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triathlon-szene.de | Europas aktivstes Triathlon Forum - Einzelnen Beitrag anzeigen - Verfahren gegen Ullrich eingestellt
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Alt 22.05.2014, 20:17   #318
Klugschnacker
Arne Dyck
triathlon-szene
Coach
 
Benutzerbild von Klugschnacker
 
Registriert seit: 16.09.2006
Ort: Freiburg
Beiträge: 24.855
Zitat:
Zitat von deirflu Beitrag anzeigen
In diesem Post schwingt der Fan aber schon ein bisschen stark durch?!

Er war auch damals schon ein Mündiger Sportler und Mensch, wenn ihm so viel daran gelegen wäre dass alle sauber fahren hätte er ja einfach mal aufstehen können und sagen was Sache ist oder für sich entscheiden können das Radprofi unter diesen Voraussetzungen nicht sein Beruf ist.
Ja, das stimmt, das hätte er tun können. Trotzdem hat man damit meiner unmaßgeblichen Meinung nach noch nicht die ganze Situation erfasst, sofern es um den Radsport geht.

Einen sauberen Radsport hat es noch nie gegeben. In seiner Geschichte war der Radsport immer vorrangig Broterwerb und Spektakel, ähnlich wie das Boxen. Die olympischen Ideale spielten eine untergeordnete oder gar keine Rolle; mehr oder weniger wurden sie erst nachträglich dem Radsport übergestülpt.

Weil in den zurückliegenden hundert Jahren Radsport gedopte Radsportler zum Beispiel bei der Tour de France, aber auch bei vielen Eintagesrennen, die erheblich länger und schwerer waren als die Rennen unserer Zeit, unmenschliche Leistungen vollbrachten, war ihnen das Interesse der Zuschauer sicher. Ohne Doping währen die Grubenarbeiter auf ihren Drahteseln niemals als Helden auf die Titelseiten der Tageszeitungen gekommen.

Hier kommen wir als Rezipienten ins Spiel. Wir haben stets und zu allen Zeiten gedopten Radsportlern zugejubelt. Nur der Sieger zählt, nur die härtesten Rennen wie die Tour de France zählen, und selbst hier nur die härtesten Etappen in den steilsten Bergen.

Als Jan Ullrich in den Radsport kam, war das Doping in allen seinen Facetten längst dort. Und ebenso wir Zuschauer, mit ihren auf Doping basierenden Erwartungen unmenschlicher sportlicher Leistungen. Es ist wohlfeil und billig, Jan Ullrich oder seine Kollegen einfach als Betrüger hinzustellen, die einen vermeintlich sauberen Radsport übertölpelt und ruiniert hätten. Einen sauberen Radsport hat es nie gegeben. Und es gab auch nie Zuschauer und Applaus für saubere Radprofis, geschweige denn Arbeitsverträge.

Also ist der Fall beim Radsport komplexer, als er mitunter in einer Schwarzweiß-Malerei dargestellt wird, die die Realitäten des Radspots ignoriert. Auch die Rolle des betrogenen Zuschauers sehe ich nicht als gerechtfertigt an: Hier der betrügende Radprofi und dort der betrogene Zuschauer? Stattdessen spielt auch der Zuschauer in seiner Gier nach Siegern und unmenschlichen Leistungen einen Doppelrolle, in der er teils Betrogener, teils Mittäter ist. Wir Zuschauer haben nicht das Recht, Jan Ullrich allein als Betrüger und uns selbst ohne Schuld und Verantwortung zu sehen. Das ist selbstgerecht und falsch.

Ich denke, wir sind alle gegen Doping. Um es zu bekämpfen, darf man es sich aber nicht zu leicht machen und mit dem Finger auf einzelne Radprofis zeigen. Man muss sich den wahren Ursachen stellen, sonst kann man sie nicht beseitigen.

Grüße,
Arne
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