. Eine Eskalation in einen offenen Krieg zw. Nato und Russland sehe ich nicht. Hier herrscht m.E. längst das angesprochene Gleichgewicht und eine Abweichung von existierenden Strategien würde eine sofortige Verschlechterung der eigenen Position mit sich bringen. Aus diesem Grund ist m.E. die Kombination von "Verteidigungsfähigkeit erhalten" bzw. Rüstung und Diplomatie auch vergleichsweise erfolgreich. Leider nur "vergleichsweise", denn sobald eine nahezu 100%ige Gesinnungsethik (religiöser Fanatismus z.B.) ins Spiel kommt, fehlt eine entscheidende Voraussetzung für das Abschreckungsprinzip oder überhaupt für "logische Überlegungen" völlig: Ein Mindestmaß an Vernunft bzw. die Angst vor dem höchsten Preis - dem eigenen Tod.

Übrigens: Der Mathematiker Nash hat bzgl. seiner Beschäftigung mit solchen Gleichgewichtsstrukturen (freilich in anderen Zusammenhängen) den Nobelpreis bekommen.


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