Vereinfacht:
§ 1 Abs. 1 S. 2 AktG ordnet an, dass
für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern nur das Gesellschaftsvermögen haftet. Wenn man also, aus welchem Rechtsgrund auch immer, einen Anspruch gegen eine Aktiengesellschaft hat, dann kann man sich grundsätzlich auch nur an die AG halten, das private Vermögen der einzelnen Aktionäre, die hinter der Gesellschaft stehen, ist zum Zweck der Regulierung von Gesellschaftsschulden dem Grunde nach tabu.
Wer sich also intensiver mit der Durchgriffshaftung auf einen Aktionär einer Aktiengesellschaft beschäftigen will, steht vor dem Problem, dass es keine von den Gerichten geschaffenen Leitlinien gibt, die den Tatbestand einer Durchgriffshaftung näher definieren würden. Man hat sich vielmehr mit durchaus unbestimmten Rechtsbegriffen wie „Treu und Glauben“ oder „Rechtsmissbrauch“ zu beschäftigen, wenn man zu einer persönlichen Haftung eines Aktionärs gelangen will. - in unserem Fall die oben bereits genannte Frau Klatten (so sie denn Aktionärin bei BMW ist).
Vor allem in folgenden Fallgruppen wird von der Literatur eine Durchgriffshaftung auf die Gesellschafter diskutiert:
- Aktionäre verstoßen gegen die gesetzlichen Schutzvorschriften zur Aufbringung und Erhaltung des Haftungskapitals und gefährden dadurch den Bestand der Aktiengesellschaft. (wohl unwahrscheinlich)
- Unzulässige Vermischung von Vermögen der Gesellschaft auf der einen Seite und der Gesellschafter andererseits. (auch unwahrscheinlich. Da sitzen Profis, die sich darum kümmern.)
- Missbrauch der Rechtsform der Gesellschaft durch „Zugriffe der Gesellschafter auf das Gesellschaftsvermögen, welche die aufgrund dieser Zweckbindung gebotene angemessene Rücksichtnahme auf die Erhaltung der Fähigkeit der Gesellschaft zur Bedienung ihrer Verbindlichkeiten in einem ins Gewicht fallenden Maße vermissen lassen" (BGH, Urteil vom 24. 6. 2002 - II ZR 300/00). (ebenfalls unwahrscheinlich...)
- Missbrauch von Konzernleitungsmacht durch einen beherrschenden Gesellschafter, der keine angemessene Rücksicht auf die Belange der abhängigen Gesellschaft nimmt (BGH, Urteil vom 29.03.1992 - II ZR 265/91). (ich glaube nicht, dass das der Fall ist)
- Existenzvernichtungshaftung, wenn eine Gesellschaft
infolge der Eingriffe ihres Alleingesellschafters ihren Verbindlichkeiten nicht mehr nachkommen kann (BGH, Urteil vom 17. 9. 2001 - II ZR 178/99). (trifft nicht zu)
Ergebnis: Keine Durchgriffshaftung, keine Haftung mit dem privaten Vermögen - jedenfalls nicht in Deutschland.
Quelle
Was heißt das jetzt. Die Aktionäre haften nicht mit ihrem Privatvermögen und müssen keine Kohle nachschieben (Kein Zwang, weitere Aktien des sinkenden Schiffes zu kaufen), wenn sie das nicht wollen. Im Zweifel lassen sie den Laden gegen die Wand fahren entziehen sich ihrer Verantwortung. So haben sie den Teil ihres Vermögens verloren, den sie in die Aktien des Unternehmens gesteckt haben.
Auch Frau Klatten wird sicher ihr Vermögen günstig verteilt haben - und das sicher nicht nur in ein Unternehmen gesteckt haben.