Bei Joe Biden muss man sich in Erinnerung rufen, dass er im Vergleich zur Mehrheit der USA-Politiker die ukrainischen Verhältnisse sehr gut kennt. Er war unter Obama Sonderbeauftragter für die Ukraine nach dem Maidan, öfters in dem Land zu Besuch, und sein Sohn 5 Jahre lang Verwaltungsrat einer ukrainischen Gasfirma, dessen Gründeroligarch übrigens wegen diverser Delikte wie Geldwäsche, Korruption etc. unter Anklage stand. Die USA haben seit dem Maidan die Ukraine mit Know How, Krediten und Waffen massiv unterstützt und haben die besten Kontakte in die jetzige ukrainische Regierung bzw eigene Leute im Apparat "untergebracht". Es wird von seiten der ukrainischen Regierung nichts passieren, was nicht auch die USA beabsichtigen, da die ukrainische Abhängigkeit und die Verflechtung mit den USA viel zu gross geworden sind.
Mein persönliches Misstrauen gegenüber Kriegsinformationen aus den USA aufgrund der vergangenen Jahrzehnte ist nun genauso gross wie gegenüber Putin und Russland in der jetzigen Situation.
Fakt scheint zu sein, dass die kriegerischen Zwischenfälle in den Grenzregionen an der Frontlinie Donezk und Luhansk aktuell zahlenmässig stark zugenommen haben, an denen beide Seiten beteiligt sind. Die OSZE meldet seltsamerweise nur die gewachsene Anzahl der Zwischenfälle. Würde sie nicht, wenn diese allein von den Separatisten ausgingen und eindeutig zuordbar wären, dies auch so benennen? Nun haben die Separatisten eine Generalmobilmachung in den "Volksrepubliken" ausgerufen. Was die Truppenstärke betrifft, die Ukraine besitzt 204 000 Soldaten, ohne die freiwilligen Bataillone und moderne Ausrüstung. Der ukrainischen Armee könnten bei einem Angriff die Milizen der Volksrepubliken niemals standhalten. Eine militärische Unterstützung Russlands bzw. ein russischer Truppeneinmarsch in die Volksrepubliken brächte die gefürchtete Eskalation.
Auch die Separatisten in Donezk und Luhansk werden nach meiner Ansicht nichts unternehmen, was nicht auch mit Russland abgesprochen ist wie z.B. die gestrige Evakuierung von Zivilisten. Da sie gegen die ukrainische Armee nicht bestehen können, haben sie eigentlich kein originäres Interesse an einem Wiederaufflammen des Krieges, sondern eines an der Einhaltung der Minsker Abkommen, es sei denn, sie wissen sicher um die Unterstützung durch die russische Armee und es gibt entsprechende Absprachen.
Über die Motive beider Seiten kann man also ohne die Quellen zu kennen, nur spekulieren.
Ein neuer Krieg in der Ukraine liegt rational nicht im Interesse der Menschen beidseits der Frontlinien und den kriegführenden Ländern. Kiew wollte allerdings nie mit den Separatisten verhandeln und sie militärisch ausschalten, was der Waffenstillstand von Minsk verhindert hat, um eine grössere Eskalation zu verhindern. Wer materiell an den Weltkriegsspannungen und tatsächlichen Kriegen verdient, sind die Rüstungsindustrie und die Energiefirmen (in Börsenforen sind schon die entspechenden US-Firmen zum Kauf empfohlen worden!).
Geändert von qbz (19.02.2022 um 17:37 Uhr).
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