Ich denke, dass es den meisten Deutschen ziemlich wurscht sein kann, wer mit wem ein Foto macht und was irgendwo in der Türkei passiert. Das ist weit weg. Unser Interesse an diesen Dingen ist zwar gut gemeint und wohl motiviert, aber es betrifft uns höchstens indirekt. Es ist gut, über diese Dinge zu reden, und zu versuchen, politisch einen positiven Einfluss auf diese Dinge zu nehmen. Aber uns fällt nicht die Butter vom Brot.
Anders sieht das aus für türkische Familien in Deutschland, oder für die zweite und dritte Generation. Damit meine ich die ganzen Teenager oder die Zwanzig- und Dreißigjährigen, mit deutschem Pass, hier geboren, und doch mit der Türkei familiär verbunden.
Für die sind Leute wie Mesut Özil Helden und Vorbilder. Für sie sind es Leute, die es geschafft haben. Die sich hochgekämpft haben, und die sich nicht nur Wohlstand, sondern auch gesellschaftliche Achtung erarbeitet haben. Özil gehörte zu unseren "Goldjungs", zum "Deutschen Sommermärchen". Sogar Präsidenten wollten mit ihm fotografiert werden; darauf wäre jede Familie stolz, Politik hin oder her. Auch Frau Merkel erschien gerne mal in der Umkleidekabine und machte Selfies. Auch und gerade im Wahlkampf.
So eine Person wie Özil öffentlich zur Sau zu machen (diesen Ausdruck wähle ich, nachdem ich heute an der Tankstelle die BILD-Zeitung gesehen habe), wird den "türkischen Deutschen" eine gute Lehre sein. Das werden sie so schnell nicht vergessen. Ohne dass Özil gegen irgendein Gesetz verstoßen hätte, war er plötzlich untragbar geworden für die stolze deutsche Nationalelf. Eben war er noch unser Goldjunge -- aber sobald der deutsch-türkische Junge mal ein bisschen türkisch ist (oder sogar Moslem), dann ist er plötzlich unerwünscht oder muss sich wenigstens entschuldigen.
Vielleicht war das Foto nicht besonders geschickt, aber das Spießrutenlaufen, welches mit ihm veranstaltet wurde, war eine riesige Eselei. Die Botschaft, die das an die vielen deutsch-türkischen Jungs und Mädels sendet, ist verheerend. Ich finde nicht, dass es das wert ist. Wir haben hier nichts zu gewinnen, sondern nur zu verlieren.
Ich habe viele türkische Nachbarn, und irgendwie finde ich es nicht in Ordnung, wie hier miteinander umgegangen wird. So gehen gute Nachbarn nicht miteinander um, schon gar nicht wegen eines Fotos.
Wenn Leute wie Mesut Özil nicht mehr gut genug sind für unsere ach-so-tolle Nationalelf, dann habe ich auch keine Lust mehr, dieser Mannschaft die Daumen zu drücken und sie am Fernseher anzufeuern.
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