Vollständige Version anzeigen : Da fasse ich mir echt an den Kopf…
captainbeefheart
13.10.2017, 20:21
Ist der Papst besessen? Da er sich sein Leben lang rund um die Uhr in eine der zahlreichen Götter-Mythen verrannt hat? Würde man sagen, jemand ist besessen, wenn er sein Leben lang auf Liebe, Familie und Sex verzichtet, weil er glaubt, er sei die unberührte Braut Jesu Christi?
Sind Leute besessen, die sonntags in die Kirche gehen und dort ein Ritual zelebrieren, dessen Höhepunkt im Verzehr des wahrhaftigen Leibes Jesu Christi besteht?
Sind Priester besessen, weil sie überzeugt davon sind, der Schöpfer der Welt habe ausgerechnet sie dazu auserkoren, der Welt die Wahrheit zu verkünden und sie damit zu erretten?
Wie gelangst Du zu der Auffassung, ausgerechnet die Kritiker dieses Wahnsinns wären besessen?
Schoppenhauer sprach nicht von Kritikern im allgemeinen sondern von seinem Eindruck von Dir und Klugschnacker.
Matthias75
13.10.2017, 20:25
Ich finde religiösen Glauben per se fragwürdig, weil es meist nichts anderes ist als eine Abwehr: „Das muss ich nicht begründen, das ist mein Glaube!“ Beispiel: Volker Kauder (CDU) hat in der Debatte für die „Ehe für alle“ zwar bekannt gegeben, dass er dagegen ist, aber eine Begründung hat er verweigert — das sei eben sein Glaube.
Nur mal so: Hat Kauder gesagt, dass das sein kirchlicher/religiöser Glaube ist (wenn ja, bitte mit Quellenangabe) oder hat "einfach nur" gesagt, dass sei sein Glaube und in Wahrheit meinte nur, dass es seine Überzeugung sei und hat "dummerweise" den Begriff Glaube falsch verwendet?
Ich halte die Haarspalterei für überflüssig. Dann trenne bitte klar "Glaube" von "religiösem Glauben". Den Begriff Glauben grundsätzlich als religiös zu definieren ist, um in deinen Begrifflichkeiten zu bleiben, eine Immunisierungsstrategie bzw. ein rhetorischer Trick: Sobald der Begriff Glaube im Zusammenhamg mit Kirche/Religion verwendet wird, hat er etwas irrationales, sobald ihn ein Atheist verwendet, darf, nein muss er durch Synonyme wie: ich bin überzeugt, ich kann beweisen, ich gehe mit fast 100%iger Sicherheit davon aus etc. ersetzt werden und hat natürlich überhaupt nichts irrationales.
Du drehst dir die Begriffe, wie sie dir gerade passen!
M.
schoppenhauer
13.10.2017, 20:29
Ich wusste nicht, dass Dich das stört.
Was mich stört ist die Meinungslosigkeit der islamischen Hierarchie zum dschihad und deren Folgen, dass ist viel interrestanter als die Kritik am Christentum.
Klugschnacker
13.10.2017, 20:31
Noch eine Kleinigkeit. … Wie kann man als Wissenschaftler eigentlich behaupten, dass die Wissenschaft eine saubere Sache ist? … Ein weiterer Fall von Doppelmoral tut sich auf. … So hat doch jeder seinen eigenen Privatglauben, wie keko so schön aufzeigt.
Sicher ist die Wissenschaft und vor allem ihre nachfolgende Verwendung durch Technik, Wirtschaft, Medizin usw. auch zu kritisieren. Das würde eine eigene Diskussion rechtfertigen. Sie wäre sicher interessant.
Ich kenne jedoch niemanden, der sich in das vorwissenschaftliche Zeitalter zurück wünscht. Stattdessen sind wir doch ganz dankbar, die technischen, medizinischen und wirtschaftlichen Vorzüge erfahren zu können, welche die Wissenschaft ermöglicht hat. Man vergisst das heute allzu leicht, dass die Wissenschaft es ist, welche Blinde sehend und Lahme gehend macht. (Jesus hätte das gewiss großartig gefunden, denn er wollte ja Menschen heilen).
Von diesen Vorzügen profitierst Du als gläubiger Christ genauso wie ich als nichtglaubender Mensch. Es gibt also in der Lebenspraxis, in der Nutznießung des Fortschritts, keinen Unterschied zwischen uns beiden. Dein Posting klingt für mich so, als würden wir da auf verschiedenen Seiten stehen.
:Blumen:
Klugschnacker
13.10.2017, 20:32
Was mich stört ist die Meinungslosigkeit der islamischen Hierarchie zum dschihad und deren Folgen, dass ist viel interrestanter als die Kritik am Christentum.
Ach so. Du kritisierst mich dafür, dass ich Deine Interessen in dieser Debatte nicht ausreichend vertrete?
:Lachen2: :dresche
LidlRacer
13.10.2017, 20:32
Der Duden führt "annehmen" und "glauben" als Synonyme und ich verwende es ebenso. Und ich glaube tatsächlich, dass jeder an etwas glaubt. Das muss nicht immer ein religiöser Glaube sein. Nehme ich zumindest an.
Habe gerade keinen Duden zur Hand.
Pons kennt 4 separate Bedeutungen von "glauben".
(https://de.pons.com/%C3%BCbersetzung/deutsche-rechtschreibung/glauben)
Eine davon, ist die religiöse.
"aufgrund seiner religiösen Einstellung von der Existenz einer Person, Sache überzeugt sein"
Diese ist m.E. auf nichts anderes anwendbar.
Jetzt wirst Du einwenden, dass für irgendwen Geld oder Triathlon seine Religion ist, aber das ist Unsinn.
Auch das hatten wir - wie eigentlich fast alles - schon.
Hallo M!
Ich drehe den Begriff „Glaube“ keineswegs. Es ist auch nicht widersprüchlich, wenn ich gelegentlich formuliere: „Ich glaube, dass diese Debatte zu nichts führt, weil...“. Es ist im Zusammenhang völlig klar, dass hier kein „religiöser Glaube“ gemeint ist; sondern es meint, dass die eigene Meinung als vage und vorläufig zu verstehen ist (im Gegenssatz zu „Ich bin fest davon überzeugt, dass...“).
Volker Kauder hat den religiösen Bezug selbst hergestellt. Die Quelle habe ich bereits genannt, nämlich seine Rede im Bundestag zur Beschließung der „Ehe für alle“. Dabei gibt er als Begründung nur den Glauben an; d.h. er begründet seine Entscheidung nicht inhaltlich, sondern begründet, warum keine Begründung gegeben wird.
Es ist schade, dass Du Deinen eigenen Standpunkt dazu nicht genannt hast, sondern nur auf die Fehler der anderen hinweist. Was ist denn Dein eigener Standpunkt?
:Blumen:
schoppenhauer
13.10.2017, 20:42
Ach so. Du kritisierst mich dafür, dass ich Deine Interessen in dieser Debatte nicht ausreichend vertrete?
:Lachen2: :dresche
nein, mach du was dir wichtig ist. Aber jegliche Bewertung braucht ein Referenz-System, und mir persönlich ist diese fehlende Haltung des Islams zum Terror im Namen Allahs wichtiger als all die Argumente, die ihr beide gegen das Christentum ins Feld führt.
LidlRacer
13.10.2017, 20:47
Nur mal so: Hat Kauder gesagt, dass das sein kirchlicher/religiöser Glaube ist (wenn ja, bitte mit Quellenangabe) oder hat "einfach nur" gesagt, dass sei sein Glaube und in Wahrheit meinte nur, dass es seine Überzeugung sei und hat "dummerweise" den Begriff Glaube falsch verwendet?
Niemand sagt: "Das ist mein Glaube.", wenn er nicht den religiösen Glauben meint.
Diese Google-Suche zeigt nur religiöse Treffer:
https://www.google.de/search?q=%22Das+ist+mein+Glaube%22
Verzeih, dass ich nicht alle 24800 Treffer kontrolliert habe.
Ich weiß gerade aber auch nicht, wie er es exakt formuliert hat - anscheinend etwas anders.
mir persönlich ist diese fehlende Haltung des Islams zum Terror im Namen Allahs wichtiger als all die Argumente, die ihr beide gegen das Christentum ins Feld führt.
Aber zeigt der Wahnsinn des islamistischen Terrors nicht, wie gefährlich der unbegründete Glaube per se ist? Dass es nur Zufall ist, zu welchen Konsequenzen er führt?
Was sollten wir aus dem Schlamassel lernen? Dass die Moslems einfach den falschen Aberglauben haben, und dass man sie vom richtigen Aberglauben überzeugen sollte? Oder sollte man eher darauf hinarbeiten, dass die Leute ihre Überzeugungen mit der Realität in Einklang bringen, damit sie nicht in irgendwelche Hirngespinste abdriften, und vor allem, dass man überhaupt ins Gespräch kommen kann?
Was sollten wir Deiner Meinung nach aus dem Terror lernen?
schoppenhauer
13.10.2017, 20:57
Was sollten wir Deiner Meinung nach aus dem Terror lernen?
Das jeder Glaube seine guten Seiten hat, und man hier wie für alles einen Preis zahlen muss. Und der Preis ist mir beim Christentum derzeit wesentlich annehmbarer, als beim Islam. Ihr zerlegt aber nur das Christentum. Also auf geht's, lasst uns mit dem Islam weitermachen.... oder führt ihr hier einen familienbezogenen Kreuzzug?
Verstehe ich Dich richtig? Wir betrachten zwei Berge an Leichen und schätzen ab, welcher Berg ein wenig kleiner ist als der andere?
Dadurch willst Du die Vorzüglichkeit des Christentums belegen?
Übrigens, die meisten Leichen gab‘s im Zweiten Weltkrieg. Aber schon auf Platz zwei kommen die christlichen Kreuzzüge und Kriege. Besonders blutig war die Auseinandersetzung zwischen Katholiken und Protestanten.
captainbeefheart
13.10.2017, 21:02
Habe gerade keinen Duden zur Hand.
Pons kennt 4 separate Bedeutungen von "glauben".
(https://de.pons.com/%C3%BCbersetzung/deutsche-rechtschreibung/glauben)
Eine davon, ist die religiöse.
"aufgrund seiner religiösen Einstellung von der Existenz einer Person, Sache überzeugt sein"
Diese ist m.E. auf nichts anderes anwendbar.
Jetzt wirst Du einwenden, dass für irgendwen Geld oder Triathlon seine Religion ist, aber das ist Unsinn.
Auch das hatten wir - wie eigentlich fast alles - schon.
Das wundert mich, dass Du, DER Recherche-Gott, das nicht findest :-). Online Duden, "glauben" oder "annehmen" eingeben, und Du hast es.
Ich habe übrigens Beispiele für meine Glaubenssätze angegeben, die nicht ganz so banal sind, wie Dein Triathlonbeispiel. In der Philosophie sind Begriffe wie "Freiheit", "Liebe" etc sehr wohl auf einer Betrachtungsebene wie Religion, weil es sich bei allen diesen Themen um die Menschheit sehr bewegende Konstruktionen handelt, die sich gleichzeitig einer "absoluten" "Wahrheit" entziehen.
LidlRacer
13.10.2017, 21:07
Kleine Klarstellung:
In Kauders Bundestagsrede zur Ehe für alle kommt das Wort Glaube/glaube gar nicht vor.
Er sagt aber, dass diejeneigen, die aus ihrer christlichen Überzeugung der Ehe für alle nicht zustimmen können, womit er offenbar auch sich selbst meint, Respekt verdienen.
https://youtu.be/9uWLr10w_dw?t=367
Matthias75
13.10.2017, 21:08
Es ist schade, dass Du Deinen eigenen Standpunkt dazu nicht genannt hast, sondern nur auf die Fehler der anderen hinweist. Was ist denn Dein eigener Standpunkt?
:Blumen:
Wieso geht es jetzt um meinen Standpunkt zum Thema Homoehe? Oder welchen Standpunkt meinst du? Auch wieder wo ein rhetorisches Ablenkungsmanöver. Darf ich erst auf Fehler hinweisen oder kritisieren, wenn ich meinen Standpunkt zu allen Diskussionspunkten klargestellt habe?
Ich habe zu Kauder übrigens auf die Schnelle nur diese Quelle gefunden:
"Es müsse respektiert werden, wenn Abgeordnete aus christlicher Überzeugung zu dem Schluss kämen, dass die Ehe eine Verbindung zwischen Mann und Frau bezeichne. Er selbst sei nach "intensivem Nachdenken und Überlegen der Meinung, dass die Ehe die Verbindung zwischen Mann und Frau ist." (http://www.zeit.de/politik/deutschland/2017-06/ehe-fuer-alle-homosexualitaet-bundestag-abstimmung)
Jetzt verwendet der den Begriff Überzeugung und meint Glauben :Nee: wo kommn wir den hin, wenn der Vertreter einer christlichen Volkspartei den Begriff Glauben nicht mehr richtig erwendet....
M.
Und bevor wieder die Erinnerung von Anlot kommt, dass man doch gefälligst die Fragen beantworten soll: Ich bin für die Gleichstellung.
die sich gleichzeitig einer "absoluten" "Wahrheit" entziehen.
Religion entzieht sich keineswegs einer „absoluten Wahrheit“, sofern man darunter versteht, was tatsächlich/objektiv geschehen ist.
Ob es eine Jungfrau Maria gegeben hat, die vom „Heiligen Geist“ schwanger wurde, hat eine absolute Wahrheit — egal ob wie diese Wahrheit kennen oder nicht. Entweder ist es geschehen oder nicht. Wenn es geschehen ist, ist es für alle Betrachter gleichermaßen geschehen. Auf keinen Fall ist es subjektiv.
LidlRacer
13.10.2017, 21:13
In der Philosophie sind Begriffe wie "Freiheit", "Liebe" etc sehr wohl auf einer Betrachtungsebene wie Religion, weil es sich bei allen diesen Themen um die Menschheit sehr bewegende Konstruktionen handelt, die sich gleichzeitig einer "absoluten" "Wahrheit" entziehen.
Ich behaupte:
Es gibt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keinen Gott.
Kann ich genauso gut behaupten:
"Es gibt keine Liebe."
oder
"Es gibt keine Freiheit."?
Kann ich zwar, aber jeder kann mir sofort Gegenbeispiele nennen.
Niemand kann mir aber einen Gott oder starke Indizien für seine Existenz zeigen.
wobei man garnicht so stark und allgemein formulieren muss mit "einen Gott", - es reicht für den mit recht konzentrierten Diskussionszusammenhang hier sich auf das Credo zu beziehen (das ist hier schon zitiert worden) und da hat man die "amtliche" Fassung der westlich, christlichen Glaubensinhalte
m.
Hallo M! Bist Du der Meinung, es ist ein Ablenkungsmanöver, wenn ich nach Deinem Standpunkt frage? Für mich ist es die Einladung, sich konkret mit dem strittigen Punkt zu beschäftigen — also das Gegenteil einer Ablenkung.
Die Rede von Volker Kauder kann man bei YouTube und bei bundestag.de ansehen. Du zitierst ihn sinngemäß, dass er zur Überzeugung gelangt sei, die Ehe sei nur für Mann und Frau. Aber warum? Das bleibt offen.
Was würden wir von einem Abgeordneten halten, der sagt, nach reiflicher Überlegung würde er empfehlen, aus der EU auszutreten. Würden wir dann nicht wissen wollen, wie seine Überlegung konkret aussah? Würden wir sagen, er hätte überhaupt eine Begründung gegeben?
Nirgends würden wir eine solche „Argumentation“ akzeptieren, schon gar nicht, wenn sie darüber entscheidet, ob fundamentale Menschenrechte gewährt oder verweigert werden. Wenigstens müssen die Betroffenen die Möglichkeit haben, auf Fehler in der Begründung hinzuweisen. Aber das geht nicht, wenn keine Begründung gegeben wird.
Deswegen plädiere ich dafür, dass man religiösen Glauben nicht als Vorwand benutzen darf, um sich ohne Begründung durchzumogeln.
captainbeefheart
13.10.2017, 21:23
...Oder sollte man eher darauf hinarbeiten, dass die Leute ihre Überzeugungen mit der Realität in Einklang bringen, damit sie nicht in irgendwelche Hirngespinste abdriften, und vor allem, dass man überhaupt ins Gespräch kommen kann?
...
Dass ein Flugzeug in das WTC geflogen ist, auf diese Realität werden sich wahrscheinlich die meisten schnell einigen können.
Und dann sagen welche, "gut so", andere (ich hoffe fast alle!)"abscheulich".
Es hilft Dir also gar nichts die "Realität" mit Überzeugungen "in Einklang" zu bringen. Die Überzeugungen schaffen Realität. Wenn Du was ändern willst musst Du an die Überzeugungen ran, dann wirst Du vielleicht andere Realitäten bekommen.
Klugschnacker
13.10.2017, 21:26
wobei man garnicht so stark formulieren muss mit "einen Gott", - es reicht sich auf das Credo zu beziehen (das ist hier schon zitiert worden= und da hat man die amtliche Fassung der christlichen Glaubensinhalte
m.
Interessanterweise kommt in dieser Kurzform der Gedanke der Nächstenliebe gar nicht vor. Das finde ich bemerkenswert, da sie für die meisten mir bekannten Christen der eigentliche Kern des Christentums ist. Auch von Liebe oder Barmherzigkeit fehlt jedes Wort.
Ich glaube an Gott,
den Vater, den Allmächtigen,
den Schöpfer des Himmels und der Erde.
Und an Jesus Christus,
seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn,
empfangen durch den Heiligen Geist,
geboren von der Jungfrau Maria,
gelitten unter Pontius Pilatus,
gekreuzigt, gestorben und begraben,
hinabgestiegen in das Reich des Todes,
am dritten Tage auferstanden von den Toten,
aufgefahren in den Himmel;
er sitzt zur Rechten Gottes,
des allmächtigen Vaters;
von dort wird er kommen,
zu richten die Lebenden und die Toten.
Ich glaube an den Heiligen Geist,
die heilige katholische (christliche/allgemeine) Kirche,
Gemeinschaft der Heiligen,
Vergebung der Sünden,
Auferstehung der Toten
und das ewige Leben.
Amen.
Es hilft Dir also gar nichts die "Realität" mit Überzeugungen "in Einklang" zu bringen. Die Überzeugungen schaffen Realität. Wenn Du was ändern willst musst Du an die Überzeugungen ran, dann wirst Du vielleicht andere Realitäten bekommen.
Wenn zwei Leute (ein Christ und ein Moslem) sich darüber streiten, ob es eine gute Tat wäre, das World Trade Center zu zerstören, dann helfen keine religiösen Argumente und auch keine „Überzeugungen“.
Es hilft allein die Realität. Erst wenn beide gemeinsam sich auf das einigen, was bewiesen werden kann, finden sie ein gemeinsames Fundament. Das Fundament ist das, was keiner von beiden bestreiten kann, weil die Realität sie dazu zwingt.
Wenn es erlaubt ist, die Realität einfach zu bestreiten und nach Belieben zu erfinden, setzt sich am Ende einfach der Stärkere durch.
captainbeefheart
13.10.2017, 21:40
Wenn zwei Leute (ein Christ und ein Moslem) sich darüber streiten, ob es eine gute Tat wäre, das World Trade Center zu zerstören, dann helfen keine religiösen Argumente und auch keine „Überzeugungen“.
Es hilft allein die Realität. Erst wenn beide gemeinsam sich auf das einigen, was bewiesen werden kann, finden sie ein gemeinsames Fundament. Das Fundament ist das, was keiner von beiden bestreiten kann, weil die Realität sie dazu zwingt.
Wenn es erlaubt ist, die Realität einfach zu bestreiten und nach Belieben zu erfinden, setzt sich am Ende einfach der Stärkere durch.
Sie einigen sich ja auf die Realität: "Ein Flugzeug ist in das WTC geflogen". Der eine sagt "gut so, schade, dass nicht noch mehr umgekommen sind", der andere "abscheulich, wie kann man so unfassbar grausam sein". Und jetzt, wie geht es nach Deiner Methode "Überzeugungen mit Realität in Einklang bringen" weiter?
Beispielsweise könnten sie ein oder zwei Jahrtausende ihre Überzeugungen darüber austauschen, ob Jesus oder Mohammed der wahre Prophet ist? Das wäre bestimmt sehr nützlich.
captainbeefheart
13.10.2017, 22:02
Beispielsweise könnten sie ein oder zwei Jahrtausende ihre Überzeugungen darüber austauschen, ob Jesus oder Mohammed der wahre Prophet ist? Das wäre bestimmt sehr nützlich.
Du weichst aus, was Du anderen bei konkreten Fragen Deinerseits vorhältst.
Wie geht es also weiter mit der von Dir so schön formulierten Strategie "Überzeugungen mit der Realität in Einklang bringen"?
Ich freue mich Deinen Standpunkt zu lesen.
Ich weiche keineswegs aus, sondern habe meinen Standpunkt illustriert, indem ich darauf hinwies, dass es selbst nach mehreren tausend Jahren zu keinem Ergebnis führt, wenn „Überzeugungen“ ausgetauscht werden (und es allein dabei bleibt).
Man kann bei Überzeugungen starten, als Anfangspunkt einer Verhandlung. Aber wie geht es danach weiter? Danach bohrt man immer weiter in die Tiefe und untersucht, ob sich Beweise finden lassen, denen jede Partei zustimmen muss, weil sie nicht mehr geleugnet werden können. Wenn natürlich beide Parteien immun sind gegen Beweise und Fakten, dann führt es zu nichts.
Die Realität ist also das, was unterschiedliche Positionen wieder zusammenführt, und zwar auch gegen zuvor vorhandene Überzeugungen.
Wenn unterschiedliche Bewertungen über die 9/11-Attentate vorliegen, kann man durchaus das Fundament dieser Bewertungen untersuchen. Wer das ablehnt, weil er von vornherein weiß, dass er kategorisch an seinen religiösen Versen festhalten wird, sollte an diesem Diskurs nicht teilnehmen und sich am besten aus der Politik heraushalten, zum Wohle aller.
Interessanterweise kommt in dieser Kurzform der Gedanke der Nächstenliebe gar nicht vor
.. CREDO ...
aber ja -
bevor ich hier etwas improvisiere, mögen Experten hier erklären, warum das so ist - der jenseitige Bezug dominiert mal sehr stark
m.
P.S.: es ist Freitag, ich bin mal sarkastisch "immer je schon, implizit mitgedacht" wird hier eine Rolle spielen können, aber ich habe echt keine seriöse Ahnung
captainbeefheart
13.10.2017, 22:30
Ich weiche keineswegs aus, sondern habe meinen Standpunkt illustriert, indem ich darauf hinwies, dass es selbst nach mehreren tausend Jahren zu keinem Ergebnis führt, wenn „Überzeugungen“ ausgetauscht werden (und es allein dabei bleibt).
Man kann bei Überzeugungen starten, als Anfangspunkt einer Verhandlung. Aber wie geht es danach weiter? Danach bohrt man immer weiter in die Tiefe und untersucht, ob sich Beweise finden lassen, denen jede Partei zustimmen muss, weil sie nicht mehr geleugnet werden können. Wenn natürlich beide Parteien immun sind gegen Beweise und Fakten, dann führt es zu nichts.
Die Realität ist also das, was unterschiedliche Positionen wieder zusammenführt, und zwar auch gegen zuvor vorhandene Überzeugungen.
Wenn unterschiedliche Bewertungen über die 9/11-Attentate vorliegen, kann man durchaus das Fundament dieser Bewertungen untersuchen. Wer das ablehnt, weil er von vornherein weiß, dass er kategorisch an seinen religiösen Versen festhalten wird, sollte an diesem Diskurs nicht teilnehmen und sich am besten aus der Politik heraushalten, zum Wohle aller.
Ich versuche es noch einmal: beide einigen sich auf alle wesentlichen Details der Realität, wie Crash, unmittelbare Todesopfer, Todesopfer in der Folge etc. da gibt es keinen Dissens, die Beiden sind sich einig. Die Bewertung ist aber dennoch unterschiedlich. Die Einigung auf die "Realität" verändert also nicht die Interpretation des Einen ("gut so, mehr davon") und des anderen ("abscheulich, bitte nie wieder").
So ist das tatsächlich, das ist ja kein fiktives Beispiel. Die Realitätskonfrontation ändert also die Überzeugung des einen keineswegs, sie ist erfolglos.
Es gibt aber eine Begründung für diese Bewertung. Und diese Begründung lässt sich ebenso prüfen, wie die Frage, ob das World Trade Center eingestürzt ist oder nicht.
Beispielsweise, wenn die Begründung darin besteht, Mohammed hätte einen bestimmten Vers geschrieben, dann lässt sich diese Behauptung überprüfen.
Es scheitert nur dann, wenn jemand auf dem Standpunkt steht, Bewertungen müssten nicht begründet und geprüft werden. Eben das ist das Wesen der religiösen Gläubigkeit, und eben darum kritisiere ich sie.
Hier im Thread kann man das ansatzweise sehen. Strittig sind theologische Fragen nur am Rande. Der hauptsächliche Streitpunkt ist, ob es erlaubt ist, von den Gläubigen eine Begründung einzufordern. Denn es hat sich die Aufassung durchgesetzt, Meinungen müssten nicht begründet werden (und dürften nicht infrage gestellt werden), sofern jemand zuvor gerufen hat: „Das ist mein Glaube!“
Klugschnacker
13.10.2017, 22:43
Wie kamen die Menschen in den so genannten aufgeklärten Ländern mehr und mehr vom Christentum ab?
Ich meine, dass das nicht auf direkte Beweise zurückzuführen ist. Denn es gibt keinen Gegenbeweis zur christlichen Gottesvorstellung, der von den Christen akzeptiert würde (vereinfachte Darstellung).
Meine These: In Ermangelung eines direkten Gegenbeweises bricht eine Hypothese unter der Überzeugungskraft einer konkurrierenden Hypothese zusammen.
Flog Mohammed mit einem geflügelten Pferd in eine andere Stadt? Stieg Maria mitsamt ihrem Leib in den Himmel auf? Ging Jesus über Wasser?
Hier gibt es keine Beweise des Gegenteils. Doch weil wir bei der sorgfältigen Erforschung der Natur nirgendwo auch nur dem kleinsten Wunder begegnen, erhöht sich unsere Skepsis gegenüber allen möglichen Wundern.
Dazu kommen Dinge, die in religiösen Schriften nachweisbar falsch sind. Wenn die Bibel behauptet, die Erde sei älter als die Sonne und die Sterne, irrt sie sich. Das schwächt das Vertrauen in diese Texte und stärkt die Überzeugungskraft der konkurrierenden Hypothese.
Falls dieser Gedanke richtig ist, wäre Bildung ein Weg, wie Menschen sich auf gemeinsame Weltbilder einigen könnten. Ich habe die Hoffnung, dass das Internet dabei eine wichtige Rolle spielen könnte. Beispiel: Überall auf der Welt fahren Frauen Auto, ohne dass sich die Hölle auftut (vereinfachte Darstellung :Cheese: ). Das dringt früher oder später zu den Arabern durch.
Dagegen spricht leider der Umstand, dass bereits Kinder religiös-ideologisch geimpft werden. Damit meine ich an dieser Stelle vor allem die Situation in den Gottesstaaten. Was hier auf der emotionalen Ebene verankert wird, ist später durch rationale Argumente schwer angreifbar.
captainbeefheart
13.10.2017, 22:51
Es gibt aber eine Begründung für diese Bewertung. Und diese Begründung lässt sich ebenso prüfen, wie die Frage, ob das World Trade Center eingestürzt ist oder nicht.
Beispielsweise, wenn die Begründung darin besteht, Mohammed hätte einen bestimmten Vers geschrieben, dann lässt sich diese Behauptung überprüfen.
Es scheitert nur dann, wenn jemand auf dem Standpunkt steht, Bewertungen müssten nicht begründet und geprüft werden. Eben das ist das Wesen der religiösen Gläubigkeit, und eben darum kritisiere ich sie.
Hier im Thread kann man das ansatzweise sehen. Strittig sind theologische Fragen nur am Rande. Der hauptsächliche Streitpunkt ist, ob es erlaubt ist, von den Gläubigen eine Begründung einzufordern. Denn es hat sich die Aufassung durchgesetzt, Meinungen müssten nicht begründet werden (und dürften nicht infrage gestellt werden), sofern jemand zuvor gerufen hat: „Das ist mein Glaube!“
Ich habe heute hier gelernt, dass diese, wie auch andere Greueltaten, einer "positiven Absicht folgen", "einer guten Sache". Die Begründung der Bewertung ist dann, "weil es gut ist" - und du bist im Zirkel. Nein, Deine Strategie überzeugt mich nicht, ich denke es ist abstrakte Theorie, ohne wirklichen praktischen Wert.
Hallo beef, soll das eine Antwort auf mein Posting sein? Ich sehe keinen Zusammenhang.
captainbeefheart
13.10.2017, 23:03
Hallo beef, soll das eine Antwort auf mein Posting sein? Ich sehe keinen Zusammenhang.
Ja, Du schreibst doch "Begründung der Bewertung". Ich gehe nicht davon aus, dass das die Begründung ein bestimmter Vers ist, der empirisch überprüfbar ist, sondern eine grundlegende Überzeugung im Sinne einer bestimmten Sache zu handeln.
Matthias75
13.10.2017, 23:15
Hallo M! Bist Du der Meinung, es ist ein Ablenkungsmanöver, wenn ich nach Deinem Standpunkt frage? Für mich ist es die Einladung, sich konkret mit dem strittigen Punkt zu beschäftigen — also das Gegenteil einer Ablenkung.
Ja, denn mein persönlicher Standpunkt spielt für diese Diskussion und insbesonder für den strittigen Punkt (der übrigens eine andere Fragestellung betraf) keine Rolle. Die Frage dient nur dazu mich in eine Schublade zu stecken bzw. über das Sezieren meines persönliches Standpunktes von der vorgebrachten Kritik abzulenken.
Viel Spass hier noch, ich bin wieder dabei, wenn's wieder um Triathlon geht.
M.
LidlRacer
13.10.2017, 23:20
Viel Spass hier noch, ich bin wieder dabei, wenn's wieder um Triathlon geht.
In diesem Thread wäre das ein wenig offtopic. :confused:
Es gibt aber auch andere Threads neben diesem!
Hallo M! Es gibt theoretisch eine unbegrenzte Anzahl von Standpunkten. Es ist daher unmöglich, sie alle zu diskutieren. Deswegen konzentriert man sich auf jene Standpunkte, die tatsächlich von irgendwem vertreten werden, denn nur dann lohnt sich die Debatte.
beef beispielsweise debattiert nach meinem Gefühl (das mich täuschen kann) häufig Standpunkte, die er auf Rückfrage überhaupt nicht persönlich teilt. Das ist sehr mühsam und unergiebig, und deswegen erfrage ich immer wieder den persönlichen Standpunkt und gehe möglichst nur darauf ein.
Was mir persönlich sehr missfällt, ist eine Art Heckenschützen-Taktik: Das sind Leute, die nur kurz auftauchen, um irgendwelche persönlichen Anwürfe abzuladen, und die dann sofort wieder verschwinden, mit der Bemerkung, man wolle ja an dieser doofen Debatte gar nicht teilnehmen. Das wiederholt sich dann mit einer gewissen Regelmäßigkeit. Oder es wird eine Begründung verweigert mit der verblüffenden Aussage, dass diese Begründung dann nur von den anderen zerpflückt würde. Tja, so ist das halt in Debatten.
Ich persönlich achte darauf, meine Standpunkte so zu vertreten, dass sie angreifbar sind. Ich beschäftige mich mit der Kritik, denn wenn jemand eine Antwort auf mein Posting schreibt, hat er auch Anspruch darauf, dass ich mich damit beschäftige. Ich würde nicht schreiben: „Du hast Unrecht, aber ich sage dir nicht warum, und jetzt Tschüß!“ Das fände ich unhöflich, weil der anderen Person dann die Gelegenheit genommen wird, sich zu verteidigen.
Nur ein geringer Teil der Debatte ist inhaltlich. Der größte Teil der Debatte dreht sich darum, ob jemand das Recht hat, religiösen Glauben zu kritisieren. Es ist lange her, dass jemand geschrieben hat: „Hier liegst Du theologisch oder wissenschaftlich falsch“. Sondern es geht fast immer nur um: „Was erlaubst Du Dir!?“
Die Kritiker wollen vermutlich, dass die Debatte insgesamt eingestellt wird. Jedenfalls ist das mein Eindruck.
Ich hab das hier nur noch am Rande mitverfolgt, aber es geht euch beiden offensichtlich vor allem um das christentum. Ihr wirkt geradezu besessen, ohne den Grund dafür preis zu geben.
Möglicherweise verbreitet die Kirche ein Welt- oder Menschenbild, dass (in Teilen) dem eigenen komplett widerspricht. Daraus könnte man schon eine Motivation ableiten, kein gutes Haar an der Kirche zu lassen.
Wie ist eure Meinung zum Islam? Was mich an dieser Religion wirklich ankotzt ist, dass keiner der Würdenträger bislang die abscheulichen Attentate der Dschihadisten im Namen Allahs verurteilt hat. Die Hierarchie schweigt konsequent, das stört mich!
Als ich das gestern laß, dachte ich zunächst an ein Posting vom Postillon.
http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.thomas-de-maizi-re-minister-kann-sich-muslimische-feiertage-in-deutschland-vorstellen.57824a31-fa9b-4738-82b9-1b5b3a13604e.html
Mag sein, dass es Wahlkampfgerede ist. Aber wenn unser Innenminister sowas laut ausspricht, hätte ich einen Aufschrei der Atheistengemeinde vermutet.
(vermutlich kommt jetzt der erhobene Zeigefinger, dass wir nur über das offizielle Christentum diskutieren :Cheese: )
...
@keko:
Ich finde religiösen Glauben per se fragwürdig, weil es meist nichts anderes ist als eine Abwehr: „Das muss ich nicht begründen, das ist mein Glaube!“ Beispiel: Volker Kauder (CDU) hat in der Debatte für die „Ehe für alle“ zwar bekannt gegeben, dass er dagegen ist, aber eine Begründung hat er verweigert — das sei eben sein Glaube.
...
Ich stehe auf dem Standpunkt, dass wir heute über genügend Wissen verfügen, um die Plausibilität aller Religionen einschätzen zu können. Glaube ist nicht erforderlich, denn Wissen steht zur Verfügung.
Mir ist klar, dass du keinen religiösen Glauben hast. Obwohl: der Beweis, dass es keinen Gott gibt, wurde noch nicht erbracht, deshalb glaubst du hier auch nur, dass es keinen Gott gibt.
Aber es ging mir um Glauben allgemein. Um zu zeigen, dass Glaube urmenschlich ist.
Vielleicht glaubst du ja, dass dieser Thread die Menschheit auf einen besseren Weg bringt.
Manche glauben an den Mythos Hawaii. Trainieren wie blöd, verlassen ihre Familie, verpesten die Umwelt (mit Flügen und Fahrten) und Fördern Sklavenarbeit in armen Ländern (Kleidung et.).
Ich will nur sagen: wir könnten auch monatelang über die negativen Folgen des Glaubens an den Mythos Hawaii sprechen.
Auch im christlichen Glauben gibt es 2 Seiten. Du reitest halt konsequent auf der negativen Seite rum.
Klugschnacker
14.10.2017, 10:48
Möglicherweise verbreitet die Kirche ein Welt- oder Menschenbild, dass (in Teilen) dem eigenen komplett widerspricht. Daraus könnte man schon eine Motivation ableiten, kein gutes Haar an der Kirche zu lassen.
Ich sage lediglich, dass vieles von dem, was die Kirchen behaupten, nicht wahr ist.
Ich sage ferne, dass der Papst, alle Kardinäle, Bischöfe, Frau Käßmann und auch Du selbst nichts über die Götter wissen und wissen können – außer über jene, die sie und ihre Kollegen selbst erfunden haben.
Die Haare der Kirche: Sie ist ja in der aufgeklärten Welt ziemlich in der Mauser; aber es gibt gewiss nicht nur schlechte.
:Blumen:
tandem65
14.10.2017, 12:55
Hallo M! Bist Du der Meinung, es ist ein Ablenkungsmanöver, wenn ich nach Deinem Standpunkt frage? Für mich ist es die Einladung, sich konkret mit dem strittigen Punkt zu beschäftigen — also das Gegenteil einer Ablenkung.
Na dann kommt Arne um die Ecke und meint daß das lediglich die eine Private Meinung ist und nur der Standpunkt der Kirche interessiert. Was denn nun?
LidlRacer
14.10.2017, 13:31
Na dann kommt Arne um die Ecke und meint daß das lediglich die eine Private Meinung ist und nur der Standpunkt der Kirche interessiert. Was denn nun?
Arne und Jörn sehen sich zwar sehr ähnlich, sind aber meines Wissens trotzdem 2 verschiedene Menschen.
Der Glaube an den Nikolaus hat auch gute Seiten, wenn Eltern dies pädagogisch geschickt anstellen. Es sind Kindheitserlebnisse, die als schöne Erinnerung auch das spätere Erwachsenenleben bereichern können. Das gebe ich gerne zu.
Wenn jedoch Erwachsene weiterhin an den Nikolaus glauben, wandelt es sich zu einem bizarren Horror-Glauben.
Es sind lediglich die Gläubigen, die fest davon überzeugt sind, ihr Glaube hätte auch schöne Seiten. „Ihr sollt glauben wie die Kinder“ — ja, aber nicht als Erwachsene im Jahr 2017.
Dass einer der großen geistigen Führer der Welt (der Papst) allen Ernstes an eine heilige Jungfau im Himmel glaubt und sich selbst als unbefleckte Braut Jesu Christi versteht (und sich daher stets in weiß kleidet) ist hochgradig deprimierend. Haben wir wirklich niemand besseres?
Dass Erwachsene sich jeden Samstag für das „Wort zum Sonntag“ vor die Kamera stellen und einen unglaublichen Dünnsinn als große Weisheiten verkaufen, macht mich sprachlos. Das sind keine gelehrten Leute, sondern sie halten sich bloß dafür. Es ist schade, dass nicht jede Woche ein Wissenschaftler etwas über die tatsächlichen Wunder der Welt bereichten darf. Was hätte ein Hoimar von Ditfurth aus so einer Sendung machen können!
Du, keko, glaubst ja selber nicht dran, und zwar aus gutem Grund!
Keine Ahnung, ob's hier passt, ich verfolgen den Thread nicht mehr:
Was glaubt jemand, der nicht glaubt? (http://www.tagesspiegel.de/wissen/atheismus-heute-was-glaubt-jemand-der-nicht-glaubt/20443404.html)
tandem65
14.10.2017, 18:57
Arne und Jörn sehen sich zwar sehr ähnlich, sind aber meines Wissens trotzdem 2 verschiedene Menschen.
Echt jetzt? Puh, abgefahren. Ich glaube das jetzt einfach mal.
LidlRacer
14.10.2017, 21:23
Viel Spass hier noch, ich bin wieder dabei, wenn's wieder um Triathlon geht.
Jetzt geht's um Religion UND Triathlon:
"Jocelyn McCauley, currently riding in seventh, ONLY races on Saturdays. She has won 2 IRONMAN races with limited opportunities to race based on schedule. Due to religious reasons, she will not race on Sunday. She has won IRONMAN Mallorca and IRONMAN New Zealand - because both are Saturday events."
(aus dem Hawaii-Ticker)
Keine Ahnung, ob's hier passt, ich verfolgen den Thread nicht mehr:
Was glaubt jemand, der nicht glaubt? (http://www.tagesspiegel.de/wissen/atheismus-heute-was-glaubt-jemand-der-nicht-glaubt/20443404.html)
doch, das passt noch. In diesem lesenswerten Artikel werden viele Aspekte angesprochen, die hier bereits Teil der Diskussion waren.
zB
"Dennoch beschäftigen auch Nichtgläubige Fragen, die jenseits der rationalen Bewältigung des Alltags liegen. Auch Nichtgläubige denken über den Urgrund allen Seins nach, über die Unbegreiflichkeit der Realität, und kennen Gefühle des Einsseins mit der Natur. Solche Themen sprechen eine – wie man sagen könnte – spirituelle Dimension an.
Das Thema Spiritualität wird jedenfalls von vielen Nichtgläubigen inzwischen, wenn auch mit großer Zurückhaltung, als eine das Dasein bereichernde Dimension wahrgenommen."
Das ist aber etwas anderes als das von Dir, Keko angesprochene : "der Beweis, dass es keinen Gott gibt, wurde noch nicht erbracht, deshalb glaubst du hier auch nur, dass es keinen Gott gibt." Genauso könnte man sagen, dass Du nur glaubst, dass es keine Einhörner gibt. Du weichst den Begriff des Glaubens immer wieder gerne auf. Auch Atheisten sind nicht durchgängig rational, richten ihr Leben nicht nach nur diesseitigen logischen Argumenten aus, folgen irrationalen Entscheidungswegen ... und dennoch hat das mit dem Glauben im Sinne eines von Dir gedachten "Antiglauben" nichts zu tun.
captainbeefheart
16.10.2017, 09:14
...
...
Das Thema Spiritualität wird jedenfalls von vielen Nichtgläubigen inzwischen, wenn auch mit großer Zurückhaltung, als eine das Dasein bereichernde Dimension wahrgenommen."
...
Der Artikel und Deine Zusammenfassung bestätigt meine hier schon mehrfach vorgetragene Position, dass es offenbar ein grundlegendes Bedürfnis nach Spirtualität / Transzendenz / Religion gibt.
Der Artikel und Deine Zusammenfassung bestätigt meine hier schon mehrfach vorgetragene Position, dass es offenbar ein grundlegendes Bedürfnis nach Spirtualität / Transzendenz / Religion gibt.
Jein. Mein Standpunkt ist, dass Spiritualität keine Religion benötigt. Insofern gibt es kein grundlegendes Bedürfnis nach Religion. Religion instrumentalisiert grundlegende Bedürfnisse.
captainbeefheart
16.10.2017, 11:25
[QUOTE=waden;1336085]Jein. Mein Standpunkt ist, dass Spiritualität keine Religion benötigt. ...QUOTE]
Sehe ich auch so.
Religion ist eines der (von mehreren) "Angebote" , die aus dem Bedürfnis nach Spiritualität / Transzendenz etc. ("Nachfrage") entstanden ist.
Jein. Mein Standpunkt ist, dass Spiritualität keine Religion benötigt. Insofern gibt es kein grundlegendes Bedürfnis nach Religion. Religion instrumentalisiert grundlegende Bedürfnisse.
Das ist sicher eine mögliche Perspektive - ausgehend von einer "Religion" als Institution. Wenn (=falls) ich aber die Perspektive des Menschen mit spirituellem Bedürfnis einnehme wollte, könnte ich auch formulieren: Religion (bzw. eine bestimmte Religionsgemeinschaft) macht mir ein Angebot für meine Bedürfnisse.
Klugschnacker
16.10.2017, 11:35
Spiritualität ist wird nicht durch ein Bedürfnis der Menschen verursacht.
Genauso wenig bestätigt die Existenz der Löwen das Bedürfnis der Antilopen, gefressen zu werden. Auch die Existenz der Diebe bestätigt nicht das Bedürfnis der Menschen, beklaut zu werden.
Ideologien nehmen auf die Bedürfnisse der Menschen wenig Rücksicht. Oft laufen sie diesen Bedürfnissen sogar zuwider.
Ideologien werden erlernt und durch Erziehung weitergegeben. Erfolgreiche Ideologien, also solche mit großer Verbreitung, sind deshalb erfolgreich, weil diese Weiterverbreitung ein Teil der Ideologie selbst ist. Diese Ideologien kümmern sich nicht um die Bedürfnisse der Menschen, sondern um ihre eigene Verbreitung. Das ist wie bei den Löwen, die nicht wegen der Bedürfnisse der Antilopen existieren, sondern aufgrund des eigenen Ausbreitungserfolgs.
Spiritualität ist wird nicht durch ein Bedürfnis der Menschen verursacht.
Woher genau weißt Du das?
Klugschnacker
16.10.2017, 12:05
Woher genau weißt Du das?
Eine Kurzfassung dieser Argumentation habe ich den nächsten Sätzen skizziert. Wie ist Deine Meinung dazu?
:Blumen:
Nirgends würden wir eine solche „Argumentation“ akzeptieren, schon gar nicht, wenn sie darüber entscheidet, ob fundamentale Menschenrechte gewährt oder verweigert werden. Wenigstens müssen die Betroffenen die Möglichkeit haben, auf Fehler in der Begründung hinzuweisen. Aber das geht nicht, wenn keine Begründung gegeben wird.
Deswegen plädiere ich dafür, dass man religiösen Glauben nicht als Vorwand benutzen darf, um sich ohne Begründung durchzumogeln.
Das nennt sich dann Gewissensentscheidung. Da ist jeder frei das zu entscheiden was er in sich fühlt. Einfach ohne Begründung :Cheese:
Im Bundestag werden dazu sogar die Fraktionszwänge aufgehoben.
captainbeefheart
16.10.2017, 12:23
Spiritualität ist wird nicht durch ein Bedürfnis der Menschen verursacht.
Genauso wenig bestätigt die Existenz der Löwen das Bedürfnis der Antilopen, gefressen zu werden. Auch die Existenz der Diebe bestätigt nicht das Bedürfnis der Menschen, beklaut zu werden.
Ideologien nehmen auf die Bedürfnisse der Menschen wenig Rücksicht. Oft laufen sie diesen Bedürfnissen sogar zuwider.
Ideologien werden erlernt und durch Erziehung weitergegeben. Erfolgreiche Ideologien, also solche mit großer Verbreitung, sind deshalb erfolgreich, weil diese Weiterverbreitung ein Teil der Ideologie selbst ist. Diese Ideologien kümmern sich nicht um die Bedürfnisse der Menschen, sondern um ihre eigene Verbreitung. Das ist wie bei den Löwen, die nicht wegen der Bedürfnisse der Antilopen existieren, sondern aufgrund des eigenen Ausbreitungserfolgs.
Bei den Menschen wissen wir das mit einem Bedürfnis nach Spiritualität / Transzendenz spätestens seit Maslow und Luhmann recht gut. Maslow hat in seinem Spätwerk als oberste Stufe seiner Bedürfnishierarchie (die nur bzgl. der Hierarchie, nicht bzgl. der genannten Grundbedürfnisse als widerlegt gilt) „Transzendenz“ genannt, die Suche nach einer das Selbst überschreitenden Dimension. Das ist nicht zwingend Gott- oder Religionsbezogen, aber eben auch.
Bzgl. des Henne-Ei-Problems, ob ein Bedürfnis zuerst da war und sich erst dann entsprechende Angebote gebildet haben, die dann über Sozialisierungseffekte das Bedürfnis verstärken, ist es ziemlich müßig zu sprechen: Die Hinweise aus den ganz verschiedenen Kulturen, die ganz unterschiedliche Bedürfnisbefriedigungsoptionen ausgeprägt haben sind allerdings Indikatoren für das Vorhandensein originärer Bedürfnisse.
Eine Kurzfassung dieser Argumentation habe ich den nächsten Sätzen skizziert. Wie ist Deine Meinung dazu?
:Blumen:
Beim Beispiel mit den Löwen und den Antilopen habe ich ehrlich gesagt nicht verstanden, warum das belegen soll, dass es kein Bedürfnis nach Spiritualität gibt.
Das "Bedürfnis" geht doch vom "Bedürftigen" aus.
Wenn also die Antilope sagen würde: ich habe das Bedürfnis gefressen zu werden und dazu suche ich mir den Löwen aus (sie könnte ja auch eine Hyäne wählen oder ein Krokodil) dann wäre es tatsächlich ein Beispiel für ein Bedürfnis.
In Deinem Beispiel ist aber wohl eher der Löwe der "Bedürftige". Er hat das Bedürfnis, seinen Hunger zu stillen. Dann sucht er sich halt eine zufällig des Weges kommende Antilope aus, es könnte aber genauso gut ein anderes Tier sein.
Wenn also jemand sagt, er habe das Bedürfnis nach Spiritualität, dann hat er in einer freien Welt die Möglichkeit, sich einen zu ihm passenden Glauben, Aberglauben usw. auszusuchen. Dass wir gesellschaftlich, familiär und sonst wie geprägt sind, und diese Prägung eine solche Entscheidung beeinflusst, ist naheliegend und das will ich daher gar nicht bestreiten.
Nicht bestreiten will ich auch, dass es zahlreiche Möglichkeiten gibt, Bedürfnisse zu wecken, die man noch gar nicht hatte. Wer einmal mit einer 17jährigen Tochter über das "Bedürfnis" nach dem neuen i-phone diskutiert hat, weiß, was ich meine ;)
Trotzdem bin ich der Meinung, dass es zu kurz gegriffen wäre, die Frage des spirituellen Bedürfnisses nur von der Anbieterseite=Religion aus zu betrachten. Ich habe den Eindruck, dass es für Spiritualität sehr wohl eine Nachfrage gibt, die nicht erst durch die Anbieter geweckt worden ist.
Sehe ich auch so.
Religion ist eines der (von mehreren) "Angebote" , die aus dem Bedürfnis nach Spiritualität / Transzendenz etc. ("Nachfrage") entstanden ist.
Es mag ja sein, dass dem so ist.
Allerdings die Frage hier ist doch auch, welche Entscheidungen treffen wir als Gesellschaft, treffen Entscheidungsträger und warum
Du kannst doch nicht ernsthaft befürworten, dass Entscheidungen aus einer Spiritualität getroffen werden? Dass Entscheidungen, nationaler Größenordnungen oder darüber hinaus, ohne rationale Begründung getroffen werden?
Solche Entscheidungen wären letztlich willkürlich. Die Entscheidungsträger unkontrollierbar. Wie z.b. in Saudie-Arabien oder anderen Gottesstaaten.
Wobei die Entscheidungsträger in solchen Diktaturen den ganzen Zinober selbst gar nicht glauben, sondern es ihnen (meist) rein um den Machterhalt geht und sie dem Volk was vorspielen.
Das Volk kann diese Entscheidungen die aus irgendwelchen spirituellen Ecken kommen aber halt nicht nachvollziehen, sondern muss sie so hinnehmen.
captainbeefheart
16.10.2017, 12:40
...
Allerdings die Frage hier ist doch auch, welche Entscheidungen treffen wir als Gesellschaft, treffen Entscheidungsträger und warum
Du kannst doch nicht ernsthaft befürworten, dass Entscheidungen aus einer Spiritualität getroffen werden? Dass Entscheidungen, nationaler Größenordnungen oder darüber hinaus, ohne rationale Begründung getroffen werden?
....
Wie kommst Du darauf, dass ich das befürworten würde? Ich habe dazu nichts geschrieben.
Spiritualität ist wird nicht durch ein Bedürfnis der Menschen verursacht.
Ich vermute, dass Spiritualität zu den Bedürfnissen der Menschen gehört. Sie wird nicht von Religionen erfunden, sondern von diesen instrumentalisiert. "Auch Nichtgläubige denken über den Urgrund allen Seins nach, über die Unbegreiflichkeit der Realität, und kennen Gefühle des Einsseins mit der Natur. Solche Themen sprechen eine – wie man sagen könnte – spirituelle Dimension an. " '(Aus dem oben von Drullse) verlinkten Artikel.
Die Instrumentalisierung durch die Religion könnte man im positiven Sinne bezeichnen als einen Rahmen, in dem diese Spiritualität gelebt wird. Für zutreffender halte ich allerdings die Beobachtung, dass die Spiritualiät kanalisiert wird auf die Interessen der Religion hin.
Das ist aber etwas anderes als das von Dir, Keko angesprochene : "der Beweis, dass es keinen Gott gibt, wurde noch nicht erbracht, deshalb glaubst du hier auch nur, dass es keinen Gott gibt." Genauso könnte man sagen, dass Du nur glaubst, dass es keine Einhörner gibt. Du weichst den Begriff des Glaubens immer wieder gerne auf. Auch Atheisten sind nicht durchgängig rational, richten ihr Leben nicht nach nur diesseitigen logischen Argumenten aus, folgen irrationalen Entscheidungswegen ... und dennoch hat das mit dem Glauben im Sinne eines von Dir gedachten "Antiglauben" nichts zu tun.
Mein Glaube lässt lediglich viel offen. Ich weiche nicht bewußt aus.
Ich sehe mich als sehr beschränktes, unendlich kleines Wesen in einem unendlich großen Universum an (selbst mit "unendlich" tu ich mir schwer, aber lassen wir das mal...). Um mich herum sehe ich mehr oder wenige ähnliche Wesen. Ich tu mir sehr schwer damit, dass diese Wesen, die da sagen, Gott gibt es nicht, einen Sinn gibt es nicht usw., Recht haben. Ich glaube eher, dass wir weder den Sinn (von allem), noch "Gott" (als Super/Über/Allmacht) erkennen.
Klugschnacker
16.10.2017, 13:06
Der Spiritualität liegt die Tatsache zugrunde, dass wir Menschen uns die Welt als etwas vorstellen, das vor allem mit uns selbst zu tun hat.
Wo uns das Wissen fehlt, stellen wir uns gerne eine transzendente Welt vor, die etwas mit uns Menschen zu tun hat. So glaubte man früher an durch Menschen verursachte Naturkatastrophen wie z.B. Erdbeben.
Spiritualität ist eine Folge unseres subjektzentrischen Denkens. Letztes hat seine Ursachen ganz simpel in der Evolution.
Ich tu mir sehr schwer damit, dass diese Wesen, die da sagen, Gott gibt es nicht, einen Sinn gibt es nicht usw., Recht haben. Ich glaube eher, dass wir weder den Sinn (von allem), noch "Gott" (als Super/Über/Allmacht) erkennen.
Trotzdem unterstützt du zumindest indirekt mit deiner Kirchensteuer, bzw. findest es gut dass es eiine Kirche gibt aber die Kirche die behauptet: Gott gibt es.
Was ist eigentlich verwerflicher?
Zu behaupte es gäbe etwas, obwohl man keinerlei Belege liefern kann.
Oder zu behaupten, dies gäbe es nicht, weil es keine Belege gibt?
Du stellst hier beides auf eine Stufe.
Der Spiritualität liegt die Tatsache zugrunde, dass wir Menschen uns die Welt als etwas vorstellen, das vor allem mit uns selbst zu tun hat.
Wo uns das Wissen fehlt, stellen wir uns gerne eine transzendente Welt vor, die etwas mit uns Menschen zu tun hat. So glaubte man früher an durch Menschen verursachte Naturkatastrophen wie z.B. Erdbeben.
Spiritualität ist eine Folge unseres subjektzentrischen Denkens. Letztes hat seine Ursachen ganz simpel in der Evolution.
Sofern Spiritualität mit Transzendenz verknüpft ist, gebe ich Dir recht. Ich hatte einen weiteren Begriff (geistiger Welten) im Sinn, und als ich eben nachsah, wie der Begriff bei Wiki definiert wird, habe ich geshen, dass es hier eine große Bandbreite gibt. Ich meinte eher ...
"Neuerdings wird der Begriff auch ohne Gottes- oder Transzendenzbezug aufgefasst, so z. B. von André Comte-Sponville in „Woran glaubt ein Atheist?: Spiritualität ohne Gott“. Gerechtigkeit, Mitgefühl, Liebe, Demokratie und Menschenrechte könnten Gottgläubige, Agnostiker und Atheisten vereinen, ohne einander missionieren zu wollen. Ähnlich auch der Dalai Lama, der als Grundspiritualität die grundlegenden menschlichen Werte der Güte, der Freundlichkeit, des Mitgefühls und der liebevollen Zuwendung bezeichnet.
Insoweit könnte man von einer humanistischen Spiritualität sprechen, die darauf ausgerichtet ist, die Werte des Humanismus zur eigenen Lebenswirklichkeit werden zu lassen."
(https://de.wikipedia.org/wiki/Spiritualit%C3%A4t)
Mein Glaube lässt lediglich viel offen. Ich weiche nicht bewußt aus.
Ich sehe mich als sehr beschränktes, unendlich kleines Wesen in einem unendlich großen Universum an (selbst mit "unendlich" tu ich mir schwer, aber lassen wir das mal...). Um mich herum sehe ich mehr oder wenige ähnliche Wesen. Ich tu mir sehr schwer damit, dass diese Wesen, die da sagen, Gott gibt es nicht, einen Sinn gibt es nicht usw., Recht haben. Ich glaube eher, dass wir weder den Sinn (von allem), noch "Gott" (als Super/Über/Allmacht) erkennen.
Das verstehe ich schon - ich weiß ja auch nicht mehr. Wissenschaft kann heute noch vieles nicht erklären, und unser Wissen ist begrenzt und wird vielleicht niemals vollständig sein . Andererseits bin ich skeptisch allem gegenüber, was für sich Gültigkeit, Wahrheit beansprucht, ohne dafür wenigstens plausible Gründe angeben zu können. Und die Ansätze der Naturwissenschaften führen zB dazu, dass wir beide auf diesem Weg kommunizieren können - das hätten wir allein mit religiösem Glauben nicht geschafft.
captainbeefheart
16.10.2017, 14:42
Der Spiritualität liegt die Tatsache zugrunde, dass wir Menschen uns die Welt als etwas vorstellen, das vor allem mit uns selbst zu tun hat.
Wo uns das Wissen fehlt, stellen wir uns gerne eine transzendente Welt vor, die etwas mit uns Menschen zu tun hat. So glaubte man früher an durch Menschen verursachte Naturkatastrophen wie z.B. Erdbeben.
Spiritualität ist eine Folge unseres subjektzentrischen Denkens. Letztes hat seine Ursachen ganz simpel in der Evolution.
Bei Transzendenz geht es um eine, das eigene Selbst überschreitende Dimension.
Das geht einmal "sozial", in dem ich mein (potenziell narzisstisches) Selbst in einem sozialen Kontext überschreite und zum anderen "existenziell".
Letzteres zwingt nicht apriori etwas "außerhalb" anzunehmen, auch keinen Gott oder etwas anderes, das ist keineswegs eine Voraussetzung für das Bestehen des Bedürfnisses. Welche Antwort wir möglicherweise finden spielt also für ein Bedürfnis keine Rolle, bei "Hunger" (wir haben ihn auch dann, wenn wir gar nichts oder etwas bestimmtes zu essen finden) ebenso wenig wie bei "Transzendenz".
So glaubte man früher an durch Menschen verursachte Naturkatastrophen wie z.B. Erdbeben.
Heute ist es "global warming". :Cheese:
Sorry! :Blumen:
Wo uns das Wissen fehlt, stellen wir uns gerne eine transzendente Welt vor, die etwas mit uns Menschen zu tun hat. So glaubte man früher an durch Menschen verursachte Naturkatastrophen wie z.B. Erdbeben.
Die gleiche Kontinuität, die man bei der Beantwortung von Fragen hat, hat man, dass immer wieder neue Fragen entstehen. Es kommt mir so vor, als gäbe es kein Ende.
Die gleiche Kontinuität, die man bei der Beantwortung von Fragen hat, hat man, dass immer wieder neue Fragen entstehen. Es kommt mir so vor, als gäbe es kein Ende.
Aber das ist wissenschaftliches Denken, kein religiöses.
Die Religion behauptet alles zu wissen, es gibt keine Platz für Zweifel oder neue Fragen oder Fortentwicklung.
Maximal dann wenn man von den gesellschaftlichen Entwicklungen gezwungen ist, nie freiwillig.
Die Wissenschaft dagegen will zur nächsten Frage und immer weiter.
Klugschnacker
16.10.2017, 16:58
Ich glaube eher, dass wir weder den Sinn (von allem), noch "Gott" (als Super/Über/Allmacht) erkennen.
Dann habe ich Dich missverstanden, als Du vor ein paar Tagen sagtest, Du würdest einen Sinn des Daseins kennen. Du scheinst nun zu sagen, dass wir ihn Deiner Meinung nach gar nicht kennen können.
Es ist eine interessante Frage, ob ein Sinn, den wir grundsätzlich nicht erkennen oder begreifen können, überhaupt ein Sinn für uns Menschen sein kann. Wenn ich etwa sagte, der Sinn des Daseins sei "Wratzlikov", aber niemand könnte je begreifen, was Wratzlikov ist, dann könnten wir wohl damit wenig anfangen.
:Blumen:
Es ist eine interessante Frage, ob ein Sinn, den wir grundsätzlich nicht erkennen oder begreifen können, überhaupt ein Sinn für uns Menschen sein kann. Wenn ich etwa sagte, der Sinn des Daseins sei "Wratzlikov", aber niemand könnte je begreifen, was Wratzlikov ist, dann könnten wir wohl damit wenig anfangen.
:Blumen:
Wenn dann 42. :liebe053:
Wo uns das Wissen fehlt, stellen wir uns gerne eine transzendente Welt vor, die etwas mit uns Menschen zu tun hat. So glaubte man früher an durch Menschen verursachte Naturkatastrophen wie z.B. Erdbeben.
Und heute weiß man, dass Erdbeben durch Menschen verursacht werden können!
http://www.sueddeutsche.de/wissen/seismologie-schlaege-aus-der-tiefe-1.3702270-2
Ist doch ein großartiger wissenschaftliche Fortschritt - vom Glauben zum Wissen! :Blumen:
Trimichi
16.10.2017, 18:28
Trimichi, Jörn hat doch klar gestellt, dass es die Ingenieure sind, die sowas machen. Wissenschaftler tun so etwas nicht, die sind nur an der Wahrheit interessiert. Verstehst Du das nicht?
Nope. Kapiere ich nicht. So wenig Compliance ...............
Übrigens hatte ich mir meinen Account hier im Sommer aus Solidarität gegenüber Zarathustra hier einen Monat sperren lassen.
Klugschnacker
16.10.2017, 20:20
Beim Beispiel mit den Löwen und den Antilopen habe ich ehrlich gesagt nicht verstanden, warum das belegen soll, dass es kein Bedürfnis nach Spiritualität gibt.
Ich wollte damit ausdrücken, dass man nicht einfach vom Vorhandensein von Religion auf die Bedürfnisse der Menschen oder der Menschheit schließen darf.
Zur Verdeutlichung dieses Gedanken Folgendes: Angenommen, wir betrachten 100 verschiedene, rein fiktive Religionen. Nehmen wir weiter an, diese 100 Religionen existieren gleichzeitig und unterscheiden sich darin, wie nützlich sie für den einzelnen Menschen oder die Menschheit sind. Manche sind sehr nützlich, andere ausgesprochen schädlich und wieder andere irgendwo dazwischen. Manche orientieren sich an den Bedürfnissen der Menschen, andere nicht.
Nun reisen wir 1000 Jahre in die Zukunft und sehen nach, welche dieser Religionen ausgestorben sind, und welche sich gegenüber ihren Konkurrenten durchsetzen konnten. Wird diejenige Religion, die sich am meisten an den Bedürfnissen der Menschen orientiert, sich stärker ausbreiten als die anderen?
Zunächst würden wir feststellen, dass sich vor allem diejenigen Religionen stark ausgebreitet haben, die monotheistisch sind, und den eigenen Gott als den einzig wahren ansehen. Dadurch werden ihre Anhänger intolerant gegenüber anderen Religionen. So können sie sich über kriegerische Auseinandersetzungen mit Gewalt weiter verbreiten.
Großen Ausbreitungserfolg finden wir weiters bei jenen Religionen, welche starke Anreize bieten, bereits die Kinder zu Anhängern dieser Religionen zu machen. Und so weiter.
Der Kern ist, dass sich solche Systeme, wenn sie einer Evolution unterliegen, sich in Richtung ihres eigenen Vorteils entwickeln. Das bedeutet mit anderen Worten, sie entwickeln sich stets so, dass ihre eigene Ausbreitung optimiert wird. Das gilt für jedes System der Evolution. Auch Religionen durchlaufen eine Entwicklung zugunsten ihres eigenen Ausbreitungserfolgs. Nicht zugunsten der Bedürfnisse der Menschen.
Um Religionen und ihre Ausbreitung zu verstehen, muss man daher fragen, welchen Nutzen sie für sich selbst haben. Die Frage nach dem Nutzen für die Menschen geht am Kern vorbei. Das ist wie bei den Löwen: Wenn wir nach deren Sinn und Zweck fragen, dürfen wir nicht bei den Bedürfnissen der Antilopen suchen; die Löwen haben sich nicht aufgrund der Bedürfnisse der Antilopen entwickelt, sondern aufgrund ihrer eigenen Bedürfnisse.
Sorry für das längliche Posting!
:Blumen:
captainbeefheart
16.10.2017, 20:47
Ich wollte damit ausdrücken, dass man nicht einfach vom Vorhandensein von Religion auf die Bedürfnisse der Menschen oder der Menschheit schließen darf.
Zur Verdeutlichung dieses Gedanken Folgendes: Angenommen, wir betrachten 100 verschiedene, rein fiktive Religionen. Nehmen wir weiter an, diese 100 Religionen existieren gleichzeitig und unterscheiden sich darin, wie nützlich sie für den einzelnen Menschen oder die Menschheit sind. Manche sind sehr nützlich, andere ausgesprochen schädlich und wieder andere irgendwo dazwischen. Manche orientieren sich an den Bedürfnissen der Menschen, andere nicht.
Nun reisen wir 1000 Jahre in die Zukunft und sehen nach, welche dieser Religionen ausgestorben sind, und welche sich gegenüber ihren Konkurrenten durchsetzen konnten. Wird diejenige Religion, die sich am meisten an den Bedürfnissen der Menschen orientiert, sich stärker ausbreiten als die anderen?
Zunächst würden wir feststellen, dass sich vor allem diejenigen Religionen stark ausgebreitet haben, die monotheistisch sind, und den eigenen Gott als den einzig wahren ansehen. Dadurch werden ihre Anhänger intolerant gegenüber anderen Religionen. So können sie sich über kriegerische Auseinandersetzungen mit Gewalt weiter verbreiten.
Großen Ausbreitungserfolg finden wir weiters bei jenen Religionen, welche starke Anreize bieten, bereits die Kinder zu Anhängern dieser Religionen zu machen. Und so weiter.
Der Kern ist, dass sich solche Systeme, wenn sie einer Evolution unterliegen, sich in Richtung ihres eigenen Vorteils entwickeln. Das bedeutet mit anderen Worten, sie entwickeln sich stets so, dass ihre eigene Ausbreitung optimiert wird. Das gilt für jedes System der Evolution. Auch Religionen durchlaufen eine Entwicklung zugunsten ihres eigenen Ausbreitungserfolgs. Nicht zugunsten der Bedürfnisse der Menschen.
Um Religionen und ihre Ausbreitung zu verstehen, muss man daher fragen, welchen Nutzen sie für sich selbst haben. Die Frage nach dem Nutzen für die Menschen geht am Kern vorbei. Das ist wie bei den Löwen: Wenn wir nach deren Sinn und Zweck fragen, dürfen wir nicht bei den Bedürfnissen der Antilopen suchen; die Löwen haben sich nicht aufgrund der Bedürfnisse der Antilopen entwickelt, sondern aufgrund ihrer eigenen Bedürfnisse.
Sorry für das längliche Posting!
:Blumen:
... das im Wesentlichen die Mem-Theorie wiedergibt, die einen Evolutionsprozess für geistige und kulturelle Phänomene unterstellt, wie wir sie für die Biologie kennen. Wissenschaftlich sehr umstritten, letztlich grüßt uns - wie das Murmeltier hier schon öfter - Dawkins.
Deine Argumentation weist noch weitere Schwächen auf:
Die Anzahl der (Sub-)Religionen ist in der Menschheitsgeschichte größer und nicht kleiner geworden. Entspricht, wie in vielen anderen Lebensdomänen auch der Individualisierung der Gesellschaft.
Niemand - zumindest nicht hier in der Diskussion - hat vom Vorhandensein der Religionen auf ein Bedürfnis geschlossen. Das tust allein Du selbst.
Das mit den Löwen und Antilopen hatten wir schon, Die Löwen haben ein Hungerbedürfnis, es ist ziemlich unerheblich, ob es die Antilope oder ein Zebra deckt. Das Bedürfnis ist originär, erst dann kommt die Deckung. Das Vorhandensein der Antilope hat nicht unmittelbar mit dem Hunger des Löwen zu tun.
Schließlich muss, für bestimmte Bedürfnisse (z.B. soziale Bedürfnisse, nicht aber physiologische) ein unmittelbar objektiver Nutzen nicht zwingend sein. Oft reicht ein subjektiv wahrgenommener Nutzen.
Wenn Religion begründet wird mit dem „Bedürfnis nach Transzendenz“: Was ist dann die Begründung für das „Bedürfnis nach Transzendenz“?
Wenn Religion einen Grund hat (nämlich die Transzendenz), warum sollte dann die Transzendenz nicht ebenso einen Grund haben?
Die Aussage, Religion basiere auf dem Wunsch nach Transzendenz, erklärt deswegen nichts. Denn es lässt die Frage offen, woher dieser Wunsch kommt. Es ist eine Schein-Antwort auf ein Schein-Problem.
Es ist zudem nicht wissenschaftlich, denn es postuliert die Antwort bereits in der Frage. Wenn man fragt: „Woher kommt eigentlich unser Wunsch nach Transzendenz“, dann hat man bereits in der Frage festgelegt, dass es Transzendenz gibt und außerdem den Wunsch danach. Aber beides könnte eine Täuschung sein, denn vielleicht verbergen sich dahinter simple Mechanismen der Evolution, die mit „Transzendenz“ überhaupt nichts zu tun haben.
Mir kommt dieses Geraune über die „Transzendenz“ verdächtig religiös vor. Wenn Transzendenz so grundlegend und allgegenwärtig ist, warum gibt es dann RTL2? Wenn ich nämlich das Nachmittagsprogramm von RTL2 einschalte, sehe ich keine Transzendenz, sondern nur Dummköpfe. Die Behauptung, der Mensch sei grundlegend erfüllt mit dem Wunsch nach Transzendenz, ist einfach nicht wahr. Wer das nicht glaubt, kann aufs Münchner Oktoberfest gehen und nachsehen, ob er dort „Transzendenz“ findet.
Arnes Ansatz löst diese Widersprüche. Erstens erklärt es das Vorhandensein von Vorstellungen, nämlich damit, dass die Vorstellungen über einen Mechanismus zum eigenen Erhalt verfügen, und dass wir ergo jene Vorstellungen haben, die sich dabei perfektionierten. Es kommt also nicht auf den Inhalt der Vorstellung an (etwa die „Transzendenz“), sondern auf den Mechanismus zum eigenen Erhalt. Zweitens erklärt es, was dem „Wunsch nach Transzendenz“ selbst zugrunde liegt, nämlich eine Ich-Bezogenheit, die Bestandteil eines notwendigen Überlebensinstinkts ist.
LidlRacer
16.10.2017, 21:32
-zendenz
Ansonsten gutes Posting, Jörn!
Ich brauch auch keine Transdingens. Ich kann mir nicht mal was darunter vorstellen.
Trotzdem unterstützt du zumindest indirekt mit deiner Kirchensteuer, bzw. findest es gut dass es eiine Kirche gibt aber die Kirche die behauptet: Gott gibt es.
Man kann das durchaus kritisch sehen mit der Kirchensteuer. Ich für mich habe beschlossen, dass es ok ist und zahle sie gern. Du musst das nicht. Ebenso kannst du deine Kinder religionsfrei erziehen, aus dem Reli-Unterricht nehmen usw. Du musst auch keinen Weihnachtsbaum aufstellen und kannst die christlichen Feiertage rein als zusätzliche Trainingstage mitnehmen. Absolut ok!
Ich reagiere lediglich empfindlich, wenn der Atheist A. mir mit erhobenem Zeigefinger erklärt, welche negativen Folgen meine Krichensteuer hat. Gleichzeitig arbeitet A. als Ingenieur in einem Rüstungszulieferer und verdient dort gutes Geld. Abends zockt A. an der Börse mit Nahrungsmittelaktien. Fährt mit seinem 2t SUV ins Büro und danach ins beheizte Hallenbad. Im April fliegt er ins Trainingslager und im Juli zu 2 Wettkämpfen.
captainbeefheart
16.10.2017, 21:40
Wenn Religion begründet wird mit dem „Bedürfnis nach Transparenz“: Was ist dann die Begründung für das „Bedürfnis nach Transparenz“?
...
Es geht um Transzendenz, nicht Transparenz.
Warum gibt es ein Hungerbedürfnis? Warum gibt es soziale Bedürfnisse? Warum gibt es individuelle Wachstumsbedürfnisse? Und warum gibt es Transzendenzbedürfnisse? Sie machen das Menschsein aus.
Ob sie angeboren sind, also rein genetisch bedingt, oder in einer nächsten Stufe "Traits" darstellen, also maßgeblich genetisch prädisponiert sind und ein Stückweit sozialisiert, ist eine bis heute nicht entschiedene Diskussion.
Ansonsten bin ich müde mich zu wiederholen, zu dem Transzendenzbedürfnis habe ich schon ausführlich geschrieben, Du kannst es gerne nachlesen. Kannst es Dir aber auch sparen, weil offensichtlich nicht allzu viel vom Geschriebenen bei Dir anzukommen scheint.
captainbeefheart
16.10.2017, 21:46
Arnes Ansatz löst diese Widersprüche. ...
Es ist nicht "Arnes Ansatz", sondern der x-te Aufguss von Dawkins. Und dieser Ansatz ist selbst widersprüchlich. Das beginnt schon ganz zu Beginn mit der Gleichsetzung von eindeutig unterscheidbaren Genen mit Inhalten sozialer Systeme, die nicht ansatzweise eindeutig unterscheidbar sind - und dem darauf folgenden Postulat, beides unterläge demselben Evolutionsprozess.
LidlRacer
16.10.2017, 21:47
Warum gibt es ein Hungerbedürfnis? Warum gibt es soziale Bedürfnisse? Warum gibt es individuelle Wachstumsbedürfnisse? Und warum gibt es Transzendenzbedürfnisse? Sie machen das Menschsein aus.
Ich bin kein Mensch ohne Transzendenzbedürfnis?
Das möchte ich doch energisch bestreiten.
Ich möchte ebenso bestreiten, dass es Transzendenz (https://de.wikipedia.org/wiki/Transzendenz) überhaupt gibt.
Warum sollte ich dann ein Bedürfnis danach haben?
beef, Du schreibst, wir wüssten nicht, woher das Hungerbedürfnis (und andere Bedürfnisse kommen). Egal, ob das stimmt oder nicht: Unstrittig ist, dass überhaupt Bedürfnisse vorhanden sind. Es ist also unstrittig, dass wir es hier mit einem erfolgreichen Mechanismus zur Weitergabe zu tun haben. Das ist die wahre Grundlage.
Die Frage nach dem „Warum?“ ist nicht wissenschaftlich, denn es setzt einen Zweck für die Zukunft voraus, einen Plan. Stattdessen muss man fragen nach dem „Wie?“. Wie gelang es dem Bedürfnis X, überhaupt erstmal vorhanden zu sein, also eine erfolgreiche Weitergabe zu organisieren? Es geht nicht um den Passagier, sondern um den Transportmechanismus. Weder der Mensch noch sein Wohlbefinden stehen zur Debatte, sondern allein der Mechanismus.
Eine pseudo-wissenschaftliche Studie zum Thema „Warum strebt der Mensch nach Transparenz“ unterstellt bereits, dass der Mensch am Steuer sitzt und irgendwohin strebt. Genau das ist das Missverständnis. Wir denken, wir seien der Passagier am Steuer. Stattdessen sind wir das Transport-Vehikel.
Das „Bedürfnis nach Transzendenz“ unterschiedet sich dabei nicht vom Bedürfnis, unsere Kinder vor Gefahren zu schützen oder eigene Schmerzen zu vermeiden oder unseren Hunger zu stillen. Jene Spezies, denen das egal war, sind ausgestorben — es sei denn, das Leben fand einen anderen Weg (etwa, tausende Nachkommen zu zeugen, bei denen nur einer überleben musste).
Wer also nach dem „Ur-Grund“ für die „Transzendenz“ sucht, findet daher nicht einen Haufen Engel auf einer Wolke, sondern einen robusten Transport-Mechanismus, der nicht auf einen wackligen Sinn angewiesen ist. Er kopiert sich erfolgreich. Deswegen ist er da.
Nun könnte man sich fragen: Ist das bereits ausreichend, oder sind noch weitere Gründe notwendig? Und die Antwort ist: Es ist ausreichend. Wenn es sich erfolgreich kopiert, sind keine weiteren Gründe notwendig. Deswegen finden wir auch keine.
Klugschnacker
16.10.2017, 23:05
Vielleicht kann ich zu dem Aspekt etwas beitragen, in welchem Sinne Menschen zur "Transzendenz" neigen. Speziell zu dem Aspekt, dass wir davon überzeugt zu sein scheinen, dass unsere eigene Existenz etwas mit dem Sinn oder Seinsgrund der Welt zu tun hat.
Ein Schlüssel liegt in der Evolution des Gehirns. Das Gehirn war in den vielen hundert Millionen Jahren seiner Entwicklung nie ein Organ zur Erfassung der objektiven Wirklichkeit. Stattdessen war es stets nur ein Organ für die sinnvolle Erfassung von Sinneseindrücken. Das prägt uns bis heute.
Deutlich wird das, wenn man einfachere Tiere betrachtet. Sie verfügen nur über solche Sinneswahrnehmungen, die direkt mit dem eigenen Überleben zusammenhängen. Eine Zecke etwa kann nur einen einzigen Geruch wahrnehmen, nämlich den von Buttersäure im Schweiß von Säugetieren. Dieser Reiz wird beantwortet mit einer Reaktion: Die Zecke lässt sich bei der Wahrnehmung dieses Geruchs von ihrem Ast fallen und krabbelt los in Richtung zunehmender Wärme, ins Fell des Säugetiers.
Damit möchte ich ausdrücken: Die Wahrnehmung ist auf solche Umweltaspekte begrenzt, die das Tier direkt etwas angehen, im Hinblick auf das eigene Überleben. Alle Wahrnehmungen haben für das Tier eine unmittelbare Bedeutung. Es gibt keine unnützen Wahrnehmungen. Einfache Tiere sehen sich stets im Zentrum der sie umgebenden Welt, denn sie nehmen nur Dinge wahr, die eine Bedeutung für sie haben.
Ein Frosch verhungert in einem Haufen toter Fliegen, denn seine Wahrnehmung ist auf lebende, sich charakteristisch bewegende Fliegen programmiert. Allein sie lösen im Gehirn das richtige Reaktionsmuster aus.
Wir Menschen verfügen dank des Großhirns, das sich in der Evolution erst als letzte Schicht auf älteren Hirnteilen bildete, über größere Gaben. Darunter liegt aber das Zwischenhirn, das wir nach wie vor in vielerlei Hinsicht mit den Tieren gemeinsam haben. Es steuert unsere Instinkte.
Auf der Ebene des Zwischenhirns funktionieren wir entsprechend ähnlich wie die Tiere. Das merken wir, wenn wir nachts auf einem dunklen Waldweg plötzlich ein Knacken neben uns hören. Wir sind sofort überzeugt davon, dieses Geräusch auf uns zu beziehen, und uns in unmittelbarer Gefahr zu wähnen: Da ist jemand, und das ist gefährlich! Es kostet größere Anstrengungen durch das Großhirn, uns diesen Instinkt wieder auszureden und uns zu beruhigen.
Kurz: Auf der Ebene unserer Instinkte denken wir aus evolutionären Gründen, die Welt um uns herum hätte etwas mit uns selbst zu tun. Aus Sicht eines Froschs und seiner Version "der Welt" ist das auch korrekt, denn er nimmt nichts wahr, was ihn nichts angeht. Bei uns Menschen stimmt das aber nicht mehr. Das lehrt uns die Verstandesebene des Großhirns.
Es gibt Erkrankungen des Gehirns, bei denen diese Erkenntnisfähigkeit des Großhirns Schaden nimmt. Dann geht die Abstraktionsfähigkeit verloren, die uns die Einsicht ermöglicht, dass nicht alles in der Umwelt mit uns selbst zu tun hat. Die betroffenen Patienten berichten dann beispielsweise auf erschütternde Weise, wie im Haus gegenüber jemand die Fensterläden geöffnet hat. Dass das mit ihnen selbst gar nichts zu tun hat, können sie nicht begreifen.
Kurz: Auf einer tief und seit hunderten Millionen Jahren in uns sitzenden Ebene sind wir davon überzeugt, wir seien der Mittelpunkt der Welt, und alles habe eine Bedeutung, die auf uns Menschen zielt.
So sahen in der vorwissenschaftlichen Zeit auch unsere Weltbilder aus. Der Mensch, als Krone der Schöpfung, Rechtfertigung des gesamten Universums, in der Mitte der Welt. Kreisförmig um uns herum alles andere, also Himmel und Hölle, die Götter und die Sterne.
Es bedurfte mehrerer geistiger Revolutionen in mehreren Jahrhunderten, um uns aus diesem gefühlten Zentrum zu vertreiben. Kopernikus, Bruno, Darwin, Newton, Einstein und so weiter.
Es ist schwer und geistig anstrengend, den innersten Seinsgrund der Welt unabhängig von der Existenz der Menschen zu denken. Irgendwo im Hinterstübchen denken wir, der ganze Laden müsse etwas mit uns selbst zu tun haben. Hunderte Millionen Jahre Evolution des Gehirns lassen sich nicht einfach wegwischen. Zur Not verlagern wir diese Gewissheit in eine transzendente Welt: Dort hinter den Wolken und Sternen wird sich zeigen, dass am Ende doch alles mit uns selbst zu tun hat.
Menschen haben daher kein Bedürfnis nach Transzendenz, sondern ein Bedürfnis danach, der Mittelpunkt der Welt zu sein. Notfalls in einer jenseitigen, transzendenten Version der tatsächlichen Welt. Die Transzendenz ist dabei nebensächlich; sie wird für die nötige Idealisierung lediglich in Kauf genommen. Das zentrale Element ist die Mittelpunktsposition des Einzelnen und der Menschheit.
Disclaimer: Das sind meine eigenen Gedanken dazu, und die können, wie immer, auch falsch sein. Also entspannt Euch.
:Blumen:
Super interessant!
:liebe053:
Mir kommt dieses Geraune über die „Transzendenz“ verdächtig religiös vor. Wenn Transzendenz so grundlegend und allgegenwärtig ist, warum gibt es dann RTL2? Wenn ich nämlich das Nachmittagsprogramm von RTL2 einschalte, sehe ich keine Transzendenz, sondern nur Dummköpfe. Die Behauptung, der Mensch sei grundlegend erfüllt mit dem Wunsch nach Transzendenz, ist einfach nicht wahr. Wer das nicht glaubt, kann aufs Münchner Oktoberfest gehen und nachsehen, ob er dort „Transzendenz“ findet.
Mir kommt dieses Geraune über die „Evolution“ verdächtig ... vor. Wenn Evolution so grundlegend und allgegenwärtig ist, warum gibt es dann RTL2? Wenn ich nämlich das Nachmittagsprogramm von RTL2 einschalte, sehe ich keine Intelligenz, sondern nur Dummköpfe. Die Behauptung, der Mensch sei grundlegend erfüllt mit dem Wunsch nach Evolution und Fortschritt, ist einfach nicht wahr. Wer das nicht glaubt, kann aufs Münchner Oktoberfest gehen und nachsehen, ob er dort „Evolution“ findet.
SCNR :)
Mir kommt dieses Geraune über die „Evolution“ verdächtig ... vor. Wenn Evolution so grundlegend und allgegenwärtig ist, warum gibt es dann RTL2? Wenn ich nämlich das Nachmittagsprogramm von RTL2 einschalte, sehe ich keine Intelligenz, sondern nur Dummköpfe. Die Behauptung, der Mensch sei grundlegend erfüllt mit dem Wunsch nach Evolution und Fortschritt, ist einfach nicht wahr. Wer das nicht glaubt, kann aufs Münchner Oktoberfest gehen und nachsehen, ob er dort „Evolution“ findet.
SCNR :)
Das kann ich leicht erklären. Du fragst, warum wir trotz Evolution nur Dummköpfe bei RTL2 sehen. Müssten wir nicht Intelligenz sehen, wenn durch die Evolution alles immer fortschreitet? Warum ist es nicht fortgeschritten?
Evolution braucht Evolutionsdruck, also etwas, was nicht gut funktioniert, weil es nicht optimal angepasst ist. Durch Variation (kleine Kopierfehler) entstehen dann laufend neue Entwürfe. Was schlechter ist als zuvor, stirbt aus. Was besser ist als zuvor, erzielt mehr Nachkommen; und das Spiel beginnt von vorne. Es wird so lange variiert und ausgelesen, bis Schritt für Schritt das Optimum erreicht wurde.
Das Optimum wovon? Von Intelligenz? Keineswegs. Gesucht wird das Optimum an Anpassung an den jeweiligen Lebensraum. (Siehe Arnes großartiges Posting zuvor.) Ein Bakterium braucht keine Intelligenz. Ein Raubtier durchaus. Deswegen wird das Bakterium niemals intelligent werden, solange sein Lebensraum es nicht erfordert. Raubtiere und ihre Beute werden sich gegenseitig hochschaukeln. Wenn die Antilope klüger wird, wird auch der Löwe klüger, und umgekehrt. Wenn der Löwe so klug und schnell geworden ist, dass er alle Antilopen erlegt, sterben beide aus. Das Optimum ist etwas anderes als das Maximum.
Solange sich die Zuschauer von RTL2 fortpflanzen, gibt es keinen Druck für Veränderungen. Man könnte sogar die These aufstellen, dass eine gewisse Doofheit förderlich ist für die Zahl der Nachkommen. Wenn diese Nachkommen ebenfalls doof sind, wächst das Publikum von RTL2. Es handelt sich also um die Anpassung zweier Systeme aneinander.
Jedoch ist unsere Spezies so jung, dass die Evolution noch keine Gelegenheit hatte, weitere Verfeinerungen vorzunehmen. Dazu bräuchte man viel längere Zeiträume.
Trimichi
17.10.2017, 08:13
Es ist nicht "Arnes Ansatz", sondern der x-te Aufguss von Dawkins. Und dieser Ansatz ist selbst widersprüchlich. Das beginnt schon ganz zu Beginn mit der Gleichsetzung von eindeutig unterscheidbaren Genen mit Inhalten sozialer Systeme, die nicht ansatzweise eindeutig unterscheidbar sind - und dem darauf folgenden Postulat, beides unterläge demselben Evolutionsprozess.
Für mich läuft das hier inzwischen zun zu meinem Bedauern unter der Rubrik Sekte. Ist ziemlich schade, da die Diskussion eigentlich interessant ist.
Man kann sich das diskutieren sparen. Die, die der Irrlehre (Dawkin) anhängen haben Recht. Und gut ist es. Fertig.
Bereits hier im Thread wurde auf die Antony-Typology verwiesen. Damit werden Sekten hinsichtlich ihrer Gefährlichkeit skaliert. Dawkin würde wohl als prophetenhafter Sonderling verortet werden. Naja, seis drum.
Es macht einfach keinen Sinn hier zu diskutieren, weil die Gegenseite keine Argumente zulässt, die dem sektiererischen Gedankengut nicht zuspricht wie es typisch ist für Sekten.
In diesem Sinn Hare Krsna und Hare die Ähre.
Trimichi
Ich reagiere lediglich empfindlich, wenn der Atheist A. mir mit erhobenem Zeigefinger erklärt, welche negativen Folgen meine Krichensteuer hat. Gleichzeitig arbeitet A. als Ingenieur in einem Rüstungszulieferer und verdient dort gutes Geld. Abends zockt A. an der Börse mit Nahrungsmittelaktien. Fährt mit seinem 2t SUV ins Büro und danach ins beheizte Hallenbad. Im April fliegt er ins Trainingslager und im Juli zu 2 Wettkämpfen.
Arbeiten Jörn, Arne oder ich oder sonstwer in einem Rüstungsbetrieb oder fährt SUV?
Ich denke nein.
Also misst du nicht empfindlich reagieren.
Oder meinst du Atheisten können keine Verantwortung für unsere Welt übernehmen?
Du verwechselst Atheist und Matrialist.
MfG
Matthias
Arbeiten Jörn, Arne oder ich oder sonstwer in einem Rüstungsbetrieb oder fährt SUV?
Ich denke nein.
Also misst du nicht empfindlich reagieren.
Oder meinst du Atheisten können keine Verantwortung für unsere Welt übernehmen?
Du verwechselst Atheist und Matrialist.
MfG
Matthias
Das war nicht speziell für die Beiden gedacht. Ich weiß nicht, wo sie arbeiten und was sie fahren. Es war frei nach
"Ich weiß, sie tranken heimlich Wein
Und predigten öffentlich Wasser."
Ich kann mir leicht vorstellen, dass man größeres Unheil anrichtet, als man das mit der Kirchensteuer tut.
Har Verantwortung für diese Welt übernehmen überhaupt etwas damit zu tun ob man Gläubig ist oder Atheist?
Har Verantwortung für diese Welt übernehmen überhaupt etwas damit zu tun ob man Gläubig ist oder Atheist?
Nicht zwangsläufig.
Hier wird kein gutes Haar an der Kirche gelassen. Und zwar kein einziges.
Mittlweile richtet man vielleicht gößeren Schaden an, wenn man Billigklamotten bestellt, in einem Rüstungsunternehmen arbeitet oder in Katar Urlaub macht.
Ich hatte eigentlich gehofft, heute morgen ein paar Stellungnahmen zu Arnes letztem Posting zu finden. Ich fand das Thema sehr interessant.
Klugschnacker
17.10.2017, 08:55
Hier wird kein gutes Haar an der Kirche gelassen. Und zwar kein einziges. Mittlweile richtet man vielleicht gößeren Schaden an, wenn man Billigklamotten bestellt, in einem Rüstungsunternehmen arbeitet oder in Katar Urlaub macht.
Wo siehst Du denn Schäden, welche die Kirche anrichtet? Wäre es möglich, dazu ein paar Stichworte von Dir zu bekommen? Mir ist nicht klar, welche Schäden Du hier miteinander vergleichst.
Was ich dabei nicht verstehe: Wenn Kirchen so wirkungslos sind, dass selbst der Kauf einer Billig-Hose eine höhere Wirkung entfaltet: Woher kommt dann die positive Wirkung der Kirchen?
Wenn die Kirchen wirkungslos sind, dann sind sie es auch bei den positiven Dingen.
:Gruebeln:
Das kann ich leicht erklären. Du fragst, warum wir trotz Evolution nur Dummköpfe bei RTL2 sehen. Müssten wir nicht Intelligenz sehen, wenn durch die Evolution alles immer fortschreitet? Warum ist es nicht fortgeschritten?
Evolution braucht Evolutionsdruck, also etwas, was nicht gut funktioniert, weil es nicht optimal angepasst ist. Durch Variation (kleine Kopierfehler) entstehen dann laufend neue Entwürfe. Was schlechter ist als zuvor, stirbt aus. Was besser ist als zuvor, erzielt mehr Nachkommen; und das Spiel beginnt von vorne. Es wird so lange variiert und ausgelesen, bis Schritt für Schritt das Optimum erreicht wurde.
..........
Der Homo Sapiens selbst veränderte sich nicht mehr mittels der Evolutions-Gesetze Darwin's. Die Entwicklung des Homo Sapiens geschieht stattdessen mittels spezifisch sozialer, gesellschaftlicher Gesetzmässigkeiten, die auf dem Gebrauch von Werkzeugen, der Arbeitsteilung und der wachsenden Kontrolle und Herrschaft über die Natur (incl. der menschlichen Natur!) basieren. Das führt zu einem immensen Anwachsen der produktiven Kräfte. Darwinistische Gesetze tragen IMHO nicht zur Erklärung spezieller gesellschaftlicher und historischer Veränderungsprozesse der Menschen bei.
Klugschnacker
17.10.2017, 09:16
Darwinistische Gesetze tragen IMHO nicht zur Erklärung spezieller gesellschaftlicher und historischer Veränderungsprozesse bei.
Jedenfalls nicht in dem Sinn, dass das menschliche Genom sich dabei verändert. Das ist aber auch nicht gemeint.
Mit der kulturellen Evolution ist gemeint, dass auch diese Entwicklung ähnlichen Regeln folgt, wie die physikalische, die chemische oder die biologische Evolution.
:Blumen:
wie funktioniert und was ist physikalische Evolution?
m.
Wo siehst Du denn Schäden, welche die Kirche anrichtet? Wäre es möglich, dazu ein paar Stichworte von Dir zu bekommen? Mir ist nicht klar, welche Schäden Du hier miteinander vergleichst.
Kirchensteuer --> Kirche ist gegen Schwule --> Ich verfestige Hetze gegen Schwule
Billigklamotten --> Werden in Schwellenländern produziert ---> Ich verfestige Kinderarbeit und Umweltverschmutzung dort
Urlaub in Katar ---> Lasse Geld dort ---> Ich verfestige orthodoxen Islam
So kann man verschieden Ketten aufbauen und entscheiden, was wohl relevanter ist.
Ach was, so‘n bisschen Hetze hat noch keinem geschadet, wenn er nicht betroffen ist.
Klugschnacker
17.10.2017, 09:33
wie funktioniert und was ist physikalische Evolution?
m.
Das ist der physikalische Prozess, wie aus einfacher Materie komplexe Materie wird.
In den ersten Minuten nach dem Urknall sind Wasserstoff- und Heliumkerne entstanden. 300.000 Jahre später wurde daraus Wasserstoffgas und Helium. Aus diesem Gas bildeten sich die ersten Sterne. In ihnen entstanden dann komplexere Elemente wie Kohlenstoff oder Eisen. Es bildeten sich Planeten und Galaxien. Und so weiter.
:Blumen:
ein bisschen kleiner bitte, damit ich das verstehe:
Das ein Titan-Atom so aussieht wie es jetzt aussieht, ist das Ergebnis eines Prozesses einer Kette von zufälliger Varianz ("Mutation"), Selektion (für kontextuellen "fit"/fitness) und "Weitergabe" in der Zeit (auf die nächste Generation)?
m.
Jedenfalls nicht in dem Sinn, dass das menschliche Genom sich dabei verändert. Das ist aber auch nicht gemeint.
Mit der kulturellen Evolution ist gemeint, dass auch diese Entwicklung ähnlichen Regeln folgt, wie die physikalische, die chemische oder die biologische Evolution.
:Blumen:
dann kann Jörn mit diesen Regeln den heutigen Einflusss der Kirchen und den Verlauf der Kirchengeschichte erklären so (leicht) wie er den Zusammehang der RTL-II-Quote und der Intelligenz der Zuschauer regelhaft mit Darwinś Gesetzen begründete? Mich würde eine solche Erklärung des heutigen Einflusses der Kirche und der Kirchengeschichte interessieren, obwohl ich selbst andere soziologisch-historische Konzepte vorziehe.
Ach was, so‘n bisschen Hetze hat noch keinem geschadet, wenn er nicht betroffen ist.
Es ist immer schlimm, wenn man der Betroffene ist, man sollte aber nicht den Blick auf das Wesentliche verlieren.
Im Norden von Stuttgart wird seit Jahren gegen eine Umgehung protestiert. Tausende stehen täglich im Stau. Die Betroffenen (Anlieger) der Nordumfahrung sehen das natürlich anders.
Das kann ich leicht erklären. Du fragst, warum wir trotz Evolution nur Dummköpfe bei RTL2 sehen. Müssten wir nicht Intelligenz sehen, wenn durch die Evolution alles immer fortschreitet? Warum ist es nicht fortgeschritten?
Evolution braucht Evolutionsdruck, also etwas, was nicht gut funktioniert, weil es nicht optimal angepasst ist. Durch Variation (kleine Kopierfehler) entstehen dann laufend neue Entwürfe. Was schlechter ist als zuvor, stirbt aus. Was besser ist als zuvor, erzielt mehr Nachkommen; und das Spiel beginnt von vorne. Es wird so lange variiert und ausgelesen, bis Schritt für Schritt das Optimum erreicht wurde.
Das Optimum wovon? Von Intelligenz? Keineswegs. Gesucht wird das Optimum an Anpassung an den jeweiligen Lebensraum. (Siehe Arnes großartiges Posting zuvor.) Ein Bakterium braucht keine Intelligenz. Ein Raubtier durchaus. Deswegen wird das Bakterium niemals intelligent werden, solange sein Lebensraum es nicht erfordert. Raubtiere und ihre Beute werden sich gegenseitig hochschaukeln. Wenn die Antilope klüger wird, wird auch der Löwe klüger, und umgekehrt. Wenn der Löwe so klug und schnell geworden ist, dass er alle Antilopen erlegt, sterben beide aus. Das Optimum ist etwas anderes als das Maximum.
Solange sich die Zuschauer von RTL2 fortpflanzen, gibt es keinen Druck für Veränderungen. Man könnte sogar die These aufstellen, dass eine gewisse Doofheit förderlich ist für die Zahl der Nachkommen. Wenn diese Nachkommen ebenfalls doof sind, wächst das Publikum von RTL2. Es handelt sich also um die Anpassung zweier Systeme aneinander.
Jedoch ist unsere Spezies so jung, dass die Evolution noch keine Gelegenheit hatte, weitere Verfeinerungen vorzunehmen. Dazu bräuchte man viel längere Zeiträume.
Ich kann diese Argumentation nachvollziehen, wonach es sich hier um die Anpassung zweier Systeme handelt und daher Evolution nicht unbedingt bedeutet, dass in einem der beiden Subsysteme die Intelligenz immer größer wird.
Ich sehe allerdings in dieser Argumentation auch einen Schwachpunkt. Die zentrale Frage bei dieser Argumentation ist meiner Meinung nach, wie abgeschlossen Systeme sind und wirken. Wenn ich mehr oder weniger willkürlich zwei Teilsysteme heranziehe und die Wechselwirkungen als Evolutionsprozess verstehe, dann ist das in sich logisch und nachvollziehbar.
Dummerweise ist der RTL2-Zuschauer aber nicht nur RTL2-Zuschauer. Er hat Familie, Freunde und hoffentlich einen Arbeitsplatz. Er spielt Fußball und verirrt sich vor der Bundestagswahl vielleicht auch mal in eine Diskussionssendung. Usw ...
Auch RTL2 kann nicht mit allen Mitteln Zuschauermaximierung betreiben. Zumindest gibt es gesetzliche Einschränkungen, vielleicht gibt es auch den ein- oder anderen Mitarbeiter, dem bestimmte Sendungsformate dann doch zu tief sind, obwohl sie hohe Zuschauerzahlen versprechen.
Was ich damit sagen will: das Modell der Evolution zwischen RTL2 und seinen Zuschauern veranschaulicht zwar das Prinzip, ist aber viel zu einfach um es ins Allgemeine zu übertragen. Oder anders formuliert: Ein Modell, das tatsächlich umfassende Erklärungen für diese gesellschaftliche Evolution liefert, müsste viel zu viele Subsysteme und Variablen berücksichtigen.
Und damit bin ich schon bei einem zweiten Punkt: ich kann wenig damit anfangen, wenn hier (zumindest nach meinem Eindruck) mittlerweile praktisch alles mit Evolution erklärt wird. Natürlich gibt es eine lange Liste mit Bedeutungen des Begriffs Evolution in verschiedenen Sachgebieten (Chemie, Systemtheorie ...). In dieser Diskussion hier kann aber nach meinem Verständnis doch nur die biologische Evolution gemeint sein. Die ist doch der Ausgangspunkt der Religionsdiskussion. Ich kann mich nicht erinnern, dass irgendein verbohrter Bibelfreund sich jemals gegen die Evolution im mathematischen Fach-Sinn gewandt hätte.
Klugschnacker
17.10.2017, 10:10
ein bisschen kleiner bitte, damit ich das verstehe:
Das ein Titan-Atom so aussieht wie es jetzt aussieht, ist das Ergebnis eines Prozesses einer Kette von zufälliger Varianz ("Mutation"), Selektion (für kontextuellen "fit"/fitness) und "Weitergabe" in der Zeit (auf die nächste Generation)?
m.
Ja. Allerdings ist das Titan-Atom ein fieses Beispiel, da dessen Entstehung noch nicht ganz geklärt ist. Nehmen wie mal ein Kohlenstoff-Atom.
Das Kohlenstoff-Atom besteht, vereinfacht gesagt, aus den Einzelteilen:
- Protonen
- Neutronen
- Elektronen
Diese Bausteine finden sich mehr oder weniger chaotisch zu allen möglichen Kombinationen zusammen. Die meisten dieser Kombinationen (Varianten) zerfallen jedoch sofort wieder, da sie in der vorliegenden Umwelt nicht stabil sind (Druck, Temperatur). Oder sie können sich gar nicht erst in nennenswerter Zahl bilden. Druck und Temperatur sind Umweltbedingungen.
Erst bei ganz bestimmten Umweltbedingungen können Kohlenstoff-Atome entstehen. Sie reichern sich dann innerhalb dieser Umwelt an, werden also häufiger.
Der Entstehung des Kohlenstoffs gingen zahlreiche Vorstufen voraus. Zunächst musste Wasserstoff entstehen. Aus dem Wasserstoff bildeten sich Sterne. Im Inneren dieser Sterne entstand Helium. Aus dem Helium entstand Kohlenstoff.
Weitergabe an die nächste Generation: Das gibt es hier nicht, da es keine Generationen gibt. Stattdessen hat man den Fortbestand des Stabilen.
:Blumen:
Mein flapsiges Beispiel mit RTL2 hatte mit Humor zu tun, deswegen lohnt es nicht, sich in weiteren Details zu verlieren. Was ich sagen wollte war, dass es keineswegs bewiesen ist, dass alle Menschen eine tiefe Senhsucht nach Transzendenz haben, denn sehr viele Menschen sind völlig zufrieden damit, RTL2 zu sehen und sich auf dem Oktoberfest zu betrinken. Wenn das zutrifft, dann kann man nicht mehr behaupten, die Sehnsucht danach wäre universell in jedem Menschen zu finden.
Ich kann von mir persönlich sagen, dass ich kein Bedürfnis nach Transzendenz habe, und dass ich mir angesichts des riesigen Kosmos und der enormen Zeitdimensionen auch etwas albern vorkäme, über mein läppisches Verhältnis zur Transzendenz nachzugrübeln. Ich bin völlig unbedeutend, und dann ist es meine Transzendenz vermutlich ebenso.
Jene Dinge, die tatsächlich universell in jedem Menschen zu finden sind, sind einfacher und haben auch einfachere Gründe. Arne hat versucht, es auf unsere evolutionsbiologische Geschichte zurückzuführen, was ich sehr überzeugend finde.
captainbeefheart
17.10.2017, 10:31
... Was ich sagen wollte war, dass es keineswegs bewiesen ist, dass alle Menschen eine tiefe Senhsucht nach Transzendenz haben, denn sehr viele Menschen sind völlig zufrieden damit, RTL2 zu sehen und sich auf dem Oktoberfest zu betrinken. ...
Ich kann von mir persönlich sagen, dass ich kein Bedürfnis nach Transzendenz habe, ...
Nicht jedes tatsächlich vorhandene Bedürfnis wird zum einen bewusst erlebt und schon gar nicht von jedem auch tatsächlich ausgelebt. Diese Beobachtung lässt aber nicht den Schluss zu, dass es ein entsprechendes Bedürfnis überhaupt nicht gibt.
Klugschnacker
17.10.2017, 10:32
dann kann Jörn mit diesen Regeln den heutigen Einflusss der Kirchen und den Verlauf der Kirchengeschichte erklären so (leicht) wie er den Zusammehang der RTL-II-Quote und der Intelligenz der Zuschauer regelhaft mit Darwinś Gesetzen begründete? Mich würde eine solche Erklärung des heutigen Einflusses der Kirche und der Kirchengeschichte interessieren.
Nein, denn wir sprechen hier ja von Modellen. Man muss diese konkreten Fragen (RTL II) auf eine abstraktere Ebene hieven. Das weißt Du ja auch.
;) :Blumen:
Die Frage ist, auf welche Weise sich bestimmte kulturelle Dinge gegen konkurrierende kulturelle Dinge durchsetzen. Das geschieht ja aufgrund von Ursachen.
Ein mögliches Modell der Beschreibung besteht darin, hier ähnliche Mechanismen zu sehen, wie bei jeder anderen Evolution auch: Es existieren zahlreiche Varianten, von denen sich ganz bestimmte Varianten durchsetzen, und sich in ihrer jeweiligen kulturellen Umgebung behaupten.
Du sagst, das Patriarchat und dessen Aufweichung durch die Gleichberechtigung sei aufgrund von Besitzverhältnissen, Produktionsmitteln etc. entstanden. Dasselbe kann man mit dem Modell der Evolution ausdrücken: Das Patriarchat setzte sich gegen konkurrierende soziale Formen durch, weil die Umweltbedingungen dies begünstigten. Mit Umwelt ist die kulturelle Umwelt gemeint, etwa die Besitzverhältnisse.
Diese Umweltbedingungen unterliegen einem Wandel. Der Feminismus konnte sich entwickeln, als die Umweltbedingungen dafür gegeben waren. Erst dann setze er sich gegen einen Pool konkurrierender Ideen durch.
Ich sehe da zwischen diesen unterschiedlichen Modellen zur Beschreibung keinen grundsätzlichen Widerspruch.
Mein flapsiges Beispiel mit RTL2 hatte mit Humor zu tun, deswegen lohnt es nicht, sich in weiteren Details zu verlieren. Was ich sagen wollte war, dass es keineswegs bewiesen ist, dass alle Menschen eine tiefe Senhsucht nach Transzendenz haben, denn sehr viele Menschen sind völlig zufrieden damit, RTL2 zu sehen und sich auf dem Oktoberfest zu betrinken. Wenn das zutrifft, dann kann man nicht mehr behaupten, die Sehnsucht danach wäre universell in jedem Menschen zu finden.
Ich kann von mir persönlich sagen, dass ich kein Bedürfnis nach Transzendenz habe, und dass ich mir angesichts des riesigen Kosmos und der enormen Zeitdimensionen auch etwas albern vorkäme, über mein läppisches Verhältnis zur Transzendenz nachzugrübeln. Ich bin völlig unbedeutend, und dann ist es meine Transzendenz vermutlich ebenso.
Jene Dinge, die tatsächlich universell in jedem Menschen zu finden sind, sind einfacher und haben auch einfachere Gründe. Arne hat versucht, es auf unsere evolutionsbiologische Geschichte zurückzuführen, was ich sehr überzeugend finde.
Das RTL2-Beispiel hab ich schon so verstanden ... es hat mir gut gefallen - daher auch meine sprachverspielte erste Antwort darauf :Huhu:
Und das mit dem Bedürfnis nach Transzendenz ist auch so eine Sache: du hast kein Bedürfnis danach - okay. Du argumentierst ganz rational, warum Du eigentlich ganz unbedeutend bist. Das ist aus der Perspektive des Universums ganz sicher richtig. Glaube ich zumindest. Ich halte mich übrigens auch nicht für den Mittelpunkt des Universums.
Allerdings lebe ich mein Leben nicht nur aus der Perspektive des Universums, sondern auch aus der Perspektive eines unbedeutenden Menschleins, das nichts anderes hat, als eben dieses eine völlig unbedeutende Leben. Es mag unbedeutend sein und es mag aus Sicht des Universums sinnlos sein. Aber es ist meines!
Ich lebe mein Leben auch nicht nur als Minimal-Beitrag zur Evolution. Aus der Perspektive der Evolution brauche ich gar nicht mehr zu leben. Ich habe zwei Kinder gezeugt und (fast) großgezogen - Aufgabe erfüllt.
Trotzdem lebe ich gerne - wie kann das sein? Wo ich doch weiß, dass mein Leben unbedeutend und sinnlos ist? Wie kann das sein? Ich weiß es nicht! Wie kann das sein?
Und während ich mir diese Frage stelle und keine Chance sehe eine Antwort zu finden, habe ich das Gefühl ich beginne zu transpirieren ... OMG hätte ich jetzt fast geschrieben ... ich beginne zu transpirieren ... wie lange noch ... wird es dauern ... bis ich beginne ... zu transzendentieren ...
Ich lebe mein Leben auch nicht nur als Minimal-Beitrag zur Evolution. Aus der Perspektive der Evolution brauche ich gar nicht mehr zu leben. Ich habe zwei Kinder gezeugt und (fast) großgezogen - Aufgabe erfüllt.
Du könntest noch mehr Kinder zeugen. Das ist auch dem älteren Mann ja gegönnt. :Cheese:
Nein, denn wir sprechen hier ja von Modellen. Man muss diese konkreten Fragen (RTL II) auf eine abstraktere Ebene hieven. Das weißt Du ja auch.
;) :Blumen:
je abstrakter, allgemeiner ein Modell ist, z.B. die für die Def. von Lebewesen, das natürlich für alle Organismen gilt, desto weniger konkret beschreibt es die Regeln, Gesetze, die für eine Art von Lebewesen gelten, wie z.B. die der Menschen. Das wäre meine Kritik an der allgemeinen Anwendung der Darwinschen Gesetze auf die menschliche Entwicklung.
Die Frage ist, auf welche Weise sich bestimmte kulturelle Dinge gegen konkurrierende kulturelle Dinge durchsetzen. Das geschieht ja aufgrund von Ursachen.
Ein mögliches Modell der Beschreibung besteht darin, hier ähnliche Mechanismen zu sehen, wie bei jeder anderen Evolution auch: Es existieren zahlreiche Varianten, von denen sich ganz bestimmte Varianten durchsetzen, und sich in ihrer jeweiligen kulturellen Umgebung behaupten.
Du sagst, das Patriarchat und dessen Aufweichung durch die Gleichberechtigung sei aufgrund von Besitzverhältnissen, Produktionsmitteln etc. entstanden. Dasselbe kann man mit dem Modell der Evolution ausdrücken: Das Patriarchat setzte sich gegen konkurrierende soziale Formen durch, weil die Umweltbedingungen dies begünstigten. Mit Umwelt ist die kulturelle Umwelt gemeint, etwa die Besitzverhältnisse.
Diese Umweltbedingungen unterliegen einem Wandel. Der Feminismus konnte sich entwickeln, als die Umweltbedingungen dafür gegeben waren. Erst dann setze er sich gegen einen Pool konkurrierender Ideen durch.
Ich sehe da zwischen diesen unterschiedlichen Modellen zur Beschreibung keinen grundsätzlichen Widerspruch.
In meinem Modell sind die beherrschenden Eigentumsverhältnisse bzw. Besitzverhältnisse des Produktionsprozesses jeweils konstitutiv für die kulturelle Umwelt. Sie bestimmen diese. Man betrachtet die sozialen Verhältnisse als Ganze und ihre gesetzmässigen inneren Zusammenhänge und stellt sich nicht die Gesellschaft als blosse Menge von Individuen vor, die bestimmten Umweltbedingungen wie z.B. Besitzverhältnissen quasi gegenüberstehen. Dieses Denken (Individuum-Umwelt) entsteht selbst aus der Entfremdung der Lebensverhältnisse. Man bringt einige Faktoren an der Oberfläche in Zusammenhang, um sich Veränderungen zu erklären, und kann auf ähnliche Ergebnisse wie bei meinem Ansatz kommen.
Ich möchte gerne meine Eingangsfrage wiederholen:
Wie erklärt sich nach Jörn's Modell und den Gesetzen Darwin's, dass man auf der Welt mehr Religionsgläubige zählt als Atheisten? Folgt aus diesem Modell von Jörn, wendet man es auf Kirchen und Religion an, dass Kirche und Religion einen evolutionären Vorteil gegenüber Atheisten haben?
Klugschnacker
17.10.2017, 12:30
Wie erklärt sich nach Jörn's Modell und den Gesetzen Darwin's, dass heute es auf der Welt mehr Religionsgläubige gibt als Atheisten? Worin besteht der evolutionäre Vorteil von Religion?
Der evolutionäre Vorteil für wen? Die Menschen?
Das wäre ein Missverständnis. Die Evolution der Religion vollzieht sich zugunsten der Religion selbst. Nicht zugunsten der Menschen.
Helmut S
17.10.2017, 12:42
Servus Beieinander!
Ich habe seit meinem letzten Post bis hierher mitgelesen, hatte aber nicht den Eindruck etwas weiteres Beitragen zu können. Weil hier aber viele Aussagen getroffen wurden, die ich als philosophische Prinzipien, Strömungen und Konzepte denke erkannt zu haben, möchte ich an der Stelle doch noch versuchen etwas beizutragen. Wahrscheinlich bin ich etwas spät dran mit meinem Beitrag - ich kann aber nicht so schnell denken wie ihr postet; sorry :Blumen: Ausserdem habe ich dann ab und zu auch noch mords Pech beim denken und muss von vorne anfangen :cool:
In der Diskussion wurde z.B. darauf hingewiesen das es nicht bewiesen sei, dass es keinen Gott gibt. Die Hypothese, deren beweis gefordert wird ist also "Es gibt keinen Gott". Solche Sätze sind im Sinne der Erkenntnistheorie sogenannte "Es-gib-nicht" Sätze, die inhaltlich äquivalent zu sog. "All-Sätzen" sind. Allsätze sind universell und allgemein gültige Sätze, die immer und unter allen Umständen gelten. Die wesentliche Eigenschaft eines Allsatzes ist, dass er nicht verifizierbar ist, sehr wohl aber falsifizierbar. Warum das so ist liegt auf der Hand: Wie soll man beweisen, dass es etwas nicht gibt? Man wird immer dem Vorwurf ausgesetzt sein, dass man nicht gründlich genug gesucht hat. Freilich kann man solche Hypothesen leicht falsifizieren, man müsste nur einen Gott finden um das zu tun.
Da solch ein Satz aber nicht zu verifizieren ist, ist die Aussage "Es ist nicht bewiesen, dass es keinen Gott gibt." eine Tautologie, d.h. die Aussage ist immer wahr und kann nie und zu keinen Umständen falsch werden, also auch nicht zu falsifizieren (Anm: Die Aussage würde dann falsch sein, wenn bewiesen wäre, dass es keinen Gott gibt. Das geht aber wegen des oben Gesagten nicht). Wenn sie aber nicht zu falsifizieren ist, ist sie sicher nicht geeignet in einer Debatte, die einer empirischen Logik folgt verwendet zu werden, denn Aussagen der Empirik müssen immer "an der Erfahrung scheitern können". Im Endeffekt ist es (also die Behauptung "Es ist nicht beweisen ...") umgangssprachlich ein Totschlagargument und wo es gebracht wird, wächst kein Gras mehr, wenn auch noch soviel im Anschluß zum Thema geredet wird. Mit vielen (wenn nicht sogar mit allen) mir bekannten Aussagen zum Thema "Existenz/Nicht-Existenz" Gottes verhält es sich so.
Was Arne in seinem letzten langen Beitrag geschrieben hat ist Ausdruck einer philosophische Strömung, die es seit dem Mittelalter gibt und im deutschen Idealismus bei Kant seinen Höhepunkt erreicht hat (Kritik der reinen Vernunft; kann man lesen, die Sprache ist etwas schwierig, sonst geht's aber). Es geht dabei u.a. darum, dass die Philosophie erkannt hat dass es die Welt "für sich" nicht gibt, sondern dass wir nur das wahrnehmen, was unser Bewußtsein uns vorgibt was die Welt ist. Wir nehmen die Welt also nicht "für sich" wahr, sondern nur "für uns". Nur die Anschauung eines Dinges ist unserer Erkenntnis also zugänglich, nicht das Ding selbst. An der Stelle hat sich die Kirche auch selbst im Mittelalter irgendwie ins Bein geschossen (viele Philosophen waren auch Theologen), denn ab dem Moment ab dem die philosophischen Erkenntnis im Mittelalter aufkam, war eigentlich klar, dass der Mensch einen "Gott an sich" gar nicht erkennen kann (selbst wenn es ihn gäbe) sondern das Gott nur "für mich" - also im Bewußtsein der Menschen, ja des einzelnen Menschen existiert. Damit war das Dogma Gott eigentlich schon tot.
Als Mensch (Naturwissenschaftler, Mathematiker, Philosoph, ..) der die "absolute Wahrheit" sucht, hat man nun zwei Möglichkeiten: Entweder man lehnt sich entspannt zurück, lächelt und akzeptiert das unsere Fähigkeit zur objektiven Erkenntnis begrenzt bis hin zu nicht vorhanden ist. Oder man wird zum Zyniker - das geht auch. Meine Haltung ist eher die Erste. Denn: Wenn man diesen "Subjektivismus" (es gibt keine Realität "für sich" sondern nur eine "für mich") mal versucht in seienr Praxistauglichkeit zu betrachten, kommt man schnell drauf, dass der nix taugt, denn ich kann jeden Versuch irgendwas zu erklären, sofort damit zertrampeln, dass ich sage: Das ist ja subjektiv und keine objektive Wahrheit. Wenn ich einem Physiker das sage was Leibnitz schon gesagt hat, nämlich das es keinen Raum und und keine Zeit gibt, sondern Raum und Zeit sind nur Anschauungskategorien, dann wird dieser Menschen wahrscheinlich strinrunzeln und Diskussionsbedarf haben. Natürlich ist das aber trotzdem nicht falsch, man muss halt eine zusätzlich Sicht einnehmen um das zu akzeptieren.
Warum erzähle ich das? Zum einen weil hier doch ab und an was diskutiert wird - zum Teil auch mit einer gewissen Hilflosigkeit - was schon längst völlig durchgedacht wurde. Zum anderen, weil ich denke, es hilft den Menschen überhaupt nicht wenn sich Philosophen oder auch Naturwissenschaftler oder wer auch immer hinstellen und den anderen versuchen zu verargumentieren, was sie sich den alles vormachen und einbilden. Das ist m. E. zwecklos es sei denn man strebt den "Ich-hab-recht-und-du-nicht-weil-du-eher-aufgibst-als-ich" Orden an.
In der bisherigen Diskussion hat es aus meiner Sicht einige Punkte gegeben, die richtig Klasse waren:
1) Religion/Kirche/Glauben hat durch Taten der Gläubigen viel Leid über die Menschen gebracht und tut das noch immer
2) Wissen ist vorhanden, Glaube ist in dem Kontext nicht zwingend nötig
Ich denke darüber hinaus, dass man sich recht schnell darauf einigen kann, dass die Welt eine bessere wäre, wenn es dieses Leid nicht gäbe.
Meine Ansatz ist nun Folgender: Wenn trotz verfügbarem und zugänglichem Wissen heute immer noch durch Taten Gläubiger Leid über die Menschen gebracht wird, ja dann kann es doch nicht erfolgversprechend sein, diesen Leuten nochmal den empirisch/wissenschaftlichen Zeigefinger hinzuhalten. Wie realistisch ist es, demjenigen, der in den Dschihad zieht durch empirisch/wissenschftliche Argumentation davon zu überzeugen das Ahlla nicht existiert und er einem Fake aufgessesen ist? Wie realistisch ist es, durch ebensolche Methoden den Pabst davon zu überzeugen, dass seine Sichtweise auf Fake beruht/Fake ist?
Ich bin der Meinung, dass es in der heutigen Zeit wichtig ist, dass die freiheitlichen, demokratischen, rechtsstaatlichen oder sonstwas Gesellschaften/gesellschaftlichen Gruppen mit denen die das nicht sind in Dialog treten und dort auch bleiben. Es sollte m.E. aber kein Dialog gegen Überzeugungen sein - der wird in einer Frontenbildung und weiter in offener Konfrontation enden und Verlierer erzeugen. Das gilt für den Dialog zwischen Gläubigen und Kirchenvertretern mit deren Gegenern genauso, wie für den Dialog zwischen den Kulturen. Ein Dialog sollte gesellschaftlich und politisch auf kleine Dinge abzielen, so dass die Dinge auf der Welt Schritt für Schritt besser werden. Bei vielen Dingen fragt man sich da aber: "Wie soll das konkret gehen? Wie sieht das konkret aus - ich bin kein Politiker oder Diplomat". Ganz ehrlich: Ich denke das ist fallbezogen. Deshalb sollte man vielleicht zwischen Gläubigen und nichtgläubigen einen Dialog über ein gaaaaaanz konkretes Problem und einer Lösung dazu führen. Ich halte das für viel zweckmäßiger als zu versuchen dem Pabst auszureden, dass es einen Gott gibt.
Just my 5 Cents. :Blumen:
Viele Grüße
Helmut
Klugschnacker
17.10.2017, 12:43
Folgt aus diesem Modell von Jörn, wendet man es auf Kirchen und Religion an, dass Kirche und Reilgion einen evolutionären Vorteil gegenüber Atheisten haben?
Du müsstest fragen, ob Gläubige einen evolutionären Vorteil gegenüber Nichtgläubigen haben. Meinest Du das? (Man kann nicht Kirchen, Religionen und Atheisten miteinander vergleichen.)
Der evolutionäre Vorteil für wen? Die Menschen?
Das wäre ein Missverständnis. Die Evolution der Religion vollzieht sich zugunsten der Religion selbst. Nicht zugunsten der Menschen.
Also dieses Modell würde die allgmeinen Regeln der Evolution nur auf die Religion anwenden? Und nicht allgemein auf alle Menschen, incl. der Atheisten. Okay, dann habe ich das missverstanden.
Ich verstehe aber theoretisch nicht, wie man von Darwin übernommene Evolutionsregeln auf ein Feld, also Religion, eingrenzen kann. Es ging doch bei Darwin gerade um die Entstehung der Arten, also die Arten, betrachtet in der Gesamtheit.
Du müsstest fragen, ob Gläubige einen evolutionären Vorteil gegenüber Nichtgläubigen haben. Meinest Du das? (Man kann nicht Kirchen, Religionen und Atheisten miteinander vergleichen.)
Ja, im Sinne von Jörn's Modell und Denkweise.
Klugschnacker
17.10.2017, 13:17
Also dieses Modell würde die allgmeinen Regeln der Evolution nur auf die Religion anwenden? Und nicht allgemein auf alle Menschen, incl. der Atheisten. Okay, dann habe ich das missverstanden.
Ich verstehe aber theoretisch nicht, wie man ein von Darwin übernommenes Evolutionsregeln auf ein Feld, also Religion, begrenzen kann. Es ging doch bei Darwin gerade um die Entstehung der Arten, also die Arten, betrachtet in der Gesamtheit.
Nein, nein, wir reden aneinander vorbei. :Blumen:
Die Evolution als allgemeines Konzept über die Entwicklungsrichtung von Tieren, Galaxien, Wirtschaftssystem, Gesellschaftssystemen, Religionen gilt ganz allgemein für alle diese Dinge.
Jedoch:
Die Evolution der Menschen zielt auf den Vorteil der Menschen. Die Evolution der Löwen auf den Vorteil der Löwen. Die Entwicklung der Religionen verläuft zugunsten der Religionen.
Die Evolution der Löwen erfolgt nicht zugunsten der Antilopen. Die Evolution der Religionen erfolgt nicht zugunsten der Menschen. Die Evolution der Aktiengesellschaften erfolgt nicht zugunsten der Menschen. Ein sich evoluierendes System optimiert sich immer zum eigenen Vorteil.
Man liegt also falsch, wenn man danach fragt, welchen Evolutions-Vorteil die Religion dem Menschen bietet. Das wäre so, also würde ich danach fragen, welchen Vorteil die Evolution der Löwen den Antilopen bietet.
----
Zu Deiner Frage, warum es überhaupt Religionen gibt, also warum sie sich unter den Menschen ausbreiten konnten:
Religionen haben sich genau deshalb ausgebreitet, weil sie sich ausbreiten konnten. Weil sie einen Mechanismus fanden, von einem Gehirn zum nächsten zu kommen. Dabei waren bestimmte Religionen erfolgreicher als andere und setzte sich somit gegen konkurrierende Religionen durch.
Der Löwenzahn hat sich genau deshalb ausgebreitet, weil er sich ausbreiten konnte. Weil er einen Mechanismus fand, von einer Wiese zur nächsten zu gelangen. Dabei war er erfolgreicher als konkurrierende Pflanzen und setzte sich somit gegen sie durch.
Welchen Vorteil hat der Löwenzahn für die Wiese? Keinen. Welchen Vorteil hat die Religion für den Menschen? Keinen(*). Der Löwenzahn hat sich zu seinen eigenen Gunsten entwickelt, nicht zugunsten der Wiese, auf der er lebt. Ebenso entwickelt sich die Religion zu ihren eigenen Gunsten, nicht zugunsten der Menschen.
So schaut dieses Modell, vereinfacht gesagt, aus.
:Blumen:
(*) Bitte nicht missverstehen: Gemeint ist hier, dass das Wohlergehen der Menschen keinen direkten Impuls auf die Entwicklungsrichtung der Religion gibt.
Welchen Vorteil hat die Religion für den Menschen? Keinen.
Mal wieder ziemlich anmaßend von dir, Klugschnacker, dies zu entscheiden. Laß doch das jeden für sich entscheiden.
Klugschnacker
17.10.2017, 13:29
Mal wieder ziemlich anmaßend von dir, Klugschnacker, dies zu entscheiden. Laß doch das jeden für sich entscheiden.
Danke für die Blumen, insbesondere für das "mal wieder". Ich beschreibe da ein Modell zur Entwicklungsrichtung kultureller Systeme. Ich sehe keinen Grund, persönlich zu werden.
Es geht oben nicht um den einzelnen Menschen.
captainbeefheart
17.10.2017, 13:34
Danke für die Blumen, insbesondere für das "mal wieder". Es geht oben jedoch nicht um den einzelnen Menschen.
Auch für ein Gruppe von Menschen gilt Deine Aussage nicht. Außer offenbar in Deiner Wirklichkeitskonstruktion. Siehe verlinktes Gutachten der Enquete-Kommission des Bundestages. Du siehst halt auch nur was Du sehen willst / kannst.
Klugschnacker
17.10.2017, 13:46
Auch für ein Gruppe von Menschen gilt Deine Aussage nicht. Außer offenbar in Deiner Wirklichkeitskonstruktion. Siehe verlinktes Gutachten der Enquete-Kommission des Bundestages. Du siehst halt auch nur was Du sehen willst / kannst.
In dem Gutachten geht es um die Funktionen oder Wirkungen einer Religion auf die befragten Menschen.
In meinem Posting geht es um die Ursachen, die für die Entwicklung einer Religion maßgeblich sind.
Funktionen und Ursachen sind zwei unterschiedliche Dinge, die man auseinander halten muss. Wir unterscheiden ja auch zwischen den Wirkungen des Regens auf den Menschen und den Ursachen für Regen. Das gilt auch für kulturelle Dinge: Die Wirkungen der Feudalherrschaft auf die Menschen sind zu unterscheiden von ihren Ursachen.
Danke für die Blumen, insbesondere für das "mal wieder". Ich beschreibe da ein Modell zur Entwicklungsrichtung kultureller Systeme. Ich sehe keinen Grund, persönlich zu werden.
Es geht oben nicht um den einzelnen Menschen.
Du hast doch vor ein paar Tagen selbst geschrieben, als ich dich fragte, was der Sinn von 3,8km Schwimmen, 180km Radfahren und 42km denn wäre, dass der Athlet dem Ganzen erst einen Sinn gibt. So ist das auch mit der Religion.
Da bei Religionen mit Recht auf deren negativen Folgen/Vergangenheit hingewiesen wird, reite ich auch ein wenig auf den negativen Begleiterscheinungen von Sport, Wissenschaft (Atombombe) usw. rum. Alles hat 2 Seiten.
Den absolulten Sinn von "allem" kennen wir nicht. Nicht mal, ob es diesen gibt.
Zu akzeptieren, dass jeder ein anderes Bild von Sinn und Vorteil hat, nennt sich Toleranz.
Irgendwas im Namen von Toleranz einfordern und selbst unbeweglich wie ein Stein sein, ist ein Widerspruch in sich.
Klugschnacker
17.10.2017, 13:52
Hast Du die letzten Postings gelesen, keko? Es geht gerade um etwas anderes als persönliche Bewertungen über den Sinn und Unsinn von Religionen. qbz und ich diskutieren ein gedankliches Modell.
Lies es Dir mal durch, und dann kannst Du ja gerne Deine Meinung dazu sagen.
captainbeefheart
17.10.2017, 13:52
In dem Gutachten geht es um die Funktionen oder Wirkungen einer Religion auf die befragten Menschen.
....
Genau. Und ich habe mich auf Deine Aussage "Religionen haben keinen Vorteil für Menschen" bezogen. In dem Gutachten wird eine Synopse unterschiedlicher Quellen bzgl. Nutzen / Vorteil / Funktionen vorgenommen (und das nicht allein auf Befragungen basierend).
Lass Dich aber in Deiner Wirklichkeitskonstruktion nicht stören.
Hast Du die letzten Postings gelesen, keko? Es geht gerade um etwas anderes als persönliche Bewertungen über den Sinn und Unsinn von Religionen. qbz und ich diskutieren ein gedankliches Modell.
Lies es Dir mal durch, und dann kannst Du ja gerne Deine Meinung dazu sagen.
Ich verstehe es nicht.
Religionen sind doch kein geschlossenes System, die sich ihrer selbst entwickeln. Du musst sie immer zusammen mit Menschen betrachten. Religionen entwickeln sich zusammen mit Menschen.
Oder von was sprichst du? :confused:
Klugschnacker
17.10.2017, 14:58
Ich verstehe es nicht.
Religionen sind doch kein geschlossenes System, die sich ihrer selbst entwickeln. Du musst sie immer zusammen mit Menschen betrachten. Religionen entwickeln sich zusammen mit Menschen.
Oder von was sprichst du? :confused:
Betrachten wir einmal rein fiktiv zwei unterschiedliche Religionen, die gleichzeitig existieren, und beobachten ihre Ausbreitung über einen Zeitraum von einigen hundert Jahren hinweg. Welche gewinnt schließlich die Oberhand?
Möglichkeit 1: Diejenige Religion setzt sich durch, die am besten für die Menschen ist.
Möglichkeit 2: Diejenige Religion setzt sich durch, dich sich am besten ausbreitet
Du wirst vermutlich auf Möglichkeit 2 tippen: Denn eine Religion, die sich besser ausbreitet als alle anderen, verdrängt jene Religionen, die vielleicht für die Menschen besser gewesen wären. Religionen entwickeln sich damit zwangsläufig langfristig in Richtung des größtmöglichen Ausbreitungserfolgs.
Falls Du Möglichkeit 1 wählst: Dann wäre der Islam die Religion, welche nach dem Christentum die zweitbeste aller Religionen ist, also im Sinne von: gut für die Menschen.
Das Evolutionsmodell hingegen legt nahe, dass der Islam diejenige Religion mit dem zweitgrößten Ausbreitungserfolg ist; dieser ist nicht direkt abhängig davon, ob der Islam gut oder schlecht für die Menschen ist.
Es erklärt weiterhin, warum es den Kirchen prächtig geht.
Trimichi
17.10.2017, 15:24
Vielleicht ein entschärfender Gedanke zum Thema Sinn der alle Diskussionsteilnehmer gleichermaßen betrifft:
Eine Katze sitzt am Gartenzaun des Nachbarn und sieht ein Auto vorbeifahren. Die Katze sieht, dass das Auto vorbeifährt, und sie wird es in aller Regel vermeiden aufzuspringen und in das Auto zu laufen. Das Auto ist Bestandteil der unausweichlich faktischen Realität der Katze.
Und das ist auch so, obwohl die Katze die Explosionszeichnungen des Motors nicht lesen und schon gar nicht verstehen kann. Warum versteht die Katze nun nicht die Funktionsweise des Verbrennungsmotors? Weil ihr Gehirn nicht dafür ausgelegt ist.
So wie das Gehirn der Katze nicht ausreicht den Verbrennungsmotor zu verstehen reicht das Gehirn des Menschen nicht aus um den Kosmos zu verstehen oder letzte Gründe.
Nein, nein, wir reden aneinander vorbei. :Blumen:
Die Evolution als allgemeines Konzept über die Entwicklungsrichtung von Tieren, Galaxien, Wirtschaftssystem, Gesellschaftssystemen, Religionen gilt ganz allgemein für alle diese Dinge.
Jedoch:
Die Evolution der Menschen zielt auf den Vorteil der Menschen. Die Evolution der Löwen auf den Vorteil der Löwen. Die Entwicklung der Religionen verläuft zugunsten der Religionen.
Die Evolution der Löwen erfolgt nicht zugunsten der Antilopen. Die Evolution der Religionen erfolgt nicht zugunsten der Menschen. Die Evolution der Aktiengesellschaften erfolgt nicht zugunsten der Menschen. Ein sich evoluierendes System optimiert sich immer zum eigenen Vorteil.
Man liegt also falsch, wenn man danach fragt, welchen Evolutions-Vorteil die Religion dem Menschen bietet. Das wäre so, also würde ich danach fragen, welchen Vorteil die Evolution der Löwen den Antilopen bietet.
Das sehe ich bei der gesellschaftlichen Entwicklung anders wie Du.
Als Beispiel: Das Kapital inform der Aktiengesellschaften hat als einziges Ziel Gewinne zu erzielen, sich zu verwerten, d'accord. Aber nur diese Form der Kapitalkonzentration schaffte neue, riesige menschliche Produktivitäten, vergesellschaftete Arbeit, Ausbeutung von Rohstoffen, wie es einzelne Industriebesitzer, Einzelkapitalisten niemals hätten schaffen können. Und die damit entstandene vergesellschaftete Produktivität bleibt der Menschheit erhalten, auch ohne Aktiengesellschaften. Nationen, welche nicht inform von Aktiengesellschaften Kapital akkumulierten und in feudalen Strukturen festhingen, gerieten andererseits in Abhängigkeiten zu den AG's und neuen imperialen Herrschaften.
Träger der Institutionen wie Kirche und AG's sind die Menschen und ihre sozialen Verhältnisse, welche diese Institutionen erst hervorbringen. Beschäftigt man sich mit den Produktions- und Besitzverhältnissen, kann man erst verstehen, weshalb langfristig Institutionen absterben, entstehen, wachsen.
Wie erklärt Dein Modell ("Ein sich evoluierendes System optimiert sich immer zum eigenen Vorteil."), a) dass die Kirche das römische Reich in der Herrschaft ablöste und b) die Kirche ihre Herrschaft aus dem Mittelalter in der Neuzeit beenden musste.
Zu Deiner Frage, warum es überhaupt Religionen gibt, also warum sie sich unter den Menschen ausbreiten konnten:
Religionen haben sich genau deshalb ausgebreitet, weil sie sich ausbreiten konnten. Weil sie einen Mechanismus fanden, von einem Gehirn zum nächsten zu kommen. Dabei waren bestimmte Religionen erfolgreicher als andere und setzte sich somit gegen konkurrierende Religionen durch.
Das sind für mich alles Sätze mit Zirkelschlüssen.
Der Löwenzahn hat sich genau deshalb ausgebreitet, weil er sich ausbreiten konnte. Weil er einen Mechanismus fand, von einer Wiese zur nächsten zu gelangen. Dabei war er erfolgreicher als konkurrierende Pflanzen und setzte sich somit gegen sie durch.
Welchen Vorteil hat der Löwenzahn für die Wiese? Keinen. Welchen Vorteil hat die Religion für den Menschen? Keinen(*). Der Löwenzahn hat sich zu seinen eigenen Gunsten entwickelt, nicht zugunsten der Wiese, auf der er lebt. Ebenso entwickelt sich die Religion zu ihren eigenen Gunsten, nicht zugunsten der Menschen.
So schaut dieses Modell, vereinfacht gesagt, aus.
:Blumen:
(*) Bitte nicht missverstehen: Gemeint ist hier, dass das Wohlergehen der Menschen keinen direkten Impuls auf die Entwicklungsrichtung der Religion gibt.
Ich denke, eine Wiese und ein Wald existieren jeweils in ganz speziellen Wechselwirkungen der Pflanzen untereinander und jede Pflanze trägt im Ergebnis der Artenvielfalt auch etwas Spezifisches für bestimmte Habitate bei.
Auch wenn die Kirche sich ausschliesslich zu ihrem Nutzen "evolutionieren" sollte, stand sie IMHO doch immer in vollkommenen Abhängigkeiten zu Ressourcen der ganzen Gesellschaft und veränderte sich mit und in diesen Produktios- Und Herrschaftsverhältnissen. Die Änderungsimpulse zur Beendigung ihrer fast absoluten Herrschaft im Mittelalter kamen von den Kaufleuten, den Handwerkern, dem Bürgertum, denen sich die Kirche anpassen musste, wollte sie nicht abgeschafft werden. Insofern kann man die Entwicklung der Kirche nicht isoliert in der Gesellschaft betrachten, finde ich.
Ps:
Nach dem Evolutionsmodell ergäbe eigentlich Kirchenkritik keinen Sinn, da sich die Religionen daran anpassen und ihr System optimieren, wenn ich das richtig verstanden habe. ;)
Klugschnacker
17.10.2017, 16:37
Auch wenn die Kirche sich ausschliesslich zu ihrem Nutzen "evolutionieren" sollte, stand sie IMHO doch immer in vollkommenen Abhängigkeiten zu Ressourcen der ganzen Gesellschaft und veränderte sich mit und in diesen Produktios- Und Herrschaftsverhältnissen. Die Änderungsimpulse zur Beendigung ihrer fast absoluten Herrschaft im Mittelalter kamen von den Kaufleuten, den Handwerkern, dem Bürgertum, denen sich die Kirche anpassen musste, wollte sie nicht abgeschafft werden. Insofern kann man die Entwicklung der Kirche nicht isoliert in der Gesellschaft betrachten, finde ich.
Da sehe ich keinen Widerspruch zwischen den beiden Sichtweisen. Ein sich evoluierendes System entwickelt sich zwar stets zum eigenen Vorteil, unterliegt dabei aber den Einflüssen seiner Umwelt: Ein Löwe entwickelt sich zum Vorteil der Löwen, reagiert aber auf Änderungen seiner Umwelt – zum Beispiel, wenn die Antilopen rar werden oder ihr Fluchtverhalten ändern. Dann passen sich die Löwen an. Diese Anpassung erfolgt zum eigenen Vorteil.
Die Kirchen haben sich ausgangs des Mittelalters aufgrund der Veränderungen ihrer Umwelt angepasst. Die Umwelt besteht auch aus den Produktions- und Herrschaftsverhältnissen etc., das ist alles richtig, was Du sagst. Sie reagiert in ihrer Entwicklung auf diese Umweltveränderungen, allerdings stets und unverändert mit dem Ziel einer größtmöglichen Ausbreitung. Nicht mit dem Ziel, das Wohl der Menschen zu maximieren.
:Blumen:
Klugschnacker
17.10.2017, 17:01
Als Beispiel: Das Kapital inform der Aktiengesellschaften hat als einziges Ziel Gewinne zu erzielen, sich zu verwerten, d'accord. Aber nur diese Form der Kapitalkonzentration schaffte neue, riesige menschliche Produktivitäten, vergesellschatete Arbeit, Ausbeutung von Rohstoffen, wie es einzelne Industriebesitzer, Einzelkapitalisten niemals hätten schaffen können. Und die damit entstandene vergesellschaftete Produktivität bleibt der Menschheit erhalten, auch ohne Aktiengesellschaften. Nationen, welche nicht inform von Aktiengesellschaften Kapital akkumulierten und in feudalen Strukturen festhingen, gerieten andererseits in Abhängigkeiten zu den AG's und neuen imperialen Herrschaften.
Träger der Institutionen wie Kirche und AG's sind die Menschen und ihre sozialen Verhältnisse, welche diese Institutionen erst hervorbringen. Beschäftigt man sich mit den Produktions- und Besitzverhältnissen, kann man erst verstehen, weshalb langfristig Institutionen absterben, entstehen, wachsen.
Dem würde ich zustimmen. Eine neue Wirtschaftsweise hatte Erfolg und konnte sich ausbreiten.
Überlässt man ein solches System sich selbst, entwickelt es sich in Richtung des eigenen Ausbreitungserfolgs. Kapitalistische Gesellschaften erzeugen an ihren Rändern ebenfalls kapitalistische Gesellschaften. Aktiengesellschaften erzeugen durch den Wettbewerb weitere Aktiengesellschaften, d.h. wenn VW eine Aktiengesellschaft ist, bleibt BMW nichts übrig, als ebenfalls eine Aktiengesellschaft zu werden. Und so weiter.
Aktiengesellschaften und der Kapitalismus müssen nicht unbedingt die beste Wirtschaftsform für die Menschen sein (manche sagen, dass wir den kompletten Planeten damit ruinieren), aber es sind Systeme, denen es gelingt, sich stark auszubreiten.
Klugschnacker
17.10.2017, 17:09
Nach dem Evolutionsmodell ergäbe eigentlich Kirchenkritik keinen Sinn, da sich die Religionen daran anpassen und ihr System optimieren, wenn ich das richtig verstanden habe. ;)
Ja, richtig. Die Religionen passen sich tatsächlich an. Man beachte den bemerkenswerten Unterschied zwischen dem Gott des alten und des neuen Testaments. Ein strafender Rachegott verwandelt sich in den Gott der Liebe. Oder den Wandel in der Auffassung des ewigen Höllenfeuers. Welcher Pfarrer wollte heute noch predigen, ungetaufte Säuglinge, die bei der Geburt sterben, landen in der ewigen Hölle? Hier haben sich humanistische Sichtweisen Geltung verschafft.
Letztlich ist alles, was rational beweisbar wäre, aus der Religion verschwunden. Und zwar just mit dem Auftreten der modernen Wissenschaft. Hältst Du das für einen Zufall?
:Blumen:
Lass Dich aber in Deiner Wirklichkeitskonstruktion nicht stören.
Ich verstehe deine schnippischen Kommentare nicht. So schlau sind deine Postings nun auch wieder nicht. Arne argumentiert sehr sorgfältig und bedacht, auch wenn Du ihm nicht zustimmst. Für Belehrungen von oben herab sehe ich keinen Grund.
Im Grunde ist es doch so, dass jeder seine eigene Wirklichkeit selbst konstruiert. Der eine benötigt darin eben ein bisschen Hokuspokus, ein anderer Religionen, ein Dritter nichts davon.
Insofern konstruiert also auch Beef seine eigene Wirklichkeit. :Blumen:
Zum Glück können wir uns ja aussuchen,welche Wirklichkeit gut zu uns passt oder ergänzt und welche nicht. :Blumen:
.......
Aktiengesellschaften und der Kapitalismus müssen nicht unbedingt die beste Wirtschaftsform für die Menschen sein (manche sagen, dass wir den kompletten Planeten damit ruinieren), aber es sind Systeme, denen es gelingt, sich stark auszubreiten.
Insofern entstehen auch Systeme, die, indem sie ausschliesslich dem eigenen Evolutionsvorteil dienen, wie die AG, auch gleichzeitig die Möglichkeit des Unterganges hervorbringen. Das einer AG immanente Verwertungsinteresse braucht deswegen Regulierungen / Begrenzungen durch den Staat-
Klugschnacker
17.10.2017, 19:17
Insofern entstehen auch Systeme, die, indem sie ausschliesslich dem eigenen Evolutionsvorteil dienen, wie die AG, auch gleichzeitig die Möglichkeit des Unterganges hervorbringen. Das einer AG immanente Verwertungsinteresse braucht deswegen Regulierungen / Begrenzungen durch den Staat.
Das würde ich auch so sehen, aber letztlich kenne ich mich da nicht genügend aus.
Mir ging es nur um das oft vorgebrachte Argument, dass die Religion offensichtlich dem Wohle der Menschen diene, sonst hätte sie sich durch die Evolution nicht entwickelt. Das Vorhandensein von Religionen müsse einen Wettbewerbsvorteil gegenüber nichtreligiösen Kulturen ergeben.
Dieses Argument ist jedoch falsch, denn die Evolution kann sehr wohl kulturelle Verhaltensweisen etc. hervorbringen, die sich nicht am Menschenwohl orientieren. Tut mir leid, dass ich das so zäh verständlich rübergebracht habe.
:Blumen:
Betrachten wir einmal rein fiktiv zwei unterschiedliche Religionen, die gleichzeitig existieren, und beobachten ihre Ausbreitung über einen Zeitraum von einigen hundert Jahren hinweg. Welche gewinnt schließlich die Oberhand?
Möglichkeit 1: Diejenige Religion setzt sich durch, die am besten für die Menschen ist.
Möglichkeit 2: Diejenige Religion setzt sich durch, dich sich am besten ausbreitet
Du wirst vermutlich auf Möglichkeit 2 tippen: Denn eine Religion, die sich besser ausbreitet als alle anderen, verdrängt jene Religionen, die vielleicht für die Menschen besser gewesen wären. Religionen entwickeln sich damit zwangsläufig langfristig in Richtung des größtmöglichen Ausbreitungserfolgs.
Falls Du Möglichkeit 1 wählst: Dann wäre der Islam die Religion, welche nach dem Christentum die zweitbeste aller Religionen ist, also im Sinne von: gut für die Menschen.
Das Evolutionsmodell hingegen legt nahe, dass der Islam diejenige Religion mit dem zweitgrößten Ausbreitungserfolg ist; dieser ist nicht direkt abhängig davon, ob der Islam gut oder schlecht für die Menschen ist.
Es erklärt weiterhin, warum es den Kirchen prächtig geht.
Mit dem Evolutionsmodell kann ich mich nicht anfreunden. Mir ist es zu starr, zu gerichtet und zu linear.
Mir kommen spontan folgende Möglichkeiten in den Sinn:
Religion A ist gegenüber Religion B erfolgreich, weil sie mächtigerer/stärkere Träger (Verbreiter) hat. Beispiel: Christliche Missionare in Afrika.
Religion A ist gegenüber B erfolgreich, weil sie mehr Träger hat. Beispiel: 1 Mio muslimische Einwanderer pro Jahr würde DE langfristig ein muslimisches Land werden lassen.
Religion A ist gegenüber B erfolgreich, weil sie erfolgversprechender ist. Beispiel: Anhänger von B wandern zu A über, weil sie sich davon mehr versprechen (Leben nach dem Tod).
Aus A und B entsteht C. Beispiel: Voodoo hat afrikanische und christliche Komponenten.
Religion A passt sich den Gegebenheiten an. Beispiel: wissensbasierte Religion, die Naturgesetze akzeptiert.
Klugschnacker
17.10.2017, 21:14
Mit dem Evolutionsmodell kann ich mich nicht anfreunden. Mir ist es zu starr, zu gerichtet und zu linear.
Naja, was Du dann anschließend beschreibst, ist ja ebenfalls ein evolutionäres Modell, das sich in Richtung größtmöglicher Verbreitung entwickelt.
runningmaus
18.10.2017, 07:31
ein bisschen kleiner bitte, damit ich das verstehe:
Das ein Titan-Atom so aussieht wie es jetzt aussieht, ist das Ergebnis eines Prozesses einer Kette von zufälliger Varianz ("Mutation"), Selektion (für kontextuellen "fit"/fitness) und "Weitergabe" in der Zeit (auf die nächste Generation)?
m.
jetzt nicht unbedingt für Titan ;) ,
aber unter anderem für die Entstehung von Uran, Gold, Platin hat der SWR aktuell einen 90 sec Film verlinkt: Odysso - Wissen im SWR (https://www.facebook.com/Odysso/videos/1696885343678248/)
:Huhu:
Naja, was Du dann anschließend beschreibst, ist ja ebenfalls ein evolutionäres Modell, das sich in Richtung größtmöglicher Verbreitung entwickelt.
Voodoo ist teilweise von Menschen für Menschen entstanden (Sklaven). Es geht doch nicht immer um eine größtmögliche Verbreitung.
Helmut S
18.10.2017, 09:58
Habe die Ehre!
M.E. sollte man bedenken, dass Religion ein Konstrukt des menschlichen Geistes, möglicherweise zum größten Teil ein Ergebnis des Denkens ist. Letzteres ist übrigens eine unglaublich schwierige Frage. Religion ist jedenfalls kein Ding im Sinne von I. Kant oder Wittgenstein (sondern in dessen Sinne vielmehr eine Tatsache) oder oder.
Vor dem Hintergrund meine ich, sollte man - wenn man die Evolution der Religion untersuchen möchte - auch die Evolution des menschlichen Geistes, die Evolution des Denkens untersuchen. Das würde dann bedeuten, dass die Ausbreitung der Religion auch eine Ausbreitung eines spezifischen Geistes und eines spezifischen des Denkens wäre. Wie auch immer: Man wird an der Stelle wahrscheinlich auch nicht um eine Beschäftigung mit dem Subjektivismus herumkommen fürchte ich.
Weiter ist es (nach meinem Verständnis), zumindest in der biologischen Evolution so, dass letztere kein allgemeines Evolutionsmaximum kennt sondern nur relative Evolutionsmaxima je Organismus das auf einem nicht umkehrbaren Pfad erreicht werden kann. Die allgemeine "Krone der Evolution" wird es also nicht geben.
Ein Zweck der Evolution der Religion müsste also nicht zwangsläufig darin bestehen zum Wohle aller Menschen zu sein, sondern könnte auch lediglich darin bestehen zum Wohle einer bestimmten Gruppe zu sein. Das könnte insbesondere so sein, wenn man annimmt, dass die Evolution der Religion nur ein zwangsläufiges Ergebnis der Evolution des Geistes und des Denkens ist. Letztere Punkte sind übrigens unglaublich geprägt von sozialen, wirtschaftlichen und politischen Einflüssen bzw. von individualpsychologischen und sozialpsychologischen Aspekten. Vor allem vor dem Hintergrund des Subjektivismus.
Bei dem anderen Beispiel von Aktiengesellschaften oder Wirtschaftsformen ist das ja recht schnell einsichtig: Die Evolution des Kapitalismus ist sicher nicht optimal für alle Menschen aber ganz sicher für eine bestimmte Gruppe von Menschen.
Danke für's Lesen :Blumen:
Viele Grüße
Helmut
Klugschnacker
18.10.2017, 10:39
Ein Zweck der Evolution der Religion müsste also nicht zwangsläufig darin bestehen zum Wohle aller Menschen zu sein, sondern könnte auch lediglich darin bestehen zum Wohle einer bestimmten Gruppe zu sein.
Zustimmung. Es wäre denkbar, dass das Wirtschaftssystem sich zum Vorteil einer kleinen Gruppe entwickelt, oder die Religion zum Vorteil der institutionalisierten Kirchen.
Doch eine Ideologie kann sich auch zum Nachteil einer Gruppe entwickeln und damit erfolgreich sein. Zur Erläuterung ein Beispiel:
Denken wir uns zwei gleichzeitig existierende Ideologien. Die eine ist für die Gruppe vorteilhaft, die andere nachteilig. Etwa, weil sie mit irrationalen Geboten daherkommt und den Fortschritt behindert.
Stellen wir uns vor, durch einen Zufall gelingt es ausgerechnet der nachteiligen Ideologie, bereits den Kindern an den Grundschulen beigebracht zu werden. Die vorteilhafte Ideologie bleibt hingegen Sache der Erwachsenen, die nach Feierabend dieser Ideologie nachgehen können oder auch nicht.
Nach zwei oder drei Generationen stellt man fest, dass die Anhängerschaft der vorteilhaften Ideologie leicht geschrumpft ist, während sie sich bei der nachteiligen Ideologie verzehnfacht hat. In dieser Generation ist die Erziehung der Kinder mit der eigentlich nachteiligen Ideologie eine Selbstverständlichkeit geworden, die fest zum Selbstverständnis ihrer Anhänger gehört. Die Ideologie hat sich jetzt also verändert, und zwar in Richtung des Merkmals, das den Ausbreitungserfolg bewirkte. Die Veränderung in diesem Beispiel lautet: "Kinder sind im Geiste der richtigen Ideologie zu erziehen".
Abstrakt formuliert: Ein Merkmal, das den Ausbreitungserfolg einer Ideologie steigert, verändert zwangsläufig die Ideologie. Die Entwicklungsrichtung der Ideologie folgt dadurch zwangsläufig dem Ausbreitungserfolg; sie orientiert sich nicht am Wohl ihrer Gruppe.
(Natürlich ist das ein Modell. Es gibt weitere Einflüsse, die hier nicht erwähnt wurden, sowie Rückkopplungen. Das versteht sich von selbst.)
Letztlich ist alles, was rational beweisbar wäre, aus der Religion verschwunden. Und zwar just mit dem Auftreten der modernen Wissenschaft. Hältst Du das für einen Zufall?
:Blumen:
Wohin schaukeln wir denn, wenn dem so wäre? In eine völlig rationale Welt? Eine Welt der Wahrheiten? Willst du da hin?
Für mich ein schlimmer Gedanke. Es gibt ja die Überlegungen, was eine zukünftige Intelligenz, die nur derartig tickt, mit uns Menschen machen würde.
Fortschritt findet und fand sowieso immer statt. Wir müssen uns nicht bemühen, zusätzlich die Religionen in die Tonne zu treten. Gerade das Irrationele, Seelische, Moralische und Unbegreifliche unterscheidet uns noch von zukünftigen Maschinen, die uns früher oder später sowieso immer mehr Entscheidungen abnehmen werden (ein modernes Google-Navi ist nur ein zarter Anfang). Wir sollten uns eher wieder verstärkt auf menschliche Eigenschaften konzentrieren, als versuchen, rationale Entscheidungsmaschinen zu werden. Diesen Kampf verlieren wir sowieso.
Helmut S
18.10.2017, 11:40
Servus!
rationale Entscheidungsmaschinen zu werden
David Hume hat bereits herausgefunden, dass die Ratio keine Entscheidungen trifft, sondern das Gefühl. Die Ratio analysiert Situationen und liefert Fakten. Entschieden wird nach dem Gefühl. Oft werden Alltagsentscheidungen sog rein "aus dem Bauch heraus" getroffen. Will sagen: Ich habe keine Furcht, dass der Mensch zu rationalen Entscheidungsmaschine wird. Er ist es nicht, das ist nicht in ihm angelegt und er wird es deshalb auch m.E. nicht werden. Er wäre dem Untergang geweiht. Der Mensch ist wohl in großen Teilen ein emotionales Wesen.
Im übrigen gibt es in dem Umfeld interessante Erkenntnise aus der Gehirnforschung bezüglich des "freien Willens". So frei scheint der Wille nicht zu sein, sondern die Frage muss wohl so formuliert werden: "Tun wir was wir wollen oder wollen wir, was wir tun?" In den 70ern hat der Neuropsychologe Libet dazu schon versuche gemacht und die haben sich in letzter Zeit wohl bestätigt. Müsste man mal lesen wo man dazu was findet, falls es interessiert.
Viele Grüße Helmut
David Hume hat bereits herausgefunden, dass die Ratio keine Entscheidungen trifft, sondern das Gefühl. Die Ratio analysiert Situationen und liefert Fakten. Entschieden wird nach dem Gefühl. Oft werden Alltagsentscheidungen sog rein "aus dem Bauch heraus" getroffen. Will sagen: Ich habe keine Furcht, dass der Mensch zu rationalen Entscheidungsmaschine wird.
Ich auch nicht. Ich fürchte mich eher vor Menschen, die das zwanghaft immer versuchen. ;)
Klugschnacker
18.10.2017, 11:48
Letztlich ist alles, was rational beweisbar wäre, aus der Religion verschwunden. Und zwar just mit dem Auftreten der modernen Wissenschaft. Hältst Du das für einen Zufall?
:Blumen:
Wohin schaukeln wir denn, wenn dem so wäre? In eine völlig rationale Welt? Eine Welt der Wahrheiten? Willst du da hin? Für mich ein schlimmer Gedanke. Es gibt ja die Überlegungen, was eine zukünftige Intelligenz, die nur derartig tickt, mit uns Menschen machen würde.
Fortschritt findet und fand sowieso immer statt. Wir müssen uns nicht bemühen, zusätzlich die Religionen in die Tonne zu treten. Gerade das Irrationele, Seelische, Moralische und Unbegreifliche unterscheidet uns noch von zukünftigen Maschinen, die uns früher oder später sowieso immer mehr Entscheidungen abnehmen werden (ein modernes Google-Navi ist nur ein zarter Anfang). Wir sollten uns eher wieder verstärkt auf menschliche Eigenschaften konzentrieren, als versuchen, rationale Entscheidungsmaschinen zu werden. Diesen Kampf verlieren wir sowieso.
Wir haben jede Menge Fiktion um uns herum. Das gehört zu unserer Kultur. Heute werden mehr Romane geschrieben als zu jeder anderen Zeit unserer Geschichte; die gesamte westliche Welt sitzt abends vor dem Fernseher und genießt erfundene Geschichten. Wir vergeben Nobelpreise für Literatur, nicht nur für Physik. An Fiktionen, auch irrationalen, ist kein Mangel.
Auch auf anderer Ebene pflegen wir sehr ernsthaft unsere Fiktionen: Die Menschenrechte sind eine Fiktion und dennoch das zentrale Leitmotiv der aufgeklärten Kultur. Wir verklagen juristische Personen vor Gericht, die real nicht existieren. Eine Staatsbürgerschaft oder eine Ehe sind fiktionale Gebilde, die nur in unserer Vorstellung existieren. Diskussionen über Staatsbürgerschaften und über das Recht, zu heiraten, sind sehr lebendig.
Die Zwickmühle der Kirchen besteht darin, dass sie ihre offensichtlichen Fiktionen als Tatsachen ausgeben. Allein deshalb liefern sie sich ein Rückzugsgefecht mit den Wissenschaften. Kein Mensch würde Goethe dafür kritisieren, dass sein Faustus eine erfundene Figur ist. Denn er hat nie etwas anderes behauptet.
Der Wert von erfundenen Geschichten besteht darin, dass sie dem ein oder anderen Menschen etwas sagen. Der Wert der Bibel besteht darin, dass ihre Texte dem ein oder anderen etwas sagen. Es ist vielleicht gar nicht so entscheidend, ob ihre Geschichten wirklich wahre Tatsachen darstellen. Weil die Kirche sie aber als Tatsachen verkauft, sitzt sie gegenüber der Vernunft in der Falle.
Klugschnacker
18.10.2017, 12:00
Ich habe keine Furcht, dass der Mensch zu rationalen Entscheidungsmaschine wird.
Ich auch nicht. Ich fürchte mich eher vor Menschen, die das zwanghaft immer versuchen. ;)
Schau mal in die Geschichte, keko. Siehst Du die Blutspur an irrationalen Überzeugungen und Entscheidungen? Ich denke nicht, dass Du vor einer Gesellschaft Angst haben musst, die sich mehr als bisher an der Vernunft orientiert.
Kleine Gedächtnisstütze:
Die Überzeugung, Gott wolle das Böse bekämpfen, und brauche dafür die Hilfe ausgewählter Menschen, die sich notfalls mit Gewalt durchsetzen
Die Überzeugung, es gäbe eine jüdische Weltverschwörung, der unter anderem Albert Einstein angehörte
Die Überzeugung, die "Nation" sei eine real existierende Sache, für die es sich zu sterben lohnt
Die Überzeugung, Gott habe die Menschen in "Kasten" eingeteilt, unter anderem in einer Kaste der "Unberührbaren"
Die Überzeugung, Gott habe zum Krieg gegen Nicht- und Andersgläubige aufgerufen
Und so weiter.
Schau mal in die Geschichte, keko. Siehst Du die Blutspur an irrationalen Überzeugungen und Entscheidungen? Ich denke nicht, dass Du vor einer Gesellschaft Angst haben musst, die sich mehr als bisher an der Vernunft orientiert.
Kleine Gedächtnisstütze:
Die Überzeugung, Gott wolle das Böse bekämpfen, und brauche dafür die Hilfe ausgewählter Menschen, die sich notfalls mit Gewalt durchsetzen
Die Überzeugung, es gäbe eine jüdische Weltverschwörung, der unter anderem Albert Einstein angehörte
Die Überzeugung, die "Nation" sei eine real existierende Sache, für die es sich zu sterben lohnt
Die Überzeugung, Gott habe die Menschen in "Kasten" eingeteilt, unter anderem in einer Kaste der "Unberührbaren"
Die Überzeugung, Gott habe zum Krieg gegen Nicht- und Andersgläubige aufgerufen
Und so weiter.
Mir ist das schon klar. Wobei man überlegen kann, ob letztendlich Religion und Gott nur für eigene, handfeste Interessen (Macht, Geld ...) missbraucht wurde.
Die größten Massaker der Menscheit, der 1. und 2. Weltkrieg, gingen von der aufgeklärten Welt aus. Und wir haben im Jahr 2017 Waffen, die die Menschheit mehrfach vernichten können. Wir könnten uns darüber streiten, ob die irrationale oder rationale Blutspur größer ist.
Klugschnacker
18.10.2017, 12:50
Die größten Massaker der Menscheit, der 1. und 2. Weltkrieg, gingen von der aufgeklärten Welt aus. Und wir haben im Jahr 2017 Waffen, die die Menschheit mehrfach vernichten können. Wir könnten uns darüber streiten, ob die irrationale oder rationale Blutspur größer ist.
Entschuldigung, aber der erste und zweite Weltkrieg wurde auf der Basis irrationaler Ideologien geführt. Dem Nationalismus und dem Antisemitismus. Danach haben uns die Ideologien des Kommunismus und Kapitalismus an den Rand des dritten Weltkriegs gebracht.
Rational betrachtet ging vom "Weltjudentum" keinerlei Gefahr aus, denn es war als zusammenhängendes Gebilde nicht existent. – Die Überzeugungen von der Überlegenheit der eigenen Nation oder Rasse, die sich in einem Daseinskampf gegen konkurrierende Nationen und Rassen befände und diese unterwerfen müsse, war ein Hirngespinst.
Entschuldigung, aber der erste und zweite Weltkrieg wurde auf der Basis irrationaler Ideologien geführt.
Hitler wurde von unseren Großeltern demokratisch gewählt. Zu einer Zeit, als Einstein schon die Relativitätstheorie veröffentlicht hatte und die Kernspaltung bekannt war. Man kann also nicht sagen, die Menschen wären Wilde gewesen.
Ganz im Gegenteil: Menschen kalkulierten kühl, dass ihre jüdischen Nachbarn abgeholt wurden, um in ihre Wohnungen zu gehen und sie zu plündern.
Rationalität ist nicht zwangsläufig gut.
Kritisches Nachfragen hätte beide Kriege verhindert.
Stattdessen sind die jungen Männer singend und lachend in den Krieg gezogen, und die Bevölkerung hat ihnen zugejubelt. Niemand hätte gejubelt, wenn sie gewusst hätten, was sie erwartet, und dass sie von ein paar wenigen Scharlatanen reingelegt wurden.
Hier stehen sich nicht Irrationalität, Seele und Gefühl auf der einen Seite, und das kalte, mechanische Nachdenken auf der anderen Seite gegenüber. Sondern hier stehen sich Wissen und Unwissen gegenüber. Die jungen Männer sind nicht etwa in den Krieg gezogen, weil es ein schönes Gefühl war, sondern weil man ihnen ein schönes Gefühl vorgegaukelt hatte, indem man ihnen die Wahrheit vorenthielt. Sie hatten zuerst falsche Fakten. Danach kamen die passenden Gefühle. Sie fühlten sich als Helden, die das Vaterland verteidigen. In Wahrheit hatte überhaupt niemand angegriffen. In Wahrheit waren sie Kanonenfutter.
Gefühle sind nicht unabhängig von den, was wir für Fakten halten. Deswegen verkauft die Kirche ihre Bibelgeschichten als Fakten — selbst dann, wenn sie zugibt, dass es hier und da keine wirklichen Fakten sind, sondern... irgendwie andere Fakten, die davon unabhängig sind, ob es tatsächlich Fakten sind. :Gruebeln:
Seele und Gefühl erfordern es keineswegs, dass man die Fakten ignoriert oder kritisches Nachfragen unterlässt. Kritisches Nachfragen ist jedoch das, was alle Kirchen und alle großen Religionen unter allen Umständen verhindern wollen. Und diesem Manöver muss man widersprechen. Denn es ist dieser Punkt, der zu so viel Leid geführt hat. Das ist der Grund, warum die Religionen eine Gefahr darstellen.
Die Kirchen können von mir aus die beste Einrichtung des Universums sein. Wenn der Preis dafür jedoch darin besteht, kritisches Prüfen zu unterlassen, dann ist dieser Preis zu hoch.
Hitler wurde von unseren Großeltern demokratisch gewählt. Zu einer Zeit, als Einstein schon die Relativitätstheorie veröffentlicht hatte und die Kernspaltung bekannt war. Man kann also nicht sagen, die Menschen wären Wilde gewesen.
Ganz im Gegenteil: Menschen kalkulierten kühl, dass ihre jüdischen Nachbarn abgeholt wurden, um in ihre Wohnungen zu gehen und sie zu plündern.
Rationalität ist nicht zwangsläufig gut.
Ich verstehe Dich so, dass Du Seele und Emotion als wichtige Eigenschaften der Menschen neben der Rationalität siehst. Gut, einverstanden.
Aber: Die Wahl Hitlers als Produkt aufgeklärter Rationalität darzustellen liegt historisch total daneben. Den Juden wurde wegen einer irrationalen Ideologie Unrecht getan. Dein Beispiel der kühl kalkulierenden Plünderer finde ich in diesem Zusammenhang...pff.
Ansonsten finde ich Jörns Antwort zutreffend:
Kritisches Nachfragen hätte beide Kriege verhindert.
...
Hier stehen sich nicht Irrationalität, Seele und Gefühl auf der einen Seite, und das kalte, mechanische Nachdenken auf der anderen Seite gegenüber
...
Seele und Gefühl erfordern es keineswegs, dass man die Fakten ignoriert oder kritisches Nachfragen unterlässt
...
Niemand will Gefühl durch mechanische Formeln ersetzen.
...
Kritisches Nachfragen ist das, was alle Kirchen und alle großen Religionen unter allen Umständen verhindern wollen. ...Das ist der Grund, warum die Religionen eine Gefahr darstellen.
Ich verstehe Dich so, dass Du Seele und Emotion als wichtige Eigenschaften der Menschen neben der Rationalität siehst. Gut, einverstanden.
Aber: Die Wahl Hitlers als Produkt aufgeklärter Rationalität darzustellen liegt historisch total daneben. Den Juden wurde wegen einer irrationalen Ideologie Unrecht getan. Dein Beispiel der kühl kalkulierenden Plünderer finde ich in diesem Zusammenhang...pff.
Ansonsten finde ich Jörns Antwort zutreffend:
Offtopic:
Ich würde den Holocaust neben Völkermord auch als massenhaften, gezielten, bewussten Raubmord an Juden bewerten. Fast alle Schichten profitierten vom billigen Ausverkauf des Eigentums jüdischer Flüchtlinge und der späteren Enteignung der deportierten Juden: der Staat, die grossen Unternehmer und Bankiers, die Akademiker, die Angestellten bis hinunter zum kleinsten Ladenbesitzer. Die staatliche Ermordung und Ausrottung der Juden (sog. "Endlösung") geschah gerade auch deswegen, damit diese keine Ansprüche mehr auf den enteigneten Besitz stellen konnten. Allein im irrationalen Judenhass und Antisemitismus den einzigen Grund für den Völkermord zu suchen, griffe IMHO viel zu kurz, da es dabei auch um die illegale Aneignung des jüdischen Besitzes ging. Selbst das Zahngold und die Haare der Ermordeten wurden verwertet.
Insofern finde ich Keko's Antwort sehr zutreffend.
Hier werden zwei Dinge vermischt: Die Motivation der Regierung einerseits; und andererseits die Bereitschaft des Volkes, zu folgen.
Nicht die Regierung hätte kritisch nachfragen müssen, sondern das Volk.
Die Regierung mag sehr rationale Gründe für eine konkrete Maßnahme gehabt haben. Aber was waren die Gründe dafür, dass das Volk folgte?
Kritisches Nachfragen hätte es verhindert (als es noch möglich war).
Außerdem: Wenn alle so trunken waren von Mitgefühl und Nächstenliebe — warum wurden dann die Juden ausgeplündert und ermordet?
Menschen kalkulierten kühl, dass ihre jüdischen Nachbarn abgeholt wurden, um in ihre Wohnungen zu gehen und sie zu plündern.
Rationalität ist nicht zwangsläufig gut.
Die meisten von denen sind aber auch wohl am Sonntag in die Kirche gegangen.
Natürlich ist stumpfe Rationalität nicht gut.
Dafür wurde der Humanismus und Empathie erfunden.
Klugschnacker
18.10.2017, 20:41
Offtopic:
Ich würde den Holocaust neben Völkermord auch als massenhaften, gezielten, bewussten Raubmord an Juden bewerten. ... Insofern finde ich Keko's Antwort sehr zutreffend.
Meinst Du nicht, dass diesem Morden und Rauben an den Mitbürgern zuvor eine ideologische Entrechtung und Entmenschlichung der jüdischen Bürger hat vorangehen müssen? Ich habe mir das zumindest immer so vorgestellt.
Rational war nur der Vollzug. Irrational und ideologisch die Legitimierung des Holocaust.
Aber: Die Wahl Hitlers als Produkt aufgeklärter Rationalität darzustellen liegt historisch total daneben. Den Juden wurde wegen einer irrationalen Ideologie Unrecht getan. Dein Beispiel der kühl kalkulierenden Plünderer finde ich in diesem Zusammenhang...pff.
Er war kein alleiniges Produkt, aber er hatte Profiteure um sich (Politiker, Geschäftsleute, Karrieremenschen) oder mobilisiert, die intelligent und rational berechnend waren.
Ich will noch ein anderes Beispiel nennen. Ich finde es vernünftig, dass es eine Obergrenze an Flüchtlingen gibt, die wir aufnehmen. Obwohl ich weiß, was das letztendlich für Flüchtlinge heißt. Flüchtlinge finden das womöglich unvernünftig oder egoistisch.
Worauf ich hinaus will: ebenso wie bei der Wahrheit, sehe ich keine absolute Vernunft oder kein völlig rationales Denken und Handeln für möglich an. Es ist immer nur subkejtiv und in einem bestimmten Kontext gültig.
Meinst Du nicht, dass diesem Morden und Rauben an den Mitbürgern zuvor eine ideologische Entrechtung und Entmenschlichung der jüdischen Bürger hat vorangehen müssen? Ich habe mir das zumindest immer so vorgestellt.
Rational war nur der Vollzug. Irrational und ideologisch die Legitimierung des Holocaust.
Sehe ich auch so.
Ich glaube es gib nur sehr wenige Leute die z.b. offen sich selbst gegenüber sagen würden (gegenüber anderen natürlich schon gar nicht):
"Ich will das Geschäft meines Nachbarn haben und dafür ist mir auch recht, dass dieser Nachbar abgeholt und ermordet wird."
Verbrecher ticken anders (zumindest die meisten). Die rechtfertigen ihre Taten.
Z.b. Bankräuber damit, dass ja gar keiner persönlich geschädigt wird. Kein Mensch Geld verliert wenn er die Bank ausraubt.
Ein Einbrecher geht davon aus, dass der Bestohlene seinen Schaden von der Versicherung ersetzt bekommt.
Oder der Verbrecher geht zumindest davon aus, dass der Geschädigte es selbst verdient hat, Opfer einer Tat zu werden usw. usw..
Er war kein alleiniges Produkt, aber er hatte Profiteure um sich (Politiker, Geschäftsleute, Karrieremenschen) oder mobilisiert, die intelligent und rational berechnend waren.
Ich will noch ein anderes Beispiel nennen. Ich finde es vernünftig, dass es eine Obergrenze an Flüchtlingen gibt, die wir aufnehmen. Obwohl ich weiß, was das letztendlich für Flüchtlinge heißt. Flüchtlinge finden das womöglich unvernünftig oder egoistisch.
Worauf ich hinaus will: ebenso wie bei der Wahrheit, sehe ich keine absolute Vernunft oder kein völlig rationales Denken und Handeln für möglich an. Es ist immer nur subkejtiv und in einem bestimmten Kontext gültig.
Hallo keko, könntest Du ein etwas verändertes Beispiel nennen, bei dem Du die Konsequenzen Deiner Handlungen selbst zu tragen hättest? Das wäre für mich anschaulicher als das Beispiel mit den Flüchtlingen.
Oder noch besser: Wie wäre es, wenn andere handeln, aber Du trägst die Konsequenzen? Würdest Du dann auf korrekte Fakten und zutreffende Logik bestehen? Oder würdest Du Dich weiter an der Irrationalität erfreuen? Vor allem würden mich Beispiele interessieren, bei denen die Konsequenzen für andere gut, für Dich jedoch schlecht wären, und bei denen außerdem die Fakten nicht stimmen.
Das entspräche dann ungefähr der Situation der Kirchen, womit wir wieder beim Thema wären.
Meinst Du nicht, dass diesem Morden und Rauben an den Mitbürgern zuvor eine ideologische Entrechtung und Entmenschlichung der jüdischen Bürger hat vorangehen müssen? Ich habe mir das zumindest immer so vorgestellt.
Rational war nur der Vollzug. Irrational und ideologisch die Legitimierung des Holocaust.
Es geht mir um die Motive für den Holocaust. Das zentrale Motiv bestand IMHO in der Enteignung des jüdischen Besitzes und der erst nach der Enteignung beschlossenen (Endlösung) Ermordung der Ausgeraubten, dem Völkermord. Sicher setzte der Antisemitismus, die vorausgegangene Entmenschlichung und die staatliche Entrechtung die Schwelle herab, jüdische Menschen zu berauben und später auszurotten, stellte selbst aber IMHO nicht das eigentliche Motiv für die Ausrottung dar. Die Juden hätten auch vertrieben werden können, ohne Enteignung und Ermordung. Das geschah nicht, weil man sie ihres gesamten Besitzes berauben wollte.
Ps.
Das Land Berlin besitzt heute noch Immobilienbesitz, der jüdischen Familien gehörte.
Dazu eine Ergänzung: Der Ermordung ging eine Vertreibung voraus. Wer nach Erlass der Nürnberger Rassengesetze ins Ausland ausreisen wollte, musste seinen gesamten Besitz dem Staat überschreiben, abgesehen von einem winzigen Taschengeld. Wer ins Ausland ging, ging praktisch mittellos.
Das ist einer der Gründe, warum die jüdischen Flüchtlinge in den Ländern (USA, Schweiz) höchst unwillkommen waren. Sie hatten kein Geld.
Schauen wir uns mal jene Bevölkerungsgruppen an, die über lange Zeit und systematisch verfolgt wurden (systematisch meint, dass eine ausgefeilte Begründungslogik vorhanden war), und die als Gruppe bestraft wurden (d.h. die schiere Zugehörigkeit war bereits ausreichend):
- Juden
- Hexen
- Homosexuelle.
Alle drei Gruppen unterscheiden sich als Individuuen nicht sonderlich von allen anderen. Was sie alle gemeinsam haben, ist eine Verdammnis in der Bibel, die rein auf religiöser Einbildung beruht. (Denn niemand hat eine Hexe jemals hexen sehen.)
Müssten wir nicht auch Gruppen finden, die ohne das Zutun der Bibel verfolgt wurden (systematisch, als Gruppe, über lange Zeit)? Aber wir finden keine.
Insofern finde ich die Frage, warum die Juden jetzt ganz genau verfolgt wurden, schwer verständlich. Die Juden wurden verfolgt, weil sie seit 2.000 Jahren verfolgt wurden. Es war Alltag. Es war nicht so, dass die Nazis plötzlich bei ein paar Bier eine witzige Idee hatten. Sondern sie griffen nur auf, was sowieso vorhanden war und verstärkten es.
Adolf Hitler war ein glühender Anhänger von Martin Luther (obwohl Hitler getaufter Katholik war). Luther war jedoch glühender und fanatischer Antisemit. Luthers Texte beschreiben die „Reichskristallnacht“ in allen Details; die Nazis haben es exakt so in die Tat umgesetzt. Zufälligerweise am Tag von Luthers Geburtstag.
Es geht mir um die Motive für den Holocaust. Das zentrale Motiv bestand IMHO in der Enteignung des jüdischen Besitzes und der erst nach der Enteignung beschlossenen (Endlösung) Ermordung der Ausgeraubten, dem Völkermord.
Sehe ich komplett anders.
Das Motiv war den Führungsanspruch der deutschen Rasse (wobei das die Sprache der Nazis ist, es gibt ja keine Rassen) gegenüber allen andere Völkern.
Durch die Entmenschlichung der Juden wurde ein entscheidendes Argument geliefert auch die Sovjetunion anzugreifen . Stichworte dazu „jüdischen Bolschewismus“ und "Weltjudentum". Der Krieg der angezettelt wurde richtet sich nach der Ideoligie, hauptsächlich gegen alle Länder die jüdisch unterwandert waren und das waren im Grunde alle anderen und es richtete sich grundsätzlich gegen die angebliche Unterwanderung auch Deutschlands selber durch das Judentum.
Der Jude war der Feind der zu bekämpfen war und der Jude war überall also musste man alles bekämpfen.
Die Enteignung der Juden,, bzw. deren Vertreibung insbesondere der Intelligenz war dabei im übrigen ja sogar kontraproduktiv. Mit den Juden hätte Deutschland viel besser und stärker da gestanden.
Das was man sich an realen Werten angeeignet hat war natürlich viel, relativ gesehen aber auch wenig, eigentlich Peanuts gegen die ganzen Kosten und Schäden die der Krieg verursacht hat.
Es ging nicht um ein paar Milliarden Reichsmark der Juden, es ging um die Vorherschaft der Deutschen gegenüber allen anderen und der Jude war hier der willkommene Sündenbock.
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Durch die Entmenschlichung der Juden wurde ein entscheidendes Argument geliefert auch die Sovjetunion anzugreifen . Stichworte dazu „jüdischen Bolschewismus“ und "Weltjudentum". Der Krieg der angezettelt wurde richtet sich nach der Ideoligie, hauptsächlich gegen alle Länder die jüdisch unterwandert waren und das waren im Grunde alle anderen und es richtete sich grundsätzlich gegen die angebliche Unterwanderung auch Deutschlands selber durch das Judentum.
Der Jude war der Feind der zu bekämpfen war und der Jude war überall also musste man alles bekämpfen.
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Es ging nicht um ein paar Milliarden Reichsmark der Juden, es ging um die Vorherschaft der Deutschen gegenüber allen anderen und der Jude war hier der willkommene Sündenbock.
es würde leider zu weit weg vom Thread führen, jetzt die Hintergründe des 2. Weltrkieges zu diskutieren und genauer abzuwägen, welche Rolle dabei der Antisemitismus im Vergleich zu den imperialistischen Antrieben beim Deutschen Reich spielte. (Rückgängigmachung des Versailler Vertrages z.B. bei der Eroberung Westeuropas, Deutschland als imperiale Grossmacht, deutsche Neuordnungspläne für Europa usf.). Mir ist auf jeden Fall kein Historiker bekannt, der die Auffassung vertritt, das Deutsche Reich hätte im 2. Weltkrieg die anderen Länder hauptsächlich wegen deren jüdischen Bevölkerung angegriffen.
es würde leider zu weit weg vom Thread führen, jetzt die Hintergründe des 2. Weltrkieges zu diskutieren ...
Trotzdem noch ein Wort: Du setzt (wie meist) auf einen materialistischen Erklärungsansatz. Ich meine, dass die Entmenschlichung des Feindes eine wichtige ideologische Voraussetzung ist und den materiellen Bestrebungen vorausgeht.
Die Idee, das Auserwählte Volk zu sein, bietet hier eine treffliche Basis für die Ausgrenzung.
Macht und Geld sind auch kräftige Triebfedern in der Menschheitsgeschichte. Aber Keko, das ist keine Erfindung der Aufklärung; die christliche Kirche hat seit ihrer frühen Geschichte gezeigt, wie man sich Macht und Reichtum sichert. Über Jahrhunderte angelehnt an absolutistische Herrschaftssysteme; heute in den westlichen Demokratien weichgespült, aber immer noch auf Seiten der Macht und des Geldes
es würde leider zu weit weg vom Thread führen, jetzt die Hintergründe des 2. Weltrkieges zu diskutieren und genauer abzuwägen, welche Rolle dabei der Antisemitismus im Vergleich zu den imperialistischen Antrieben beim Deutschen Reich spielte.
Es ging darum, ob Religion eine Ideologie ist, und dass sie auch jene Gefahren birgt.
Die Gefahr wird nicht begrenzt/gebannt durch kritisches Hinterfragen. Folglich kann es sich hochschaukeln zu jenen Katastrophen, wie sie der Zweite Weltkrieg und die vielen religiösen Kriege und Kreuzzüge darstellen. (Der Krieg zwischen Katholiken und Protestanten liegt auf Platz 2 der meisten Todesopfer, nur übertroffen durch den Zweiten Weltkrieg).
Die monotheistischen Religionen haben den Hauptinhalt, dass sie nicht hinterfragt werden dürfen; sondern der Glaube selbst ist das oberste Gebot. Zweifel oder Widerspruch wird mit den härtest möglichen Strafen der jeweiligen Epoche geahndet (Tod und Folter damals; ewiges Höllenfeuer, sobald Tod und Folger verboten waren).
Warum finden wir nirgends eine erfolgreiche Religion, in denen es eine Tugend ist, kritisch die (angeblichen) Fakten zu prüfen, auf denen die Religion beruht? Wie Arne so treffend ausgeführt hat: Nach dem Muster der Evolution gewinnen am Ende jene Religionen, welche die eigene Verbreitung als zentralen Inhalt haben.
Mir ist auf jeden Fall kein Historiker bekannt, der die Auffassung vertritt, das Deutsche Reich hätte im 2. Weltkrieg die anderen Länder hauptsächlich wegen deren jüdischen Bevölkerung angegriffen.
Geht es hier wirklich darum, warum andere Länder angegriffen wurden? Oder geht es darum, warum ein Volk sich plötzlich gegen Teile des eigenen Volkes wandte?
Warum wurden die Juden angegriffen, von ihren eigenen Nachbarn?
Geht es hier wirklich darum, warum andere Länder angegriffen wurden? Oder geht es darum, warum ein Volk sich plötzlich gegen Teile des eigenen Volkes wandte?
Warum wurden die Juden angegriffen, von ihren eigenen Nachbarn?
Ich dachte, es wäre klar, dass ich damit nur die Aussage von Mattf "Der Krieg der angezettelt wurde richtet sich nach der Ideoligie, hauptsächlich gegen alle Länder die jüdisch unterwandert waren ....." infrage stellte.
.........
Warum wurden die Juden angegriffen, von ihren eigenen Nachbarn?
Historisch belegt und dokumentiert:
Das allgemeine Publikum hingegen kann nachlesen, wie umfangreich der Raubzug gegen die Juden war und wer sich alles bereichert hat. Dies ist in der Tat eine der deprimierendsten Erkenntnisse, die das Buch liefert: Es haben sich Menschen aus allen Schichten beteiligt - vom Staatssekretär bis zur Bauersfrau -, sie haben sich an den Hinterlassenschaften der ausgeplünderten und deportierten Juden bereichert. Wobei es nach den Erkenntnissen der Autorin Meinl den Profiteuren in vielen Fällen durchaus bewußt war, was mit den Vorbesitzern - den rechtmäßigen Besitzern - geschehen war. Der hat doch die "Höllenfahrt nach Theresienstadt" angetreten, schreibt in einem Mietstreit einer der Beteiligten über den vormaligen jüdischen Eigentümer. Oder eine Bäuerin aus dem Vogelsberg will eine Schuld nicht begleichen mit dem Argument: "Der Jude hat doch nichts mehr davon."
Besonders augenfällig wird die Bereicherung breiter Schichten in den Versteigerungen, die überall in Zeitungen angekündigt wurden, häufig mit dem Zusatz: "Aus nichtarischem Besitz." Manchmal waren solche Versteigerungen allen Deutschen zugänglich, manchmal nur Kriegerwitwen oder Kinderreichen. Zuweilen hatten die Ausverkäufe Volksfestcharakter, das halbe Dorf oder die ganze Straße tauchte auf und ersteigerte billig Geschirr, Wäsche, Möbel. Welche Werte der jüdischen Bevölkerung vor und nach der Deportation abgenommen wurden, weiß niemand zu sagen. Wieviel in Form von Entschädigung nach dem Krieg zurückgezahlt wurde, ist ebenfalls nicht genau bekannt. Auf jeden Fall wurde deutlich mehr gestohlen als zurückerstattet.
Vor diesem Hintergrund wird die These mancher Historiker plausibel, daß das große Verdrängen im Nachkriegsdeutschland viel mit der Ausplünderung der Juden zu tun hatte. In unzähligen Haushalten standen nämlich Möbel aus jüdischem Besitz, in den Küchen fand sich günstig ersteigerter Hausrat aus Juden-Haushalten, vielerorts hatten Arier, die jetzt einfach wieder Deutsche waren, Schmuck, Teppiche und Kunstwerke aus früheren "Schnäppchenkäufen" bei sich zu Hause eingestellt. Man wollte nicht gern an den Massenmord an Juden erinnert werden - von dem viele in Form von Plünderungsgut aus jüdischem Besitz profitiert hatten.
http://www.faz.net/aktuell/rhein-main/region-und-hessen/viele-bereicherten-sich-an-juedischem-eigentum-1194031.html
Die Plünderung war ein Motiv. Einverstanden.
Aber warum die Juden?
Warum plünderte man nicht die Oberschicht oder den Klerus? Warum nicht die Banken oder Kaufhäuser?
Klugschnacker
18.10.2017, 23:58
Das allgemeine Publikum hingegen kann nachlesen, wie umfangreich der Raubzug gegen die Juden war und wer sich alles bereichert hat. Dies ist in der Tat eine der deprimierendsten Erkenntnisse, die das Buch liefert ...
Ja, das ist wirklich äußerst deprimierend. :(
Mir fällt es schwer, über diese Dinge zu streiten. Vermutlich geht es Euch ähnlich.
.... Ich meine, dass die Entmenschlichung des Feindes eine wichtige ideologische Voraussetzung ist und den materiellen Bestrebungen vorausgeht.
Sehe ich eher wie Brecht, "erst kommt das Fressen, dann die Moral." ;)
Klugschnacker
19.10.2017, 00:07
Die Plünderung war ein Motiv. Einverstanden.
Aber warum die Juden? Warum plünderte man nicht die Oberschicht oder den Klerus? Warum nicht die Banken oder Kaufhäuser?
Sehe ich eher wie Brecht, "erst kommt das Fressen, dann die Moral." ;)
Jörns Frage bleibt damit aber offen. Wie würdest Du sie beantworten? Warum die Juden?
Mir ist auf jeden Fall kein Historiker bekannt, der die Auffassung vertritt, das Deutsche Reich hätte im 2. Weltkrieg die anderen Länder hauptsächlich wegen deren jüdischen Bevölkerung angegriffen.
Nicht wg.. Die Juden waren der Sündenbock. Es war die idiotische Begründung die man finden musste, wieso es gerecht war (aus Sicht der deutschen Rasseidiologie) den Rest der Welt anzugreifen.
Man hätte auch andere Sündenböcke finden können.
Das Motiv war sicher nicht die paar Milliarden Vermögen der Juden.
Hallo keko, könntest Du ein etwas verändertes Beispiel nennen, bei dem Du die Konsequenzen Deiner Handlungen selbst zu tragen hättest? Das wäre für mich anschaulicher als das Beispiel mit den Flüchtlingen.
Oder noch besser: Wie wäre es, wenn andere handeln, aber Du trägst die Konsequenzen? Würdest Du dann auf korrekte Fakten und zutreffende Logik bestehen? Oder würdest Du Dich weiter an der Irrationalität erfreuen? Vor allem würden mich Beispiele interessieren, bei denen die Konsequenzen für andere gut, für Dich jedoch schlecht wären, und bei denen außerdem die Fakten nicht stimmen.
Das entspräche dann ungefähr der Situation der Kirchen, womit wir wieder beim Thema wären.
Ich verstehe deine Frage nicht. Ansonsten würde ich sie beantworten versuchen.
Ich wollte nur folgendes sagen: auch aus vernünftigen Gründen oder rationalen kann man quasi schrekckliches begründen. Ein Atomkrieg kann Überbevölkerung verhindern. Dass der größte Teil der Menscheit in Armut lebt, ist vernünftig, weil wir sonst die Ressourcen der Erde komplett verbrauchen.
Meiner Ansicht nach kennt die Natur keine Vernunft. Sie entsteht in unseren Köpfen und ist somit relativ.
Die Plünderung war ein Motiv. Einverstanden.
Aber warum die Juden?
Warum plünderte man nicht die Oberschicht oder den Klerus? Warum nicht die Banken oder Kaufhäuser?
Der von Keko zitierte Nachbar eignete sich das fremde, jüdische Eigentum erst an, nachdem die Staatsmacht dieser Volksgruppe den Besitz sukzessive wegnahm. Diese Staatsmacht wurde in Teilen von der Oberschicht, den Banken, Unternehmern unterstützt bzw. sie kooperierten mit ihr in Erwartung von Extraprofiten.
@Mattf
Das geraubte Vermögen besass für den Staat durchaus erhebliche Relevanz. So führt dieser Bericht aus Berlin an, dass im Haushaltsjahr vor Kriegsbeginn ca. 9 % (!) der Reichseinnahmen von den Sondersteuern und der Teilenteignung der Juden kamen.
"Entsprechend stammten im letzten Haushaltsjahr vor Kriegsbeginn mindestens neun Prozent der Reichseinnahmen aus der fiskalischen Diskriminierung und Teilenteignung der jüdischen Bevölkerung. Mit ihnen konnte ein Staatsbankrott des Deutschen Reichs Ende 1938 abgewendet und die Kriegspläne finanziert werden."
holocaust-forschung-wie-berliner-finanzbehoerden-juedisches-eigentum-raubten (http://www.tagesspiegel.de/berlin/holocaust-forschung-wie-berliner-finanzbehoerden-juedisches-eigentum-raubten/14903980.html)
Diese Ausstellung vermittelte einen Eindruck, wie in Thüringen die Juden ab 1933 ausgeraubt wurden. Statt "Enteignung" und "Raub" erfanden die Nazis dafür den Begriff der sog. "Arisierung" von jüdischem Besitz.
der-grosse-raub (http://www.zentralratdjuden.de/de/article/3504.der-gro%C3%9Fe-raub.html)
Einen Überblick über die geraubten jüdischen Vermögen in Europa durch den Holocaust findet man hier:
Holocaust. Die Bilanz der materiellen Schoah (http://www.hagalil.com/2012/07/schoah-12-04/)
"Scheurenberg untersucht auch, wie das geraubte Eigentum zur Deckung der Kriegsausgaben verwendet wurde. Die vorgelegten Daten zeigen, dass allein der Raub jüdischen Vermögens in Deutschland (ohne den Wert der Zwangsarbeit etc.) fast die gesamte Aufrüstung der Wehrmacht vor dem Zweiten Weltkrieg und 7 Prozent des gesamten Kriegshaushalts finanzierte."
Klugschnacker
19.10.2017, 10:14
Ich verstehe deine Frage nicht. Ansonsten würde ich sie beantworten versuchen.
Jörn wollte wissen, ob Du irrationale Handlungen auch dann gutheißen würdest, wenn sie zu Deinem Nachteil geschehen. Oder ob Du in diesem Fall auf nachvollziehbare Begründungen wert legen würdest.
Zum Beispiel, wenn man Dir in folgenden Themenfeldern rational nicht begründete Vorschriften machen würde:
- Gebrauch von Verhütungsmitteln
- Sexuelle Selbstbestimmung von Dir und Deinen Familienmitgliedern
- religiöse Vorschriften zur Ernährung
- religiöse Bekleidungsvorschriften
- Amputationen an den Geschlechtsorganen Deiner Kinder
- religiöse Beschränkungen bei der Wahl des Ehepartners
- religiöse Beschränkungen von Meinungs-, Rede- und Pressefreiheit
- allgemeine Rechtsprechung nach religiösen Vorschriften
- und so weiter
Würdest Du auch hier das Irrationale als notwendiges Element des Menschseins begrüßen, wo Du selbst von den Konsequenzen betroffen bist? Das ist etwas anderes, solange nur Schwule oder Ausländer betroffen sind.
(Dies nur zur Erläuterung dessen, was gefragt war. Mir ist schon klar, dass Du die Fragen allesamt verneinen wirst).
:Blumen:
Klugschnacker
19.10.2017, 10:20
... die geraubten jüdischen Vermögen in Europa durch den Holocaust ...
Unglaublich. Und wir Deutsche stellen uns heute an, wenn wir die Gedenkstätte in Auschwitz finanziell unterstützen sollen.
:(
tandem65
19.10.2017, 10:46
Nicht wg.. Die Juden waren der Sündenbock. Es war die idiotische Begründung die man finden musste, wieso es gerecht war (aus Sicht der deutschen Rasseidiologie) den Rest der Welt anzugreifen.
Und ich dachte es ging im Osten gegen den Bolschewismus und um die Kornkammer im Osten.
Das ist das schöne hier im TS-Forum, da hat es immer wieder neue Erkenntnisse.
Der von Keko zitierte Nachbar eignete sich das fremde, jüdische Eigentum erst an, nachdem die Staatsmacht dieser Volksgruppe den Besitz sukzessive wegnahm. Diese Staatsmacht wurde in Teilen von der Oberschicht, den Banken, Unternehmern unterstützt bzw. sie kooperierten mit ihr in Erwartung von Extraprofiten.
..
Das geraubte Vermögen besass für den Staat durchaus erhebliche Relevanz.
Diesen Satz belegst Du treffend. Der ideologische Grund ist jedoch schon seit 1500 Jahren christlicher Kirchengeschichte gelegt; ich halte es für eine verkürzte Sicht, dass Hitler das nutzte, um Geld zu machen. Er griff eine Haltung auf, die es schon lange gab. Die ideologische (christliche) Grundlage, dass Juden in die Verdammnis kommen, war eine "willlkommene" Basis zur Stigmatisierung und Enteignung. Ein Beispiel unter sehr vielen: (der in diesem thread schonmal für seinen angeblichen Gottesbeweis zitierte) Thomas von Aquin: "Auch darin begeht die Kirche kein Unrecht, dass sie, da die Juden Sklaven der Kirche sind, über deren Güter verfügen kann ".
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Wenn die ideologische Grundlage tief eingepflanzt in den Köpfen sitzt, ist es leicht, genau in dieser Bevölkerungsgruppe zu Mord und Raub überzugehen.
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Papst Pius XII nahm bekanntlich auch keine ruhmreiche Haltung ein ("Lieber Freund, vergessen Sie nicht, dass in den deutschen Heeren Millionen Katholiken sind. Soll ich sie in Gewissenskonflikte bringen?")
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Hier mal ein unkonventioneller Standpunkt zu Gottesurteilen im Mittelalter: Die haben besser funktioniert als man vermuten sollte, weil sie die Unschuldigen dazu brachten, sich dem Urteil Gottes auszuliefern und die Schuldigen dazu, sich vorab schuldig zu bekennen.
Why the trial by ordeal was actually an effective test of guilt (https://aeon.co/ideas/why-the-trial-by-ordeal-was-actually-an-effective-test-of-guilt)
The only ones who know for sure whether a defendant is guilty or innocent are the defendant himself and God above. Asking the defendant to tell us the truth of the matter is usually useless: spontaneous confessions by the guilty are rare. But what if we could ask God to tell us instead? And what if we did? And what if it worked?
Das soll nun bitte nicht als Verbesserungsvorschlag meinerseits für die Juristerei verstanden werden. :)
Jörn wollte wissen, ob Du irrationale Handlungen auch dann gutheißen würdest, wenn sie zu Deinem Nachteil geschehen. Oder ob Du in diesem Fall auf nachvollziehbare Begründungen wert legen würdest.
...
Würdest Du auch hier das Irrationale als notwendiges Element des Menschseins begrüßen, wo Du selbst von den Konsequenzen betroffen bist? Das ist etwas anderes, solange nur Schwule oder Ausländer betroffen sind.
...
Ich habe meine Meinung zu verschiedenen Themen und meine Toleranzgrenze ist fließend. Wenn du Jörg den Kopf abschlägst, müssen wir nicht diskutieren, ob ich das begrüße oder nicht. Bezügliche Homeehe habe ich meine Meinung geäußert dahingehend, dass ich ihr neutral gegenüber stehe, ich aber die Adoption von Kindern mit gemischten Gefühlen sehe. Den Zuzug von vielen Flüchtlingen sehe ich ebenso kritisch. Darüber kann man vernünftig diskutieren und Argumente austauschen. Das haben wir ja auch gemacht, mehr oder weniger.
Mit fällt nur oft auf, dass die Gegenseite oftmals ebenso sachliche und vernünftige Argumente aufbringt und ich mich nicht entscheiden möchte, wer nun den richtigen Weg hat.
Ich habe selbst schon oft erlebt, dass ich aus meiner Sicht einer Kette von vernünftigen Entscheidungen gefolgt bin und trotzdem in einer Sackgasse landete.
Eine Welt, die rein auf dem Versuch fußt, vernünftige und rationale Entscheidungen zu treffen, stelle ich mir nicht sonderlich erstebenswert vor. Aber vielleicht liege ich auch da falsch ;-)
Hallo keko, es geht nicht darum, dass jemand eine rationale Begründung vorlegt. Sondern es geht darum, dass er es nicht tut.
Ich finde, Du könntest durchaus die von Arne genannten Beispiele beantworten. Würdest Du eine rationale Begründung verlangen, wenn jemand Dir verbindliche Vorschriften für Dein Privatleben macht? Oder würdest Du die Begründung akzeptieren, es handele sich um ein irrationales Gefühl, welches nicht weiter erläutert werden kann?
Würdest Du beispielsweise Deine Tochter mit einem 88-jährigem Guru verheiraten, wenn dieser es damit begründet, dass er nach dem Verzehr eines Pilzragouts ein flaues Gefühl hatte?
Hallo keko, es geht nicht darum, dass jemand eine rationale Begründung vorlegt. Sondern es geht darum, dass er es nicht tut.
Ich finde, Du könntest durchaus die von Arne genannten Beispiele beantworten. Würdest Du eine rationale Begründung verlangen, wenn jemand Dir verbindliche Vorschriften für Dein Privatleben macht? Oder würdest Du die Begründung akzeptieren, es handele sich um ein irrationales Gefühl, welches nicht weiter erläutert werden kann?
Würdest Du beispielsweise Deine Tochter mit einem 88-jährigem Guru verheiraten, wenn dieser es damit begründet, dass er nach dem Verzehr eines Pilzragouts ein flaues Gefühl hatte?
Das war überhaupt nicht mein Punkt. Es ging mir darum, dass es aus meiner Sicht oftmals mehrere rationale und vernünftige Entscheidungsmöglichkeiten gibt.
Diesen Satz belegst Du treffend. Der ideologische Grund ist jedoch schon seit 1500 Jahren christlicher Kirchengeschichte gelegt; ich halte es für eine verkürzte Sicht, dass Hitler das nutzte, um Geld zu machen.
Nicht zu vergessen: Hitler war Katholik. Und schon haben wir einen gigantischen Glaubenskrieg Katholiken gegen Juden. Diese steile These kam hier im Thread ja schon mal auf. :Lachen2:
Das war überhaupt nicht mein Punkt. Es ging mir darum, dass es aus meiner Sicht oftmals mehrere rationale und vernünftige Entscheidungsmöglichkeiten gibt.
Das ist trivial, es gibt stets mehrere Entscheidungsmöglichkeiten, die man rational begründen kann. Was soll daran interessant sein?
Du hast geschrieben, dass Du irrationale Entscheidungen ebenso für legitim hältst, weil Deine persönlichen Entscheidungen, die Du vermeintlich rational getroffen hattest, sich gelegentlich als falsch herausgestellt hatten. Irrationale Entscheidungen sind also legitim.
Daher stellt sich die Frage, ob Du irrationale Entscheidungen auch dann legitim findest, wenn andere Leute sie zu Deinem Schaden treffen. Würdest Du dann auf einer rationalen Begründung bestehen?
Die Frage wurde bereits mehrfach gestellt, aber offenbar möchtest Du sie nicht beantworten. Wir sollten das einfach akzeptieren, den Punkt aufs Debattenkonto der Atheisten verbuchen, und zum nächsten Thema weitergehen. Es ist eine einfache Frage, und es lohnt nicht, den Thread damit aufzuhalten.
Noch ein weiterer Punkt: Nur weil eine Entscheidung rational begründet wurde, muss sie deswegen nicht richtig sein. Sollte sie falsch sein, heißt das jedoch nicht, dass ein irrationaler Entscheidungsweg richtig gewesen wäre.
:Blumen:
Du hast geschrieben, dass Du irrationale Entscheidungen ebenso für legitim hältst, weil Deine persönlichen Entscheidungen, die Du vermeintlich rational getroffen hattest, sich gelegentlich als falsch herausgestellt hatten. Irrationale Entscheidungen sind also legitim.
Daher stellt sich die Frage, ob Du irrationale Entscheidungen auch dann legitim findest, wenn andere Leute sie zu Deinem Schaden treffen. Würdest Du dann auf einer rationalen Begründung bestehen?
Es gibt rationale Entscheidungsfindungen, halbrationale, irrationale, intuitive, subjektive usw. Ich wende verschiedene an, soweit ich das steuern und überblicken oder beinflußen kann. Sich ständig bockelhart auf rationale Entscheidungen zu versteifen, ist meiner Meinung nach eine Einschränkung. Mehr wollte ich nicht sagen.
Dann stellt sich die Frage, ob Du irrationale Entscheidungen auch dann legitim findest, wenn andere Leute sie zu Deinem Schaden treffen. Würdest Du dann auf einer rationalen Begründung bestehen?
Dann stellt sich die Frage, ob Du irrationale Entscheidungen auch dann legitim findest, wenn andere Leute sie zu Deinem Schaden treffen. Würdest Du dann auf einer rationalen Begründung bestehen?
Ist etwas zu meinem Schaden, gehe ich immer dagegen an. Egal ob sie auf einem Gesetzestext fußt oder aus dem Bauch raus entschieden wurde.
Klingt für mich völlig rational.
Wie würdest Du gegen Schäden angehen, die religiös begründet werden? Etwa mit einer Regel aus einem religiösen Buch? Oder aufgrund einer religiösen Tradition?
Sorry, wenn ich hier hartnäckig wirke. Ich versuche es nur zu verstehen.
:Blumen:
Nicht zu vergessen: Hitler war Katholik. Und schon haben wir einen gigantischen Glaubenskrieg Katholiken gegen Juden. Diese steile These kam hier im Thread ja schon mal auf. :Lachen2:
Ich verstehe, worauf Du hinaus willst. Hitlers Weltbild entstand nicht nur aus seiner christlichen Gläubigkeit. Mit Deiner launigen Bemerkung lässt sich aber die große christliche Tradition der Judenfeindlichkeit, die den Boden für entsprechende Diskriminierung legt, nicht so eben wegbügeln, meine ich.
Es gibt rationale Entscheidungsfindungen, halbrationale, irrationale, intuitive, subjektive usw. Ich wende verschiedene an, soweit ich das steuern und überblicken oder beinflußen kann.
Wenn du eine Entscheidung zu treffen hast und es gibt zwei Meinungen wie diese Entscheidgung zu treffen ist, eine rationale eine irrationale, welche nimmst du?
Trimichi
20.10.2017, 12:40
Rational ist immer das, was ein irrationales Subjekt als rational erachtet. Im Übrigen gelten Rationalisierungen im Rahmen der Psychoanalyse als Ich-Abwehrmechanismus. Etwas allgemeiner handelt es sich um Verdrängung. Man könnte auch vom Schatten sprechen.
Rational ist immer das, was ein irrationales Subjekt als rational erachtet.
Rationalität gibt es also gar nicht oder ist beliebig?
Es ist auch völlig wurscht ob ich der Meinung bin, die Erde wurde vor 6000 Jahren von Gott erschaffen und irgendwann mal alles Leben bis das auf der Arche zerstört oder ob ich der Meinung bin, die Erde ist 4.5 Milliarden Jahre alt.
Beides ist gleichwertig?
Wie würdest Du gegen Schäden angehen, die religiös begründet werden? Etwa mit einer Regel aus einem religiösen Buch? Oder aufgrund einer religiösen Tradition?
Religiöse Gründe betrachte ich nicht anders als nicht-religiöse. Tradition hat für mich einen gewissen Stellenwert, so ist meine Toleranz demgegenüber etwas höher.
Mal ein Beispiel: Ich möchte meine Schwester heiraten. Angenommen wir können keine Kinder mehr bekommen (also keine größere Gefahr für Erbschäden). 95% der Gesellschaft spricht sich dagegen aus, kann aber keine rationalen Gründe nennen. Dann heirate ich sie halt nicht.
Wenn du eine Entscheidung zu treffen hast und es gibt zwei Meinungen wie diese Entscheidgung zu treffen ist, eine rationale eine irrationale, welche nimmst du?
Irrational != verrückt, vorausgesetzt.
Oft tatsächlich die irrationale. Ich habe erfahren, dass ich damit besser fahre. (wobei es dann wohl auch schon wieder keine irrationale ist).
Trimichi
20.10.2017, 13:03
Rationalität gibt es also gar nicht oder ist beliebig?
Es ist auch völlig wurscht ob ich der Meinung bin, die Erde wurde vor 6000 Jahren von Gott erschaffen und irgendwann mal alles Leben bis das auf der Arche zerstört oder ob ich der Meinung bin, die Erde ist 4.5 Milliarden Jahre alt.
Beides ist gleichwertig?
Wie kann ein irrationales Wesen rationale Entscheidungen treffen, die alle anderen, ebenso irrationalen Wesen als rational erkennen? Im Fachjargon spricht man von intersubjektiver Validierung.
Ist es rational einer alten Frau über die Straße zu helfen? Wenn die Erde 4.5 Milliarden Jahre alt ist, so kann man auch alle anderen Gebote der Menschlichkeit über Bord werfen?
Neginroeb
20.10.2017, 13:04
Rationalität gibt es also gar nicht oder ist beliebig?
Es ist auch völlig wurscht ob ich der Meinung bin, die Erde wurde vor 6000 Jahren von Gott erschaffen und irgendwann mal alles Leben bis das auf der Arche zerstört oder ob ich der Meinung bin, die Erde ist 4.5 Milliarden Jahre alt.
Beides ist gleichwertig?
Rationalität ist abgeleitet von ratio; also Berechnung oder Vernunft. Wer rechnen kann wird meinen, die Erde ist 4,5 Milliarden Jahre alt; bei der Vernunft eigentlich auch, aber es kann schon sehr subjektiv sein, was vernünftig ist..
Trimichi
20.10.2017, 13:15
Wenn man also davon ausgeht, dass in der hl. Schrift einige Aussagen nicht richtig sind, wie kann man dann davon ausgehen, dass deswegen die Kirche falsch gehandelt hat?
Das ist wissenschaftlich gesprochen nicht nur dünn, sondern als Begründung ungenügend.
Rationalität ist abgeleitet von ratio; also Berechnung oder Vernunft. Wer rechnen kann wird meinen, die Erde ist 4,5 Milliarden Jahre alt; bei der Vernunft eigentlich auch, aber es kann schon sehr subjektiv sein, was vernünftig ist..
In der Mathematik sind die irrationalen Zahlen eine Zahlenerweiterung der rationalen. Jeder rechnet und nutzt sie (angefangen beim Kreis), keiner kann sie sich vorstellen. Ähnlich sehe ich das beim Bewußtsein oder den Entscheidungsfindungen.
Wie erkennt man nun, wenn eine irrationale Annahme falsch ist? Braucht man dafür nicht rationale Prüfungen und Maßstäbe? Und zeigt das nicht, dass die Entscheidungen von vornherein rational waren — spätestens jedoch, wenn sie mit der Realität konfrontiert werden?
Ein System, in dem alles immer nur richtig ist, ist ein Wahnsystem. Wenn alles möglich und erlaubt ist, ist es Nonsense. Mindestens muss eine minimale Unterscheidung in richtig und falsch (oder eher richtig und eher falsch) vorhanden sein, denn ansonsten wäre jede Annahme immer wahr, und ebenso ihr Gegenteil.
Ich glaube nicht, dass jemand in diesem Thread ein solches Wahnsystem lebt.
Stattdessen denke ich, dass wir es hier mit einer simplen Immunisierungsstrategie zu tun haben: Man will einfach nicht mit kritischen Argumenten behelligt werden, weder von anderen, noch von einem selbst. Aber instinktiv achtet man auf den eigenen Vorteil.
Man romantisiert die eigene Irrationalität, lehnt aber die der anderen brüsk ab. Ja, der gute Jesus... das muss man mit dem Herzen sehen, nicht mit dem Verstand. Aber wehe, es rückt jemand mit Allah und der Scharia an, dann ist es aus mit dem Herzen und der Romantik. Man empört sich. Wir sind schließlich ein Rechtsstaat?!
Natürlich entscheiden wir viel aus dem Bauch heraus. Aber unser Gehirn wacht darüber, dass wir es nicht zu weit treiben. Zumindest ist uns klar, was der Maßstab für Erfolg oder Mißerfolg ist, sodass wir unsere Entscheidung revidieren können, wenn sie sich später als falsch herausstellen sollte. Unsere irrationalen Entscheidungen sind also nur vorläufig und müssen sich bewähren. Diese Prüfung ist ein Indiz dafür, dass irrationale Entscheidungen sich in einem Rahmen abspielen, der von der Ratio abgesteckt und bewacht wird.
Neginroeb
20.10.2017, 15:11
Man romantisiert die eigene Irrationalität, lehnt aber die der anderen brüsk ab. Ja, der gute Jesus... das muss man mit dem Herzen sehen, nicht mit dem Verstand. Aber wehe, es rückt jemand mit Allah und der Scharia an, dann ist es aus mit dem Herzen und der Romantik. Man empört sich. Wir sind schließlich ein Rechtsstaat?!
Natürlich entscheiden wir viel aus dem Bauch heraus. Aber unser Gehirn wacht darüber, dass wir es nicht zu weit treiben. Zumindest ist uns klar, was der Maßstab für Erfolg oder Mißerfolg ist, sodass wir unsere Entscheidung revidieren können, wenn sie sich später als falsch herausstellen sollte. Unsere irrationalen Entscheidungen sind also nur vorläufig und müssen sich bewähren. Diese Prüfung ist ein Indiz dafür, dass irrationale Entscheidungen sich in einem Rahmen abspielen, der von der Ratio abgesteckt und bewacht wird.
Das stimmt, aber in Bezug auf Jesus ist es in unserem Kulturkreis sicher eher rational, sich eher auf christliche Werte zu beziehen als auf die Scharia.
Dann ist es also rational?
Eben gehörte es noch zu den irrationalen Dingen. Was denn nun?
:Blumen:
Mein Argument besteht darin, dass vermeintlich Irrationales bei genauerem Hinsehen gar nicht so irrational ist. Es stehen durchaus rationale Absichten, Wünsche oder Erwartungen dahinter, bei denen man sich auch täuschen kann. Die Erkenntnis, dass man sich getäuscht hat, ist rational. Man kann ein irrationales Ziel verfolgen und scheitern. Die Erkenntnis des Scheiterns ist rational.
Man kann irrationale Wünsche verfolgen, und erkennen, dass es ab einem Punkt zu gefährlich, zu teuer oder zu aussichtslos wird. Das sind rationale Leitplanken, die auch das irrationale Handeln begrenzen.
Wenn ein Fehlschlag zumindest theoretisch möglich ist, handelt es sich zwangsläufig um ein (zumindest in diesem Punkt) rationales System. Was nicht bedeutet, dass die getroffenen Annahmen oder Entscheidungen automatisch richtig sind. Ein Ritter, der sich aufgrund eines Gebetes für unverwundbar hielt, handelte rational, als er ganz besonders unerschrocken in die Schlacht zog. Jedoch bestand jederzeit die Möglichkeit, dass er seinen Irrtum erkannte, als sich die Dinge anders als gewünscht entwickelten. Das Erkennen das Irrtums aufgrund eines Abgleichs mit der Realität ist rational.
Der eigentliche Knackpunkt ist vielleicht gar nicht, was als rational oder irrational gilt, sondern was als rational empfunden wird, jedoch irrational ist. Hier liegt ein Irrtum und eine Gefahr.
Der Papst empfindet es als völlig rational, eine Predigt darüber zu halten, welche Geister und Dämonen seinem Kopf zuerst besetzen, dann verlassen und zum Schluss wieder zurückkehren. Er gibt auch präzise Auskunft über die Anzahl dieser Dämonen, was ich als Anzeichen für Rationalität werte.
Würde der Papst zuerst mitteilen, dass es sich hier um eine völlig irrationale, rein subjektive Empfindung handelt, würde sich niemand darum kümmern; außer vielleicht sein Therapeut. Aber stattdessen verkündet er, es handele sich hier um eine völlig rationale Tatsachenbehauptung.
Das unterscheidet sich von Dingen, die uns völlig irrational erscheinen, und die wir auch in diesem Bereich des Irrationalen belassen wollen; beispielsweise Liebe. keko bezieht sich immer auf diesen Bereich des Irrationalen, wenn ich ihn richtig verstanden habe. Hier ist es tatsächlich müßig, zu pedantisch mit Tatsachen zu argumentieren.
Die Behauptungen der christlich-jüdisch-islamischen Religionen sind jedoch rational. Dass Jesus existierte und Gottes Sohn war/ist, ist eine rationale Annahme. Der Grund jedoch, warum die Gläubigen dieser Auffassung sind, ist irrational. Er hält keiner faktischen oder logischen (also rationalen) Prüfung stand. Die Gläubigen empfinden ihre Religion jedoch als rational.
Wenn wir also über Irrationalität debattieren, sollten wir diese Schnittmenge im Auge behalten: Dinge, die als rational empfunden werden, jedoch irrational sind.
In der Mathematik sind die irrationalen Zahlen eine Zahlenerweiterung der rationalen. Jeder rechnet und nutzt sie (angefangen beim Kreis), keiner kann sie sich vorstellen. Ähnlich sehe ich das beim Bewußtsein oder den Entscheidungsfindungen.
Jetzt spielst du mit Worten.
Eine Kreisumfang mit der irrationalen Zahl Pi zu bestimmen ist doch keine irrationale Handlung, auch wenn man sich die Zahl nicht vorstellen kann, was aber auch nicht stimmt, man kann die Zahl Pi berechnen bis zu X. Stellen.
Was kann ich mir da nicht vorstellen?
Irrational wäre es statt Pi, 4 pder 5 oder eine andere Zahl zu benutzen, weil man sagt die wäre schöner oder mit einer sonstigen kruden Begründung.
MfG
Matthias
Helmut S
23.10.2017, 12:00
Servus Arne!
Ich habe den Eindruck, dir hierzu (s.u.) noch wenigstens eine Reaktion schuldig zu sein. Sorry das es so lange gedauert hat :Blumen:
[...]
Doch eine Ideologie kann sich auch zum Nachteil einer Gruppe entwickeln und damit erfolgreich sein. Zur Erläuterung ein Beispiel:
[...]
Ich tue mich sehr schwer mit der Vorstellung, dass Ideologien ohne die Menschen zu betrachten wären. Wobei ich nicht mal genau weiß, ob du das sagen hast wollen. :Blumen: Ich denke Ideologien sind das Ergebnis des Denkens des Menschen. Beobachten wir also eine Evolution einer Ideologie, liegt dem immer auch eine Evolution des Denkens zugrunde. Entwickelt sich dann eine Ideologie zum Nachteil einer Gruppe, heißt das ja nix anderes, dass sich das Denken der Gruppe - oder wenigstens ein Teil davon - zum Nachteil der gesamten Gruppe oder eines Teils davon entwickelt hat. Aus welcher Position, nach welchen Kriterien und mit welcher Gewichtung dann "Vorteile" oder "Nachteile" zu bewerten sind, ist m. E. unglaublich speziell und zum Teil hoch komplex.
Ich bin überhaupt der Meinung, dass an der einen oder anderen Stelle in der Diskussion in diesem Thread das "Wesen" des Menschen unberücksichtigt bleibt. Das gilt für das Individualpsychologische genauso wie für das Sozialpsychologische, also für den Menschen in der Gruppe und der sich daraus ergebenden (psychologischen) Dynamik.
Man sollte aber, wenn man über die Welt spricht wie wir sieh sehen, auch immer über den Menschen in seiner Unvollkommenheit und seiner "Irrationalität" sprechen denke ich.
LG Helmut
Eine Kreisumfang mit der irrationalen Zahl Pi zu bestimmen ist doch keine irrationale Handlung, auch wenn man sich die Zahl nicht vorstellen kann, was aber auch nicht stimmt, man kann die Zahl Pi berechnen bis zu X. Stellen.
Was kann ich mir da nicht vorstellen?
Irrational wäre es statt Pi, 4 pder 5 oder eine andere Zahl zu benutzen, weil man sagt die wäre schöner oder mit einer sonstigen kruden Begründung.
MfG
Matthias
pi ist sogar eine transzendente Zahl. Ich könnte versuchen eine Brücke zur Tanszendenz zu bilden, hätte ich gerade die Zeit dazu :Lachen2:
Es gibt genug Geschichten über pi, so dass sich in ihr jede beliebige Zahlenkombination findet usw.
Gestern sah ich eine interessante Reportage über "Dunkle Materie". Irrationale Zahlen, dunkle Materie usw., das sind so spannende Dinge, dass es schade ist, dass ich einer Erwerbstätigkeit nachgehen muss, um nicht mehr Zeit zu haben, um mich genauer damit zu beschäftigen.
Aus meinem bescheidenen Horizont heraus bleibt da noch genug Platz für einen "Gott". :Lachen2:
Aus meinem bescheidenen Horizont heraus bleibt da noch genug Platz für einen "Gott". :Lachen2:
Und für ein fliegendes Spaghettimonster.
Und für ein fliegendes Spaghettimonster.
Auch für fliegende Jungfrauen. Laß uns denkende Säugetiere mal 300.000 Jahre alt sein. Das ist aus Sicht der Evolution extrem kurz. Ich gehe davon aus, dass auch zukünftige höhere Säugetiere noch vieles entdecken werden.
Gestern sah ich eine interessante Reportage über "Dunkle Materie". (...) Aus meinem bescheidenen Horizont heraus bleibt da noch genug Platz für einen "Gott".
Hallo keko, Du beschreibst, dass Du Dich nicht genug mit „Dunkler Materie“ befassen könntest, und dass es für Dich so scheint, als sei da noch genug Platz für Gott.
Warum richtest Du Dich nicht nach jenen Wissenschaftlern, die sich tatsächlich der Erforschung dieser Dinge widmen? Diese sehen dort nämlich überhaupt keinen Gott. Schon allein deswegen nicht, weil niemand eine klare Vorstellung hat, was „Dunkle Materie“ und „Gott“ überhaupt sein sollen.
Es ist einfach das Festklammern an dem alten Trick, dass man Gott nicht aufgeben muss, solange man sich einreden kann, dass es noch irgendwo ein Versteck für „ihn“ gibt. Es ist eine der vielen Immunisierungsstrategien, die darin besteht, Gott stets in jene Bereiche zu verschieben, die unbekannt sind.
Auch für fliegende Jungfrauen.
Nein, für fliegende Jungfrauen gibt es keine Möglichkeiten mehr auf der Erde. Die Tatsache, dass es im All sowas wie „Dunkle Materie“ gibt, bedeutet keineswegs, dass hier auf der Erde irgendeine geheimnisvolle Materie existieren könnte, die wir noch nicht entdeckt haben.
Denn die Physik, welche die irdische Materie beschreibt, und die sich in Größenordnungen abspielt, die für unser Leben relevant sind, ist komplett bekannt und erforscht. Fliegende Jungfrauen sind ausgeschlossen.
Klugschnacker
23.10.2017, 16:54
Aus meinem bescheidenen Horizont heraus bleibt da noch genug Platz für einen "Gott". :Lachen2:
Ja, zumindest kann man es nicht ausschließen. Vielleicht stoßen wir irgendwann auf ein "Etwas", das wir heute unbeholfen mit "Gott" bezeichnen.
Zwei Einschränkungen gehen mir dazu durch den Kopf:
Die Wahrscheinlichkeit dafür schwindet mit jeder weiteren Erkenntnis, die sich in das naturwissenschaftliche Weltbild einfügt. Denn ganz gleich, wo wir auch suchen, überall finden wir das Wirken der Naturgesetze. Nach mehreren Jahrhunderten Erforschung der Natur schwindet die Wahrscheinlichkeit, dass wir noch auf ein Wunder stoßen werden.
Speziell die Existenz des christlichen Gottes ist sehr fraglich. Damit meine ich nicht eine abstrakte Kraft oder ein Wirkungsprinzip, sondern eine übernatürliche Wesenheit mit genau jenen Eigenschaften, welche die Christen ihrem Gott zusprechen. Als da wären: Güte, Allmacht, Allwissenheit, sowie sein ganz persönlicher Bezug zu jedem einzelnen Menschen. Er erhört Gebete und bewertet die Rechtgläubigkeit jedes Menschen.
Die Existenz dieses ganz bestimmten Gottes ist sehr unwahrscheinlich, weil die Eigenschaften der realen Welt nicht zu einem allmächtigen, allwissenden und gütigen Gott passen. Die Wahrscheinlichkeit ist hingegen sehr groß, dass es sich beim christlichen Gott um eine Erfindung der Menschen handelt. In der gleichen Weise, wie es sich bei den Menschenrechten um eine menschliche Erfindung auf der Basis abstrakter Wertvorstellungen handelt.
Klugschnacker
23.10.2017, 17:14
Fliegende Jungfrauen sind ausgeschlossen.
Angenommen, zukünftige Erkenntnisse über die Physik würden fliegende Jungfrauen ermöglichen. Wäre damit etwas gewonnen?
Für mich würde sich vor allem die Frage stellen, wo die jungfräuliche Maria am Ende der Flugreise ankam.
Für die Menschen der Antike war der Himmel ein konkreter Ort über unseren Köpfen. Das ist heute nicht mehr der Fall. Vom Himmel haben wir, wenn überhaupt, eine viel abstraktere Vorstellung. Sie lässt sich nicht mehr vereinbaren mit der Vorstellung, dass Marias Leichnam von der Erde abhob, die Atmosphäre durchquerte, das Schwerefeld der Erde verließ und schließlich irgendwo landete.
Falls sich also Marias Flugreise bewahrheitete, würde aus dem Himmel eine Farce.
Für mich würde sich vor allem die Frage stellen, ob die Jungfrau auch im Himmel noch Jungfrau bleibt.
Denkt mal drüber nach. Ein Himmel, in dem nach Ewigkeiten noch Jungfrauen zu finden sind... besonders hübsch sind die vermutlich nicht.
Und Internet gibt‘s wahrscheinlich auch nicht.
Nein danke!
Für mich würde sich vor allem die Frage stellen, ob die Jungfrau auch im Himmel noch Jungfrau bleibt.
Seit Hefner tot ist: Keine Chance mehr.
:Lachanfall: :Lachanfall: :Lachanfall: :Lachanfall:
Hat schon das Wort "Jungfrau" nicht mit Sexismus zu tun ? Ist ja momentan in aller Munde.
Bei genauem hinblicken, könnte man sagen, das man das Wort abschafft oder zumindest verurteilt, da es Frauen in einen Zustand, sexueller Erlebnisse einstuft.
Wenn es jemand nicht verstanden hat, lag es an mir. Vergesst es einfach :Lachen2:
Zum lachen ist es dennoch nicht. :confused:
Warum richtest Du Dich nicht nach jenen Wissenschaftlern, die sich tatsächlich der Erforschung dieser Dinge widmen? Diese sehen dort nämlich überhaupt keinen Gott. Schon allein deswegen nicht, weil niemand eine klare Vorstellung hat, was „Dunkle Materie“ und „Gott“ überhaupt sein sollen.
Ich schaue mir gern entsprechende populärwissenschaftliche Sendungen an und lese darüber, wenn ich Zeit habe. Kürzlich sah ich einen Abriss der Evolution. Vom ersten Fisch, der an Land ging, bis zum Menschen, der über sich selbst nachdenkt. Zwar wurden die einzelnen Schritte schlüssig und sachlich erklärt (wie es halt in nur 45min möglich ist), aber das "Gesamtkonzept" finde ich schon wunderbar. Je mehr ich darüber erfahre, desto schöner finde ich es.
Ich erinnere mich an den Prof in Zahlentheorie von vor fast 30 Jahren. Er konnte dir alles haarklein erklären und war trotzdem (oder deshalb?!) von seinem Fachgebiet begeistert, dass es ansteckend war. Es kann also sehr wohl sein, dass man mit mehr an Wissen die wahre Genialität, Schönheit und Wunder erst begreift.
Ja, ich finde ebenso, dass die Dinge durch Wissen nicht entzaubert werden, sondern meist an Zauber hinzugewinnen.
Von Gläubigen wird diese Tatsache allerdings gerne verdreht. Es läuft darauf hinaus, dass die Wissenschaft uns lediglich die Augen öffnet dafür, wie gewaltig die Schöpfung Gottes aussieht, um ihn deswegen noch begeisterter anzubeten.
Das ist jedoch eine völlige Verdrehung der wissenschaftlichen Befunde. Denn die Befunde sagen, dass Gott in diesem Spektakel erstens nicht sichtbar und zweitens völlig überflüssig ist. Was die Wissenschaft nämlich findet, sind Zwangsläufigkeiten und Kausalitäten. Es sind Wirkungsketten: Eins folgt aus dem anderen, alles ist erklärbar, nichts ist übernatürlich.
Die Wissenschaft sagt, dass die Schöpfung gewaltig ist, aber auch, dass es ohne Schöpfer funktioniert. Eben darin besteht der Zauber.
Wenn Du Dich also auf die Wissenschaft oder alte Mathe-Professoren berufst, dann solltest Du hinzufügen, dass diese nie irgendetwas Übernatürliches oder Göttliches gefunden haben — nicht mal das winzigste Fitzelchen. Deren Begeisterung ergibt sich aus eben dieser Tatsache: dass Geniales entstehen kann, ohne dass ein genialer Schöpfer existiert. Das ist die Faszination.
Hallo Jörn,
ich schätze Dein Wissen, Deine Argumente und Deine Hartnäckigkeit. Und ich teile oft Deine Meinung. In diesem Punkt sehe ich jetzt etwas anders. Zwar fasziniert auch mich, wie die moderne Naturwissenschaft in immer weitere und tiefere Bereiche vordringt und Erklärungen liefert. Auch halte ich die Existenz eines Schöpfergottes im christlichen Sinne für naiv ego- bzw. anthropozentrisch. Andererseits zeigt uns die Geschichte auch, dass die Menschen schon oft dachten, jetzt verstanden zu haben, was „die Welt im Innersten zusammenhält“. Insofern erscheint mir die Ansicht, dass alles erklärbar ist, auch sehr optimistisch. Unser heutiges Wissen enthält sicherlich viele Thesen und Modelle, die das Potenzial in sich tragen, später einmal als veraltet betrachtet zu werden. Wir erklären die Welt wahrscheinlich immer genauer, mit immer treffenderen Modellen; und doch bleibt, denke ich, manches offen, weil jede Erklärung innerhalb von Modellvorstellungen stattfindet. Alles erklärbar ja, aber immer nur als Modell innerhalb unserer jeweiligen zeitgemäßen Denkgrenzen.
Eins folgt aus dem anderen, alles ist erklärbar, nichts ist übernatürlich.
Ich glaube was Jörn hier meint ist, dass angeblich Übernatürliche Dinge alle letztlich ganz rational erklärt werden konnten.
Ich glaube nicht dass Jörn meint, insbesondere unsere Generation oder die nächsten hundert Jahre, könnten alles erklären oder es wäre letztlich alles erklärbar.
Die Naturwissenschaft kann allerdings tausende Dinge bei weitem plausibler erklären, als Religionen und Religionen fallen regelm durch den Plausibilitästüv
MfG
Matthias
Die Wissenschaft sagt, dass die Schöpfung gewaltig ist, aber auch, dass es ohne Schöpfer funktioniert. Eben darin besteht der Zauber.
Funktionieren ja.
Aber was initial der Auslöser war, ob es überhaupt einen gab, ob wir das mit unseren Mitteln überhaupt erfassen können usw, das sind ja die eigentlich spannenden Fragen.
Jedes Kind bringt die Wissenschaft an seine Grenzen ("und was war davor und davor und warum ????")
Funktionieren ja.
Aber was initial der Auslöser war, ob es überhaupt einen gab, ob wir das mit unseren Mitteln überhaupt erfassen können usw, das sind ja die eigentlich spannenden Fragen.
Jedes Kind bringt die Wissenschaft an seine Grenzen ("und was war davor und davor und warum ????")
Die Frage ist was bringt uns der Anwort (oder den Antworten näher)? In der Bibel lesen oder Wissenschaft zu betreiben?
In der Bibel lesen bringt uns meiner Meinung nach nur dazu, nicht zu sein wie das Kind. Keine Fragen mehr zu stellen, da dort ja alles schlüssig und abschließend erklärt ist.
MfG
Matthias
Ich glaube was Jörn hier meint ist, dass angeblich Übernatürliche Dinge alle letztlich ganz rational erklärt werden konnten.
Ich glaube nicht dass Jörn meint, insbesondere unsere Generation oder die nächsten hundert Jahre, könnten alles erklären oder es wäre letztlich alles erklärbar.
Die Naturwissenschaft kann allerdings tausende Dinge bei weitem plausibler erklären, als Religionen und Religionen fallen regelm durch den Plausibilitästüv
ich stimme alldem zu
Funktionieren ja.
Aber was initial der Auslöser war, ob es überhaupt einen gab, ob wir das mit unseren Mitteln überhaupt erfassen können usw, das sind ja die eigentlich spannenden Fragen.
Jedes Kind bringt die Wissenschaft an seine Grenzen ("und was war davor und davor und warum ????")
Ist das dann automatisch ein Grund, übernatürliche Gottgestalten zu erfinden? Mir erschließt sich die Zwangsläufigkeit dafür nicht.
LidlRacer
26.10.2017, 14:10
Ich glaube nicht dass Jörn meint, insbesondere unsere Generation oder die nächsten hundert Jahre, könnten alles erklären oder es wäre letztlich alles erklärbar.
Im Prinzip ist wahrscheinlich alles erklärbar. Bei Dingen, die zeitlich, räumlich oder größenmäßig (z.B. subatomar) weit weg von uns sind, ist es nur extrem schwierig, alle dazu nötigen Informationen zu finden.
Dafür, dass es so schwierig sind, sind wir aber schon erstaunlich weit vorangekommen.
Die Frage ist was bringt uns der Anwort (oder den Antworten näher)? In der Bibel lesen oder Wissenschaft zu betreiben?
Es sind doch Jörn und Klugschnacker, die ständig aus der Bibel zitieren. Ich arbeite im naturwissenschaftlich-technischen Umfeld und habe eine entsprechende Ausbildung, wie Millionen andere auch. Ich frage lediglich, oder habe es versucht und irgendwann hier aufgegeben, ob der persönliche Glaube "Vorteile" und seine Berechtigung hat und ob ein Glaube an "Übernatürliches" womöglich neue Wege und Sichtweisen eröffnet.
schoppenhauer
26.10.2017, 18:38
„It would be easier to believe in God. Then you could wake up and yawn and stretch and grin at a world that was put together on a plan of mercy and death, punishment for evil, joy for good, and if the game was crazy at least it had rules.“ Don Carpenter
Yepp - so schaut’s aus! :liebe053:
Ich würde gerne erläutern, was ich damit meine, wenn ich behaupte, dass fliegende Jungfrauen ausgeschlossen sind, und dass diese Frage eindeutig und abschließend beantwortet werden kann, und dass auch zukünftige Erkenntnisse daran nichts ändern werden.
Hier ist meine These: Jene Physik, die jene Materie beschreibt, die unser tägliches Leben und dessen Objekte ausmachen, ist mittlerweile komplett bekannt.
Man beachte, dass für die obige These jedes Wort wichtig ist. Es geht um Physik, nicht um Biologie. Es geht um Materie. Es geht um eine bestimmte Größenordnung, nämlich Atome und die daraus geformten Moleküle (nicht jedoch um Quantenphysik). Es geht also um das, was wir anfassen und sehen können, beispielsweise fliegende Jungfrauen. Es geht um irdische Materie und nicht um "Dunkle Materie" irgendwo im Weltall.
Diese Art von Materie ist von geringer Komplexität: Ein Proton, ein Elektron. Zwei Protonen, zwei Elektronen. Die Anzahl der möglichen Kombinationen ist überschaubar, zumal es eine maximale Anzahl an Bausteinen gibt, da sonst das Atom instabil wird und zerfällt.
Wir wissen deswegen, welche Atome es im Prinzip geben kann. Es geht nicht darum, sie zu "finden". Sondern allein die Kenntnis der Systematik sagt uns, ob noch "Platz" ist für weitere, unbekannte Atome.
Hintergrund:
Nehmen wir an, ich hätte zwei Atome: eins mit zwei Protonen, und eins mit drei Protonen. Ist es möglich, dass irgendwann ein Atom entdeckt wird, welches dazwischen liegt, etwa mit zweieinhalb Protonen? Nein, das ist nicht der Fall. Es gibt keine "halben" Protonen. Entweder sind es zwei oder drei (oder vier oder fünf).
Diese Systematik ist auch experimentell belegt. Denn in den Teilchenbeschleunigern können diese Atome nach Belieben erzeugt werden, indem man die Energiemenge variiert. Man erhält dann alle möglichen Atome, jeweils mit einer bestimmten Menge an Protonen/Neutronen und Elektronen. Es ist so, als würde man den Drehregler eines Verstärkers immer weiter aufdrehen, um jede nur mögliche Lautstärke zu durchlaufen, in allen möglichen Zwischenstufen, von ganz leise bis ganz laut. Wir haben bereits jede mögliche Energiestufe untersucht, und wir wissen daher genau, welche Materie es gibt.
Jungfrauen können sich also nicht darauf berufen, eine andere Art von Materie zu haben, die wir noch nicht entdeckt hätten. Denn jede prinzipiell mögliche Art von Materie (die auf der Erde eine Rolle spielt und die mindestens die Größe von Atomen hat) wurde bereits entdeckt und erzeugt. Lücken kann es nicht geben, da es keine "halben" Protonen oder Neutronen gibt. Es ist ein Baukastensystem, bei dem es nur wenige Bausteine gibt. Wir kennen die möglichen Kombinationen. Dies ist also ein Bereich, den die Wissenschaft tatsächlich abschließend beurteilen kann.
Die Eigenschaften aller Atome bez. der Gravitation, speziell im Wüstensand rund um Jerusalem, sind also bekannt. Um die Erde zu verlassen, ist eine Geschwindigkeit von 11 km pro Sekunde erforderlich (40.320 km/h). Dabei wünsche ich viel Vergnügen.
Würde sich diese Geschwindigkeit überhaupt reduzieren, wenn wir ein ganz besonders leichtes Atom finden würden, welches uns noch unbekannt ist? Nein. Die Geschwindigkeit ist für eine Feder genauso hoch wie für einen Bagger. Sie hängt nämlich nicht von der Feder oder vom Bagger ab. Sondern von der Erde. Und wenn sich die Erde ändern sollte, dann wirkt sich das auf alle Atome aus, die auf der Erde herumkrabbeln. Also entweder fliegt niemand -- oder alle.
Sorry! Keine fliegenden Jungfrauen!
Trotzdem allen einen schönen Morgen!
:Blumen:
Ich frage lediglich, oder habe es versucht und irgendwann hier aufgegeben, ob der persönliche Glaube "Vorteile" und seine Berechtigung hat und ob ein Glaube an "Übernatürliches" womöglich neue Wege und Sichtweisen eröffnet.
Zum gefühlt 1 Milliardsten Mal:
Es steht hier NICHT DER PERSÖNLICHE Glaube in der Kritik. Lieber Keko, ich halte Dich für so schlau, dass Du das tatsächlich kapieren kannst, wenn Du Dich ein ganz kleines bisschen anstrengst. Sorry, wenn ich hier jetzt wieder einmal überdeutlich werde.
Das haben sowohl Arne, als auch Jörn als auch andere vielfach geschrieben, dass es nicht darum geht, wer woran konkret glaubt. Jeder kann an übernatürliche Dinge, andere Dimensionen, Parallelwelten, Götter und Superhelden glauben in seinen eigenen vier Wänden, in seinem Verein, mit Gleichgesinnten.
Wir kritisieren hier eine riesige Institution, die uns im Laufe der Jahrhunderte ihren Glauben aufs Auge gedrückt hat und diesen für sich instrumentalisiert, unvorstellbaren Einfluss nimmt auf das gesellschaftliche Leben, uns die Kohle aus der Tasche zieht im Namen eines Gottes, dessen Anwesenheit nicht bewiesen werden kann... Selbst die Amerikanische Banknote kommt nicht ohne einen Gott aus... "In god we trust" steht drauf. Sollen wir das wirklich kritiklos hinnehmen?
Für den persönlichen Glauben braucht man keine verd***** Kirche. Auch ohne so eine Kirche kannst Du sicher mit Deinem höchst persönlichen Glauben Deinen eigenen Horizont erweitern und an übernatürliches glauben. Da bin ich mir sicher. :Blumen:
Beantwortet das Deine Frage nun endlich final?
Sorry für meine schlechte Laune am frühen morgen...
*it´s friday... weekend...*
Beispiel:
Ist Glück planbar? Wovon hängt das ab? Ist der Glaube daran, dass man Glück haben kann, nicht auch etwas, um den eigenen Horizont zu erweitern?
Wenn wir daran glauben, dass wir Glück haben (könnten), hilft es zum Beispiel dabei, ein bisschen zu träumen... Tagträume zu erleben... Es ist also etwas, das uns hilft und nützt.
Ich frage lediglich, oder habe es versucht und irgendwann hier aufgegeben, ob der persönliche Glaube "Vorteile" und seine Berechtigung hat und ob ein Glaube an "Übernatürliches" womöglich neue Wege und Sichtweisen eröffnet.
Ich kenne nicht ein Beispiel bei mir wo das so gewesen wäre.
Hast du ein konkretes Beispiel?
Ich frage lediglich, oder habe es versucht und irgendwann hier aufgegeben, ob der persönliche Glaube "Vorteile" und seine Berechtigung hat und ob ein Glaube an "Übernatürliches" womöglich neue Wege und Sichtweisen eröffnet.
Ja, womöglich eröffnet es neue Wege und Sichtweisen. Aber warum erfährt man nichts über diese Wege und Sichtweisen? Das liegt ja nicht an den bösen Atheisten, sondern daran, dass die Gläubigen zuverlässig verstummen, sobald man sie danach befragt.
Sobald Klugschnacker nach konkreten Beispielen für „religiöse Erkenntnisse“ oder „übernatürliche Phänomene“ fragt, verstummt der Thread oder man hört nur Ausflüchte, warum man dazu nichts sagen will.
Selbst wenn man nach jenen Dingen fragt, die von den Gläubigen immer als ihr eigenes Territorium ausgerufen werden, herrscht Stille. Blättere ein paar Seiten zurück und überzeuge Dich vom völligen Scheitern der Gläubigen, etwas Greifbares zur Sinnfrage beizusteuern, obwohl immer behauptet wird, nur der Glaube und das Übersinnliche könnten diese Frage beantworten. Sobald man interessiert danach fragt, schlagen sich alle in die Büsche.
Es sind nicht die Atheisten, die diese Fragen zurückweisen. Sondern es sind die Gläubigen, die keine Antworten geben.
Deswegen kommen die „neuen Wege und Sichtweisen“ auch längst nicht mehr von den Gläubigen, sondern von modernen Ethikern und Wissenschaftlern. Wissenschaft ist ganz besonders geeignet, neue Erkenntnisse aufzunehmen. Beispielsweise die Erkenntnis, dass die Erde nicht das Zentrum des Komos und der Mensch nicht das Ziel der Biologie ist. Beides änderte den Blick auf uns und die Welt fundamental. Wo hat je irgendein „Glaube“ solche radikalen Umschwünge herausgefordert? Und so schnell?
Ich würde gerne über „neue Wege und Sichtweisen“ sprechen, und falls Du das ebenfalls möchtest, werde ich brav zuhören und mich damit beschäftigen. :bussi:
Trimichi
27.10.2017, 08:57
Arne,
du hattest mich vor ein paar Wochen hier im Thread gefragt, auf welcher Seite ich stände. Ich denke, mit etwas Abstand zur Diskussion, dass ich empfindlich reagiere, wenn man sagt die Wissenschaft sei das nonplusultra, weil ich glaube, dass es etwas höheres gibt als den Menschen. Daraus leitet sich eine gewisse Demut ab. Allerdings will ich dir und auch Jörn nicht unterstellen, dass du nicht auch an etwas größeres glaubst bzw. dir vorstellen kannst, dass es - was auch immer es sein mag - etwas gibt, dass sich unserem Denken, Vorstellungsvermögen, will sagen unserem Verständnis entzieht. In der (eurer) wissenschaftlichen Beschreibung der Welt kommt es so rüber, als ob man für alles eine Erklärung habe, und falls nicht, dann läge das daran weil die Zeit noch nicht reif ist also die notwendigen Messinstrumente oder techn. Apparaturen noch nicht erfunden wurden. Zudem wäre Wissenschaft per se gut.
Natürlich sind in der Bibel viele Inhalte heute widerlegt. Verstehe nicht warum man sich darüber so empören kann...? Den christlichen Glauben deswegen als redundant zu verfechten und durch Wissenschaft zu ersetzen wird solange funktioniere bis sich der Mensch von der Sinnentleerung losgesagt hat bzw. losgesagt wird. Bald wir es mit unserer Hybris vorbei sein, sage nicht ich, sondern Stephen Hawkings, da wir den Planeten zerstört haben werden. Während Gläubige an Demut und Bescheidenheit usw. appellieren, proklamieren Wissenschaftler wie Hawkings in seiner Doktorarbeit die Besiedelung neuer Planeten.
Wie gesagt, ich denke, und womöglich liege ich falsch, dass es etwas größeres als den Menschen gibt.
VG
Während Gläubige an Demut und Bescheidenheit usw. appellieren (...)
Hier ein Eindruck dieser Demut und Bescheidenheit:
http://img.ev.mu/images/attractions/3511/960x640/405897.jpg
http://m.faz.net/media1/ppmedia/video/3939912279/1.237801/width610x580/papst-benedikt-xvi-waehrend.jpg
http://www.einstein-gymnasium-vk.de/fileadmin/Einstein-Gymnasium-VK/Medien/Nachrichten/Unsere_Schule/Albert_Einstein/einstein.jpg
Ergänzend zu Jörns Post mal zwei Zitate:
"Kirche ... neigt ... dazu, einmal erworbenes Gut und erworbene Positionen zu verteidigen. Die Fähigkeit zu Selbstbescheidung und Selbstbeschneidung ist nicht in der richtigen Weise entwickelt."
(Joseph Kardinal Ratzinger in dem Buch "Salz der Erde", Stuttgart 1996, S. 185)
"Wissen Sie, was das größte Problem der Kirche in Deutschland ist? Sie hat zu viel Geld." (Joseph Kardinal Ratzinger in einem Interview mit dem Philosophen Robert Spaemann, zit. nach Die Welt, 29.9.2011)
Helmut S
27.10.2017, 09:47
Mensch[/B] ... neigt ... dazu, einmal erworbenes Gut und erworbene Positionen zu verteidigen. Die Fähigkeit zu Selbstbescheidung und Selbstbeschneidung ist nicht in der richtigen Weise entwickelt."
Ich hab's ausgebessert. ;) Das Problem ist auch hier, dass das Wesen des Menschen verleugnet wird. Stattdessen schiebt der Mensch (in dem Fall: Ratzinger) Unpersönliches in den Vordergrund. In dem Fall: "die Kirche". "Die Kirche neigt dazu..." was für ein Käse! Wer ist denn die Kirche? Ja wohl die Menschen. Die ganze Diskussion um Gott, Kirche, Religion - ja überhaupt über alles was des Menschen in Tat, Ding und Gedanke ist - taugt meines Erachtens nichts, solange sie (die Diskussion) sich nicht auch mit dem Wesen des Menschen befasst.
LG Helmut :Blumen:
Wie gesagt, ich denke, und womöglich liege ich falsch, dass es etwas größeres als den Menschen gibt.
VG
Das mag ja sein.
Nur ist das mit 99.9999%iger Sicherheit nicht der Gott der Christen und auch nicht die 5000 anderen Götter der div. Religionen die es gibt oder gab.
Das sind alles rein menschliche Erfindungen.
Kein Mensch hat das Größere bis jetzt gesehen und wenn es einer behauptet ist es Selbsttäuschung.
MFG
Matthias
Trimichi, Du schreibst, dass Religionen sich legitimerweise mit dem beschäftigen, was über den Menschen hinausgeht (oder hinausgehen könnte). Das mag sein. Aber sind sie dabei auch erfolgreich?
Alle großen Religionen beschäftigen sich mit dem Sinn. Aber sie scheiterten daran, tatsächlich einen Sinn zu finden.
Die Religionen postulieren Demut und Bescheidenheit, aber sie scheiterten daran, diese tatsächlich umzusetzen. Der Klerus zeichnet sich durch das exakte Gegenteil aus. Nicht nur materiell. Sondern auch intellektuell. Zu behaupten, man sei im Besitz absoluter Wahrheiten ist alles andere als bescheiden.
Die Religionen verkünden, dass Wissenschaft nicht die einzige Quelle der Erkenntnis sein kann. Aber sie scheiterten daran, eigene Methoden der Erkenntnis zu entwickeln. Praktisch alle Behauptungen in der Bibel über die Beschaffenheit der Welt sind falsch. Das gleiche gilt für den späteren katholischen Katechismus, den noch späteren Protestantismus oder alle anderen religiösen Schriften der letzten 3.000 Jahre. Alle diese Schriften sind von vorne bis hinten falsch. Irgendwas muss zwangsläufig mit der Methode der Erkenntnisgewinnung falsch sein.
Ob die Ziele der Religionen nun ehrenvoll oder wünschenswert sind oder nicht: Sie sind schlicht gescheitert, diese Ziele zu erreichen. Der Papst weiß nichts, und auch alle anderen Kleriker wissen nichts. Warum geben wir das nicht einfach zu?
Trimichi, Du suchst womöglich echte, ewige Wahrheiten. Das ist gut. Aber warum kommst Du zu dem Ergebnis, dass ausgerechnet irgendeine Religion diese Wahrheiten gefunden hätte oder finden wird? Dafür gibt es nirgendwo das kleinste Indiz. Religionen sind genau in diesem Punkt der Wahrheitsfindung und der Sinnfindung gescheitert.
Klugschnacker
30.10.2017, 18:41
Arne,
du hattest mich vor ein paar Wochen hier im Thread gefragt, auf welcher Seite ich stände. Ich denke, mit etwas Abstand zur Diskussion, dass ich empfindlich reagiere, wenn man sagt die Wissenschaft sei das nonplusultra, weil ich glaube, dass es etwas höheres gibt als den Menschen.
Da will ich mich gar nicht einmischen. Vielleicht gibt es etwas höheres, vielleicht auch nicht. Letztlich laufen diese Überlegungen darauf hinaus, was wir unter "etwas" und "höher" verstehen wollen?
Ich setze in meiner Argumentation ein paar Etagen tiefer an. Ich behaupte, dass es den ganz speziellen Gott des Alten und des Neuen Testaments aller Wahrscheinlichkeit nach nicht gibt. Es gibt zahlreiche Argumente, die dieser einfachen Aussage ein erdrückendes Gewicht verleihen.
Ich sage ferner, dass alle Päpste, Kardinäle, Bischöfe etc. nichts über die Götter wissen und wissen können – außer über jene, die sie und Ihresgleichen selbst erfunden haben.
Ich finde, das ist ein kompakter, klar umrissener Standpunkt. Ich maße mir nicht an, die Welt erklären zu können; ich bin nicht sicher, ob die Naturwissenschaft sie irgendwann wird erklären können. Vielleicht ja, vielleicht nein.
In der (eurer) wissenschaftlichen Beschreibung der Welt kommt es so rüber, als ob man für alles eine Erklärung habe, und falls nicht, dann läge das daran weil die Zeit noch nicht reif ist also die notwendigen Messinstrumente oder techn. Apparaturen noch nicht erfunden wurden. Zudem wäre Wissenschaft per se gut.
Ich sehe beides nicht so. Wissenschaft ist weder gut noch schlecht, genauso wie der Schwarzwald weder gut noch schlecht ist. Man kann mit Hilfe oder zum Zwecke der Wissenschaft jedoch schlimme Dinge tun. Oder gute.
Die Wissenschaft hat auch nicht für alles eine Erklärung. Sie schreitet allmählich voran. An welche Grenzen sie dabei stoßen wird, wissen wir nicht. Wissenschaft ist aber keine Seelsorge und keine Philosophie. Diese Erwartung sollte man nicht an sie haben.
:Blumen:
Ich möchte die stillen Mitleser gerne darauf hinweisen, dass wir hier auf eine klassische Strohmann-Debatte einbiegen.
Das Strohmann-Argument besteht darin, dass die Wissenschaft keinesfalls alles erklären kann — ja, vielleicht gibt es Dinge, die der Wissenschaft prinzipiell und für immer entzogen bleiben.
Jedoch steht die Wissenschaft überhaupt nicht zur Debatte. Die Wissenschaft hat überhaupt nie behauptet, alles und jedes erklären zu können (oder zu wollen). Zur Debatte steht, ob die Religion es kann.
Die Religion kann ihre Daseinsberechtigung nicht daraus ableiten, dass die Wissenschaft nicht alles erklären würde. Sondern die Religion muss selbst zutreffende Erklärungen anbieten.
Dass die Wissenschaft zutreffende Erklärungen anbietet, steht völlig außer Frage, auch wenn noch viele Dinge offen bleiben. Aber kann man das auch über die Religionen sagen? Welche religiöse Erklärung hat sich bisher als zutreffend herausgestellt? Gibt es wenigstens eine einzige religiöse Erklärung, die sich in den letzten 3.000 Jahren als zutreffend herausgestellt hat? Nö.
Dass in religiösen Debatten überhaupt darüber debattiert wird, wer die beste Erklärung geben könne, ist eine grandiose Chuzpe. Denn die Religionen erklären überhaupt nichts. Sich ausgerechnet auf diesem Feld einen Wettstreit mit der Wissenschaft liefern zu wollen, zeigt eine unbekümmerte Unverfrorenheit, die geradezu zum Markenzeichen des Klerus geworden ist.
Ich würde also empfehlen, im Verlauf der Debatte auf folgendes zu achten:
Wird der gleiche strenge Maßstab, der an die Wissenschaft angelegt wird, auch an die Religion angelegt? Verlangen die Gläubigen von der Religion, dass sie alles erklären kann? Oder ist das plötzlich kein Kriterium mehr, sobald es um die eigene Religion geht?
Werden irgendwelche religiösen Erkenntnisse genannt, um zu belegen, dass Religionen überhaupt zu Erkenntnissen fähig sind?
Anlässlich des 500. Jubiläums Luthers 95 Thesen als Anschläge an die Kirche, wollte ich kurz mal erwähnen, wen wir da so feiern (https://www.theologe.de/martin_luther_juden.htm). Ich möchte damit lediglich darauf aufmerksam machen. War Martin Luther (https://www.theologe.de/theologe3.htm) überhaupt ein Reformator des Christentums? Sicher ja, aber nicht unbedingt zum besseren.
Ein paar Zitate:
Darum, wo du einen rechten Juden siehst, magst du mit gutem Gewissen ein Kreuz für dich schlagen und frei und sicher sprechen: Da geht ein leibhaftiger Teufel. (Weimarer Ausgabe LIII, S. 479, zit. nach Landesbischof Martin Sasse, Martin Luther über die Juden: Weg mit ihnen!, a.a.O., S. 5)
Die Juden sind junge Teufel, zur Hölle verdammt. (Erlanger Ausgabe XXXII, S. 276, zit. nach Landesbischof Martin Sasse, Martin Luther über die Juden: Weg mit ihnen!, a.a.O., S. 13)
Wenn ich einen Juden taufe, will ich ihn an die Elbbrücke führen, einen Stein an den Hals hängen und ihn hinab stoßen und sagen: Ich taufe dich im Namen Abrahams. (Tischreden, Nr. 1795; an den Theologen Justus Menius; dies hat Luther offenbar im Hinblick auf diejenigen Juden gesagt, die sich seiner Meinung nach die kirchliche Taufe "erschleichen", indem sie innerlich "Juden" blieben)
Wenn du siehst oder denkst an einen Juden, so sprich bei dir selbst also: Siehe, das Maul, das ich da sehe, hat alle Sonnabend meinen lieben Herrn Jesu Christ, der mich mit seinem teuren Blut erlöst hat, verflucht und vermaledeit und verspeit; dazu gebeten und geflucht vor Gott, dass ich, mein Weib und Kind und alle Christen erstochen und aufs jämmerlichste untergegangen wären, wollst selber gerne tun, wo er könnte, dass er unsere Güter besitzen möchte. Hat auch vielleicht heute dieses Tages vielmal auf die Erde gespeit über dem Namen Jesu (wie sie pflegen), dass ihm der Speichel noch in Maul und Bart hängt, wo er Raum hätte zu speien. Und ich sollte mit solchem verteufelten Maul, essen, trinken und reden, so möchte ich aus der Schüssel oder Kanne mich voller Teufel fressen und saufen als der ich mich gewiss damit teilhaftig machte aller Teufel, so in den Juden wohnen, und das teure Blut Christi verspeien. Da behüte mich Gott vor. (Von den Juden und ihren Lügen, Erstausgabe Wittenberg 1543, S. 95)
Weil sie es aber öffentlich nicht vermögen zu tun, bleiben sie gleichwohl im Herzen unsere täglichen Mörder und blutdürstigen Feinde. Solches beweist ihr Beten und Fluchen und so viele Historien, da sie Kinder gemartert und allerlei Laster geübt, darüber sie oft verbrannt und verjagt worden sind. (Von den Juden und ihren Lügen, Erstausgabe Wittenberg 1543, S. 99)
Wo du einen Juden siehst oder reden hörst, da denke nichts anderes als dass du einen giftigen Basilisken [= schlangenartiges mordendes Fabeltier] hörst, der auch mit seinem Gesicht die Leute vergiftet und tötet. (Weimarer Ausgabe LIII, S. 446, zit. nach Landesbischof Martin Sasse, Martin Luther über die Juden: Weg mit ihnen!, a.a.O., S. 4)
Martin Luthers Sieben-Punkte-Programm der “scharfen Barmherzigkeit“ zur “Entladung von der Judenlast“
Erstlich, dass man ihre Synagoga oder Schulen mit Feuer anstecke und was nicht brennen will, mit Erde überhäufe und beschütte, dass kein Mensch einen Stein oder Schlacken davon sehen ewiglich. Und solches soll man tun unserem Herrn und der Christenheit zu Ehren, damit Gott sehe, dass wir Christen seien ...
Zum anderen, dass man auch ihre Häuser desgleichen zerbreche und zerstöre. Denn sie treiben dasselbige drinnen, was sie in ihren Schulen treiben. Dafür mag man sie etwa unter ein Dach oder einen Stall tun ...
Zum dritten, dass man ihnen nehme alle ihre Betbüchlein ...
Zum vierten, dass man ihren Rabbinern bei Leib und Leben verbiete, hinfort zu lehren ...
Zum fünften, dass man den Juden das Geleit und Straße ganz und gar aufhebe. Denn sie haben nichts auf dem Lande zu schaffen, weil sie nicht Herrn noch Amtleute noch Händler oder desgleichen sind. Sie sollen daheim bleiben ...
Zum sechsten, dass man ... nehme ihnen alle Barschaft und Kleinod an Silber und Gold und lege es beiseite zum Verwahren. Und ist dies die Ursache, alles was sie haben (wie droben gesagt) haben sie uns gestohlen und geraubt durch ihren Wucher.
Zum siebten, dass man den jungen starken Juden und Jüdinnen in die Hand gebe Flegel, Axt, Karst, Spaten, Rocken, Spindel und lasse sie ihr Brot verdienen im Schweiß der Nasen ... Man müsste ihnen das faule Schelmenbein aus dem Rücken vertreiben.
Summa, liebe Fürsten und Herren, so Juden unter sich haben, ist euch solcher mein Rat nicht eben, so trefft einen besseren, dass ihr und wir alle der unleidlichen, teuflischen Last der Juden entladen werden ...
(Von den Juden und ihren Lügen, Erstausgabe Wittenberg 1543, S. 93-95)
Warum der Hass? Mögliche Antworten dazu:
Martin Luther hoffte zunächst, die "Juden", wie es heißt, für die von ihm reformierte Kirche bekehren zu können. So erklärt er beispielsweise in seiner Schrift aus dem Jahr 1523 Dass Jesus Christus ein geborener Jude sei: "Ich will aus der Schrift erzählen die Ursachen, die mich bewegen, zu glauben, dass Christus ein Jude sei von einer Jungfrau geboren, damit ich vielleicht auch etliche Juden zum Christenglauben reizen möge" (Weimarer Ausgabe 11, 314). Sie sollten die Chance erhalten, "unsere christliche Lehre und unser Leben zu hören und zu sehen" (Weimarer Ausgabe 11, 336), um sich darauf hin zu bekehren. Würde man sie nicht mehr als "Hunde" verleumden und verfolgen, wie es die Kirche bis dahin tat, gebe es für Luther auch keinen Hinderungsgrund mehr, dass die Juden nicht zu Christen würden, so die Überlegung des Reformationsmönchs aus Wittenberg. Als sich dies für ihn aber bald als Trugschluss erwies, wandelte sich sein - aufgrund seiner Hintergedanken der Missionierung - freundlicher Umgang in fanatischen Hass.
Bereits drei Jahre später, im Jahr 1526, rechtfertigte Martin Luther Judenverfolgungen u. a. mit der Aussage: "Also sie den Fluch im Geist anziehen als ein täglich Kleid, so lass sie auch ein öffentlich Schandkleid äußerlich tragen, damit sie vor aller Welt als meine Feinde erkannt und veracht werden" (zit. nach Arndt Meinhold: Psalm 109 in Luthers ´Vier tröstliche Psalmen an die Königin von Ungarn`. In: Christoph Bultmann, Walter Dietrich, Christoph Levin (Hrsg.): Vergegenwärtigung des Alten Testaments. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2002). Seine schmeichelnde Schrift aus dem Jahr 1523 hätten die Juden "schändlich missbraucht" (Brief an Josef von Rosheim, 1537) anstatt sich nach dem Lesen zum Glauben der Kirche zu bekehren.
Buchquellen:
1) Originalquelle "Von den Juden und ihren Lügen", Erstausgabe Wittenberg 1543, zit. nach Hans-Jürgen Böhm, Die Lehre M. Luthers - ein Mythos zerbricht, Selbstverlag, Plech 1994
Anmerkung: Diese Quellensammlung, die auch Dokumente über die Verfolgung anderer Minderheiten durch Martin Luther enthält, ist gratis über den Autor erhältlich: Postfach 53, 91284 Neuhaus.
2) Originalquelle "Von den Jüden und ihren Lügen", D. M. Luth., gedruckt zu Wittemberg durch Hans Luft, 1543, in: "Von den Jüden und ihren Lügen" von M. Luther, 1542, als Volksausgabe herausgegeben von Hans Ludolf Parisius, 3. Auflage, Ludendorffs Volkswarte-Verlag, München o. J.
3) "Martin Luther über die Juden: Weg mit ihnen", herausgegeben von Landesbischof Martin Sasse*, Eisenach, Sturmhut-Verlag, Freiburg 1938
Gelesen und kopiert habe ich das alles hier. (https://www.theologe.de/martin_luther_juden.htm)
Danke, Vicky, für den guten Beitrag. Das war sicherlich das beste, was ich heute zum Luther-Jubiläum gesehen habe.
Der Tiefpunkt war erwartungsgemäß der Abschlussgottesdienst, der um 15 Uhr live übertragen wurde. Meine Güte, was wurde da ein Quark geredet...
Trimichi
01.11.2017, 03:58
Da will ich mich gar nicht einmischen. Vielleicht gibt es etwas höheres, vielleicht auch nicht. Letztlich laufen diese Überlegungen darauf hinaus, was wir unter "etwas" und "höher" verstehen wollen?
Ich setze in meiner Argumentation ein paar Etagen tiefer an. Ich behaupte, dass es den ganz speziellen Gott des Alten und des Neuen Testaments aller Wahrscheinlichkeit nach nicht gibt. Es gibt zahlreiche Argumente, die dieser einfachen Aussage ein erdrückendes Gewicht verleihen.
Ich sage ferner, dass alle Päpste, Kardinäle, Bischöfe etc. nichts über die Götter wissen und wissen können – außer über jene, die sie und Ihresgleichen selbst erfunden haben.
Ich finde, das ist ein kompakter, klar umrissener Standpunkt. Ich maße mir nicht an, die Welt erklären zu können; ich bin nicht sicher, ob die Naturwissenschaft sie irgendwann wird erklären können. Vielleicht ja, vielleicht nein.
Ich sehe beides nicht so. Wissenschaft ist weder gut noch schlecht, genauso wie der Schwarzwald weder gut noch schlecht ist. Man kann mit Hilfe oder zum Zwecke der Wissenschaft jedoch schlimme Dinge tun. Oder gute.
:Blumen:
Einspruch. Der Schwarzwald ist gut. Ich war selbst schon da. Und dort gibt es den berühmten Schwarzwälder Schinken, für den wir als Kinder sehr hart arbeiten mussten.:Blumen:
Arne, da haben wir ja die Gemeinsamkeit :) Du schreibst, dass die Wissenschaft weder gut noch schlecht ist. D' Accord. Ich hatte Wernher von Braun zitiert, tue das gerne noch einmal indirekt. Es geht darum, wie man ein Messer anwendet. Als Mordwerkzeug oder als chirurgisches Besteck? Die Wissenschaft wird es uns nicht verraten. Und das meinte ich damit, mit etwas höherem. Wo ist die moralische Instanz der Wissenschaft verortet? In der Subdisziplin Community Psychology ist von "wünschenswert" und "gut" die Rede als oberste Maxime menschlichen Handelns. Des weiteren gilt für jede Wissenschaft das Neutralitätskriterium. Wünschenswert und gut kann vieles sein. Neutralität ist gut, aber auch was für Weicheier, Luschen und Waschlappen IMHO. Ob die Atombombe gut oder schlecht ist hat die Wissenschaft nicht interessiert. Du hast selbst geschrieben, dass Sinn und Unsinn von Wissenschaft einer eigene Diskussion bedürfte. Einstein würde eifrig mitdiskutieren. Heute weiß man, das Einstein ein sehr schwieriger Mensch war mit extremen Defiziten im sozialen Bereich. Nach heutigen Maßstäben hätte man ihn wohl eingeliefert. Stattdessen "beten" Medien und der Plebs so einen Typen an, der nichts anderes als Tod und Verderben über die Menschen gebracht hat. Damit will ich nicht den Sinn von Wissenschaft anzweifeln. Doch wo ist das ethische Gremium? Wo die moralische Instanz? Fehlanzeige. Denn sonst hätte man den Bau der Atombombe verboten, zumindest ihren Abwurf. Die Umlaufbahn des Merkur hätte man auch ohne Atombombe Korrekturrechnen können.
Also noch einmal: im Gegensatz zur Wissenschaft hat die Religion, z.B. das Christentum einen Wertekanon mit dem man in die Schlacht ziehen kann oder das Abenteuer Leben meistern kann. Z.B. die 10 Gebote. Wer sich versündigt hat umschifft solche Vorschriften lieber ist doch klar.
Was für einen Wertekanon haben denn Wissenschaftler? Keinen. Sagst du ja selbst. Das ist doch die traurige Realität. Die Wissenschaft hat die Welt keinen Deut besser gemacht als die Religion. Nimmt man die Zahl der Toten in den letzten Kriegen heran z.B. Stattdessen wurde noch viel grausamer gemetzelt und teilweise ohne jede Ehre und Regel, siehe Hiroshima und Nagasaki.
Wo waren denn die Wissenschaftler im Krieg? Hatten die einen Kodex? Nope. Und so ist es noch heute. Wer bezahlt sagt wo´s langgeht.
Wissenschaft ist unter dem Deckmantel der Freiheit ohne jede Verantwortung. Schreibst du ja selbst. Andernfalls hätten wir eine bessere, und vernünftige Welt. Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter und behaupte, dass Wissenschaft genauso versagt hat wie Religion, weitaus schlimmer. Denn inzwischen brennen wir uns selbst von der Oberfläche, dank moderner, wissenschaftlicher Technologie.
Mein Hauptkritikpunkt ist jedoch: du hast klargestellt, dass
"Die Wissenschaft hat auch nicht für alles eine Erklärung. Sie schreitet allmählich voran. An welche Grenzen sie dabei stoßen wird, wissen wir nicht. Wissenschaft ist aber keine Seelsorge und keine Philosophie. Diese Erwartung sollte man nicht an sie haben."
nachdem du deine Cruse Missiles auf die Religion abgefeuert hast (@Jörn: mit totaler Zerstörungswirkung).
Wo ist das, dass das was kaputt gegangen ist, wieder heilen kann? Die Zerstörungswirkung des Frontalangriffs auf die Religion hinterlässt eine Lücke. Wo ist die Alternative?
Man kann nicht hergehen und Revolutionen anzetteln ohne eine Alternative, eine bessere Alternative anzubieten, die, damit eine Revolution erfolgreich ist, auch funktionieren muss.
Anlässlich des 500. Jubiläums Luthers 95 Thesen als Anschläge an die Kirche, wollte ich kurz mal erwähnen, wen wir da so feiern (https://www.theologe.de/martin_luther_juden.htm). Ich möchte damit lediglich darauf aufmerksam machen. War Martin Luther (https://www.theologe.de/theologe3.htm) überhaupt ein Reformator des Christentums? Sicher ja, aber nicht unbedingt zum besseren.
Ein paar Zitate:
Darum, wo du einen rechten Juden siehst, magst du mit gutem Gewissen ein Kreuz für dich schlagen und frei und sicher sprechen: Da geht ein leibhaftiger Teufel. (Weimarer Ausgabe LIII, S. 479, zit. nach Landesbischof Martin Sasse, Martin Luther über die Juden: Weg mit ihnen!, a.a.O., S. 5)
Die Juden sind junge Teufel, zur Hölle verdammt. (Erlanger Ausgabe XXXII, S. 276, zit. nach Landesbischof Martin Sasse, Martin Luther über die Juden: Weg mit ihnen!, a.a.O., S. 13)
Wenn ich einen Juden taufe, will ich ihn an die Elbbrücke führen, einen Stein an den Hals hängen und ihn hinab stoßen und sagen: Ich taufe dich im Namen Abrahams. (Tischreden, Nr. 1795; an den Theologen Justus Menius; dies hat Luther offenbar im Hinblick auf diejenigen Juden gesagt, die sich seiner Meinung nach die kirchliche Taufe "erschleichen", indem sie innerlich "Juden" blieben)
Wenn du siehst oder denkst an einen Juden, so sprich bei dir selbst also: Siehe, das Maul, das ich da sehe, hat alle Sonnabend meinen lieben Herrn Jesu Christ, der mich mit seinem teuren Blut erlöst hat, verflucht und vermaledeit und verspeit; dazu gebeten und geflucht vor Gott, dass ich, mein Weib und Kind und alle Christen erstochen und aufs jämmerlichste untergegangen wären, wollst selber gerne tun, wo er könnte, dass er unsere Güter besitzen möchte. Hat auch vielleicht heute dieses Tages vielmal auf die Erde gespeit über dem Namen Jesu (wie sie pflegen), dass ihm der Speichel noch in Maul und Bart hängt, wo er Raum hätte zu speien. Und ich sollte mit solchem verteufelten Maul, essen, trinken und reden, so möchte ich aus der Schüssel oder Kanne mich voller Teufel fressen und saufen als der ich mich gewiss damit teilhaftig machte aller Teufel, so in den Juden wohnen, und das teure Blut Christi verspeien. Da behüte mich Gott vor. (Von den Juden und ihren Lügen, Erstausgabe Wittenberg 1543, S. 95)
Weil sie es aber öffentlich nicht vermögen zu tun, bleiben sie gleichwohl im Herzen unsere täglichen Mörder und blutdürstigen Feinde. Solches beweist ihr Beten und Fluchen und so viele Historien, da sie Kinder gemartert und allerlei Laster geübt, darüber sie oft verbrannt und verjagt worden sind. (Von den Juden und ihren Lügen, Erstausgabe Wittenberg 1543, S. 99)
Wo du einen Juden siehst oder reden hörst, da denke nichts anderes als dass du einen giftigen Basilisken [= schlangenartiges mordendes Fabeltier] hörst, der auch mit seinem Gesicht die Leute vergiftet und tötet. (Weimarer Ausgabe LIII, S. 446, zit. nach Landesbischof Martin Sasse, Martin Luther über die Juden: Weg mit ihnen!, a.a.O., S. 4)
Martin Luthers Sieben-Punkte-Programm der “scharfen Barmherzigkeit“ zur “Entladung von der Judenlast“
Erstlich, dass man ihre Synagoga oder Schulen mit Feuer anstecke und was nicht brennen will, mit Erde überhäufe und beschütte, dass kein Mensch einen Stein oder Schlacken davon sehen ewiglich. Und solches soll man tun unserem Herrn und der Christenheit zu Ehren, damit Gott sehe, dass wir Christen seien ...
Zum anderen, dass man auch ihre Häuser desgleichen zerbreche und zerstöre. Denn sie treiben dasselbige drinnen, was sie in ihren Schulen treiben. Dafür mag man sie etwa unter ein Dach oder einen Stall tun ...
Zum dritten, dass man ihnen nehme alle ihre Betbüchlein ...
Zum vierten, dass man ihren Rabbinern bei Leib und Leben verbiete, hinfort zu lehren ...
Zum fünften, dass man den Juden das Geleit und Straße ganz und gar aufhebe. Denn sie haben nichts auf dem Lande zu schaffen, weil sie nicht Herrn noch Amtleute noch Händler oder desgleichen sind. Sie sollen daheim bleiben ...
Zum sechsten, dass man ... nehme ihnen alle Barschaft und Kleinod an Silber und Gold und lege es beiseite zum Verwahren. Und ist dies die Ursache, alles was sie haben (wie droben gesagt) haben sie uns gestohlen und geraubt durch ihren Wucher.
Zum siebten, dass man den jungen starken Juden und Jüdinnen in die Hand gebe Flegel, Axt, Karst, Spaten, Rocken, Spindel und lasse sie ihr Brot verdienen im Schweiß der Nasen ... Man müsste ihnen das faule Schelmenbein aus dem Rücken vertreiben.
Summa, liebe Fürsten und Herren, so Juden unter sich haben, ist euch solcher mein Rat nicht eben, so trefft einen besseren, dass ihr und wir alle der unleidlichen, teuflischen Last der Juden entladen werden ...
(Von den Juden und ihren Lügen, Erstausgabe Wittenberg 1543, S. 93-95)
Warum der Hass? Mögliche Antworten dazu:
Martin Luther hoffte zunächst, die "Juden", wie es heißt, für die von ihm reformierte Kirche bekehren zu können. So erklärt er beispielsweise in seiner Schrift aus dem Jahr 1523 Dass Jesus Christus ein geborener Jude sei: "Ich will aus der Schrift erzählen die Ursachen, die mich bewegen, zu glauben, dass Christus ein Jude sei von einer Jungfrau geboren, damit ich vielleicht auch etliche Juden zum Christenglauben reizen möge" (Weimarer Ausgabe 11, 314). Sie sollten die Chance erhalten, "unsere christliche Lehre und unser Leben zu hören und zu sehen" (Weimarer Ausgabe 11, 336), um sich darauf hin zu bekehren. Würde man sie nicht mehr als "Hunde" verleumden und verfolgen, wie es die Kirche bis dahin tat, gebe es für Luther auch keinen Hinderungsgrund mehr, dass die Juden nicht zu Christen würden, so die Überlegung des Reformationsmönchs aus Wittenberg. Als sich dies für ihn aber bald als Trugschluss erwies, wandelte sich sein - aufgrund seiner Hintergedanken der Missionierung - freundlicher Umgang in fanatischen Hass.
Bereits drei Jahre später, im Jahr 1526, rechtfertigte Martin Luther Judenverfolgungen u. a. mit der Aussage: "Also sie den Fluch im Geist anziehen als ein täglich Kleid, so lass sie auch ein öffentlich Schandkleid äußerlich tragen, damit sie vor aller Welt als meine Feinde erkannt und veracht werden" (zit. nach Arndt Meinhold: Psalm 109 in Luthers ´Vier tröstliche Psalmen an die Königin von Ungarn`. In: Christoph Bultmann, Walter Dietrich, Christoph Levin (Hrsg.): Vergegenwärtigung des Alten Testaments. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2002). Seine schmeichelnde Schrift aus dem Jahr 1523 hätten die Juden "schändlich missbraucht" (Brief an Josef von Rosheim, 1537) anstatt sich nach dem Lesen zum Glauben der Kirche zu bekehren.
Buchquellen:
1) Originalquelle "Von den Juden und ihren Lügen", Erstausgabe Wittenberg 1543, zit. nach Hans-Jürgen Böhm, Die Lehre M. Luthers - ein Mythos zerbricht, Selbstverlag, Plech 1994
Anmerkung: Diese Quellensammlung, die auch Dokumente über die Verfolgung anderer Minderheiten durch Martin Luther enthält, ist gratis über den Autor erhältlich: Postfach 53, 91284 Neuhaus.
2) Originalquelle "Von den Jüden und ihren Lügen", D. M. Luth., gedruckt zu Wittemberg durch Hans Luft, 1543, in: "Von den Jüden und ihren Lügen" von M. Luther, 1542, als Volksausgabe herausgegeben von Hans Ludolf Parisius, 3. Auflage, Ludendorffs Volkswarte-Verlag, München o. J.
3) "Martin Luther über die Juden: Weg mit ihnen", herausgegeben von Landesbischof Martin Sasse*, Eisenach, Sturmhut-Verlag, Freiburg 1938
Gelesen und kopiert habe ich das alles hier. (https://www.theologe.de/martin_luther_juden.htm)
Noch bitterer als der Tod ist die Frau.:Blumen:
Danke, Vicky, für den guten Beitrag. Das war sicherlich das beste, was ich heute zum Luther-Jubiläum gesehen habe.
Der Tiefpunkt war erwartungsgemäß der Abschlussgottesdienst, der um 15 Uhr live übertragen wurde. Meine Güte, was wurde da ein Quark geredet...
So was braucht die Welt 500 Jahre nachdem Luther mit seinen Thesen vom Mittelalter aus gesehen in die Neuzeit umleitete und damit die Blüte der modernen Wissenschaften überhaupt erst ermöglichte nicht wirklich. Hätte es Kant ohne Luther überhaupt gegeben? Frage an die Wissenschaftler unter uns.
Lieber Jörn, du hast in allen Dingen Unrecht. Denn jeder weiß doch, dass Wahrheit keinen Sinn ergeben muss. Fiktion hingegen schon.
VG Trimichi
Klugschnacker
01.11.2017, 09:28
Trimichi, wir brauchen die Wissenschaft, um Wissen zu erlangen und uns in der Welt zu orientieren. Das allein genügt jedoch nicht, da bin ich ganz Deiner Meinung.
Wir brauchen Ethik und Philosophie um zu klären, wie wir uns verhalten wollen. Dies hat auf Basis von Fakten zu geschehen, sonst sind unsere Urteile über die Welt falsch. Etwa, dass Frauen dem Manne unterlegen seien.
Thomas von Aquin, neben Augustinus der wohl bedeutendste Kirchenlehrer, sagte, Frauen entstünden durch schadhaften Samen. Ein männlicher Fötus würde nach 40, ein weiblicher erst nach 80 Tagen zu einem Mensch. Die Wissenschaft entlarvt so etwas als Bullshit und ermöglicht der Philosophie und Ethik, zu zutreffenderen Urteilen und Verhaltensregeln zu kommen.
Das bedeutet, Religion ohne Wissen kann nicht zu einer Ethik gelangen, die wir heute zu akzeptieren bereit sind. Wer das bezweifelt, mag sich die Verhaltensregeln derjenigen Religionen ansehen, die dem Christentum am nächsten verwandt sind, dem Judentum und dem Islam. Wären wir bereit, islamische Verhaltensregeln aus der vorwissenschaftlichen Zeit anzuerkennen? Würden wir das als Fortschritt und Verbesserung sehen? Ich meine: nein.
Diese Skepsis haben wir heute auch gegenüber den Christentum. Wer hätte gerne im Bundestag anstelle der Ethikkommission eine Moralkommission, die sich aus Klerikern zusammensetzt, und über ethische Fragen entscheidet? Was würden wir davon halten, das Bundesverfassungsgericht ausschließlich mit Bischöfen zu besetzen?
Ich möchte mit diesen Beispielen verdeutlichen, dass wir heute der christlichen Moral, die aus der Zeit der Antike kommt, nicht so viel zutrauen, wie gelegentlich behauptet wird.
:Blumen:
@Trimichi: Hier sind vier Irrtümer bzw. Tricks am Werk:
1. Trimichi spricht nur scheinbar über Moral. Tatsächlich spricht er über Autorität.
Wenn Moral von einer angeblichen Gottheit festgelegt wird, können die Inhalte nicht angezweifelt oder hinterfragt werden. Die Inhalte treten dadurch in den Hintergrund. Im Vordergrund steht die Frage, wer der Urheber ist.
Das ist das genaue Gegenteil von dem, was wir heutzutage unter Moral verstehen. Moralische Maßstäbe bedeuten, dass jemand, der aufgrund seiner Position, Macht oder aufgrund von Gesetzen formal recht hat, dennoch moralisch im Unrecht sein kann. Moral steht also über der Autorität.
Religion geht jedoch vom Gegenteil aus: Göttliche Autorität steht über jeder Moral; die Autorität ersetzt daher die Moral als oberste Instanz. Es ist das Gegenteil dessen, was normale Leute unter Moral verstehen.
2. Trimichi verwendet unsere Sympathie für moralische Werte, um einen religiösen Hintergrund einzuschmuggeln. Es stimmt, wir wollen eine moralische Welt. Aber was hat Religion mit Moral zu tun? Vor allem: welche der vielen Religionen?
Wenn Wissenschaft moralisch versagen kann, kann es auch die Religion (oder jedes andere System). Dass Religion irgendwas mit Moral zu tun hat, muss erst noch bewiesen werden. Gott, wie er in der Bibel beschrieben wird, ist moralisch völlig ungebunden und desinteressiert. Die Bibel demonstriert das an vielen Stellen, bei denen Gott gegen seine eigenen Gebote und Versprechungen verstößt.
Das zentrale Element der Bibel ist nicht „Moral“, sondern „Unterwerfung“ und „Bestrafung“. Dass die Bibel ein Buch von höchster Moral sei, ist frommer Aberglaube von jenen, die die Bibel nicht gelesen haben.
3. Trimichi fügt die Annahme ein, die Bibel sei ein moralischer Kompass. Aber genau das ist die Bibel nicht und will es auch nicht sein.
Du sollst nicht töten.
Aber was war mit Hitler? Was ist mit Notwehr? Ein simples Gebot ist eben kein moralischer Kompass, wenn es viel zu simpel ist. Ein moralischer Kompass wäre die Bibel, wenn ein paar Kapitel darauf verwendet würden, jene Fälle zu untersuchen, in denen man eben doch töten sollte oder muss. Moral braucht Begründung und Einordnung, eine zusammenhängende Struktur. Eben das unterscheidet Moral von einer plumpen Vorschrift.
Die Bibel begründet keine ihrer zentralen Botschaften. Das ist nicht ihr Anliegen.
Jesus heilte eine kranke Frau; danach schärfte er seinen Jüngern ein, sie sollten niemandem davon erzählen, damit nicht lauter Kranke zu ihm kämen. Danach zog er sich zur Meditation in die Einöde zurück. Ist das ein moralisches Verhalten? Und warum? Auf diese Fragen gibt die Bibel keine Antwort. Ist jemand, der heilen kann, verpflichtet, dies zu tun?
„Christliche Moral“ bedient sich aller nur denkbarer Positionen und deren Gegenteil. Selbst unter den höchsten christlichen Autoritären und gelehrtesten Theologen findet man mühelos welche, die für die Homo-Ehe sind, und welche, die dagegen sind. Manche sind für die Gleichberechtigung der Frauen, manche sind dagegen. Manche sind für Scheidung und Wiederverheiratung, manche sind dagegen. Das zeigt, dass das Christentum kein moralischer Kompass sein kann. Ein Kompass kann nicht gleichzeitig nach Süden und nach Norden weisen, es sei denn, er wäre defekt.
4. Trimichi suggeriert, Wissenschaft könne kein moralisches Urteil fällen. Er zieht daraus den Schluss, Moral sei ein Gegenstand des Irrationalen.
Warum soll Moral irrational sein? Das ist eine rein rethorische Finte. Man kann mit rationaler Logik herausfinden, ob der Abwurf einer Atombombe Leid verursacht, und ob dieses Leid durch andere Vorteile aufgewogen wird.
Es ist nicht zutreffend, dass die Wissenschaft bei der Atombombe nicht imstande war, dies herauszufinden und klar zu begründen. Sondern die beteiligten Wissenschaftler und Politiker haben diesen Aspekt, der ihnen vermutlich völlig bewusst war, einfach ignoriert.
Es gibt Wissenschaftler, die ihre Frauen schlagen. Das bedeutet nicht, dass die Wissenschaft unfähig wäre, über die Folgen dieser Tat etwas auszusagen.
Das ist ja der Witz der Moral: Dass es eine begründete Abwägung darstellt, die möglichst alle Vor- und Nachteile berücksichtigt. Moralisch zu urteilen bedeutet nicht „raten“, sondern „nachdenken“.
Trimichi
01.11.2017, 11:11
Trimichi, wir brauchen die Wissenschaft, um Wissen zu erlangen und uns in der Welt zu orientieren. Das allein genügt jedoch nicht, da bin ich ganz Deiner Meinung.
Wir brauchen Ethik und Philosophie um zu klären, wie wir uns verhalten wollen. Dies hat auf Basis von Fakten zu geschehen, sonst sind unsere Urteile über die Welt falsch. Etwa, dass Frauen dem Manne unterlegen seien.
Thomas von Aquin, neben Augustinus der wohl bedeutendste Kirchenlehrer, sagte, Frauen entstünden durch schadhaften Samen. Ein männlicher Fötus würde nach 40, ein weiblicher erst nach 80 Tagen zu einem Mensch. Die Wissenschaft entlarvt so etwas als Bullshit und ermöglicht der Philosophie und Ethik, zu zutreffenderen Urteilen und Verhaltensregeln zu kommen.
Das bedeutet, Religion ohne Wissen kann nicht zu einer Ethik gelangen, die wir heute zu akzeptieren bereit sind. Wer das bezweifelt, mag sich die Verhaltensregeln derjenigen Religionen ansehen, die dem Christentum am nächsten verwandt sind, dem Judentum und dem Islam. Wären wir bereit, islamische Verhaltensregeln aus der vorwissenschaftlichen Zeit anzuerkennen? Würden wir das als Fortschritt und Verbesserung sehen? Ich meine: nein.
Diese Skepsis haben wir heute auch gegenüber den Christentum. Wer hätte gerne im Bundestag anstelle der Ethikkommission eine Moralkommission, die sich aus Klerikern zusammensetzt, und über ethische Fragen entscheidet? Was würden wir davon halten, das Bundesverfassungsgericht ausschließlich mit Bischöfen zu besetzen?
Ich möchte mit diesen Beispielen verdeutlichen, dass wir heute der christlichen Moral, die aus der Zeit der Antike kommt, nicht so viel zutrauen, wie gelegentlich behauptet wird.
:Blumen:
Arne, noch mehr als die Wissenschaft brauchen wir die Gemeinschaft!
Du wirst dich womöglich an die Diskussionen und auch deinem Posting auf fb erinnern hinsichtlich der Flüchtlingskrise. Damals hast du gefordert, bitte korrigiere mich, falls das so nicht stimmt, dass sich alle Parteien die Hände reichen sollen (somit niemand ausgegrenzt wird, Brücken gebaut werden usw.).
Frau Dr. Merkel ist es zu verdanken, dass viele Syrer heute hier shelter und peace finden vor einem barbarischen Krieg und dem Scherbenhaufen. Ich unterstelle der Frau Bundeskanzlerin, und auch dir, Arne, dass die Motivation die Syrer aufzunehmen eher christlichen als wissenschaftlichen Begründungen gefolgt ist. Wirken christliche und damit religiöse Motive, oder ist es kühle Ratio?
Natürlich muss Aufklärung betrieben werden. Das bestreite ich doch auch nicht. Kann und will man alles aufklären? Hoffentlich nicht. :Liebe:
Jordanien hat mehr syrische Flüchtlinge aufgenommen als Deutschland. Es ist ein muslimisches Land. Ebenso die Türkei.
Wie kommst Du zu der Annahme, Asyl von Flüchtlingen ließe sich nur anhand der christlichen Bibel begründen?
Eines der christlichsten Länder ist die USA. Sie haben pro Kopf mit am wenigsten Flüchtlinge aufgenommen. Trump, der sich als bekennender Bibelchrist versteht und sogar die Evolutionslehre ablehnt, hat pauschal allen Syrern die Einreise in die USA per Erlass untersagt. Ergibt sich das ebenfalls aus der christlichen Moral?
Polen ist so schwarz-katholisch, dass sie schon fast bläulich sind. Sie weigern sich, auch nur tausend Flüchtlinge aufzunehmen, und zwar mit der Begründung, dies könne das christliche Fundament das Landes gefährden.
Hier haben wir also unterschiedliche Verhaltensweisen, von unterschiedlichen religiösen (oder nicht-religiösen) Hintegründen. Mit Religion kann man es daher nicht begründen.
Klugschnacker
01.11.2017, 12:02
Ich unterstelle der Frau Bundeskanzlerin, und auch dir, Arne, dass die Motivation die Syrer aufzunehmen eher christlichen als wissenschaftlichen Begründungen gefolgt ist. Wirken christliche und damit religiöse Motive, oder ist es kühle Ratio?
Ich weiß nicht, ob man es als christliches Motiv bezeichnen kann, Menschen einer anderen Religion Schutz zu gewähren. Vermutlich findet man diese Position im Christentum. Jedoch stößt man auch auf ihr Gegenteil, nämlich die Ächtung und Verfolgung Andersgläubiger.
Für mich ergibt sich aus unserer Befähigung, anderen zu helfen, eine Verpflichtung zu dieser Hilfe. Als wissenschaftlich würde ich das nicht bezeichnen, als religiös aber auch nicht.
Insgesamt erscheint mir, dass die Religionen es erschweren, dass fremde Kulturen miteinander auskommen. Besonders fatal ist aus meiner Sicht die Indoktrinierung von Menschen im Kindesalter. Dieser Prägung auf der emotionalen Ebene ist im Erwachsenenalter durch die Vernunft schwer beizukommen. Daher scheint mir, ohne dass ich es freilich beweisen könnte, dass die Versöhnung der Kulturen eher von den säkularen Gesellschaften ausgehen wird, als von den religiösen.
Trimichi
01.11.2017, 14:32
Ich weiß nicht, ob man es als christliches Motiv bezeichnen kann, Menschen einer anderen Religion Schutz zu gewähren. Vermutlich findet man diese Position im Christentum. Jedoch stößt man auch auf ihr Gegenteil, nämlich die Ächtung und Verfolgung Andersgläubiger.
Für mich ergibt sich aus unserer Befähigung, anderen zu helfen, eine Verpflichtung zu dieser Hilfe. Als wissenschaftlich würde ich das nicht bezeichnen, als religiös aber auch nicht.
Insgesamt erscheint mir, dass die Religionen es erschweren, dass fremde Kulturen miteinander auskommen. Besonders fatal ist aus meiner Sicht die Indoktrinierung von Menschen im Kindesalter. Dieser Prägung auf der emotionalen Ebene ist im Erwachsenenalter durch die Vernunft schwer beizukommen. Daher scheint mir, ohne dass ich es freilich beweisen könnte, dass die Versöhnung der Kulturen eher von den säkularen Gesellschaften ausgehen wird, als von den religiösen.
Natürlich ist es schon ein wenig unfair gegenüber einem Baby per Taufe festzulegen, woran der Säugling, dessen Gehirn womöglich gerade einmal instinktiv ovale und runde Formen erkennen kann, einen Verhaltenskodex "aufzubuckeln". Aber warum auch nicht? Wenn die Eltern gut damit gefahren sind? Man kann diese Joch heute problemlos ablegen und aus der Kirche austreten. Und wer sich taufen lassen will, kann das auch gerne als Erwachsener tun, machen so ja auch viele inzwischen. Niemand wird in die Kirche gezwungen.
Verwechseln wir hier etwa nicht autoritären mit autoritativem Erziehungsstil, wenn wir schon beim Thema sind?
Zumal es mit Wahrheit allein, geschätzter Jörn, sehr sehr öde auf diesem Felsbrocken am Rande eines Asts einer bedeutungslosen Spiralgalaxie werden könnte. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das, Wahrheiten allein, im Kindergarten so gut ankommt. Mathematik und Physik ? Wie öde! Da ist Räuber und Gendarm spielen viel viel Interessanter. Auch Erwachsen wollen Spaß haben. ....
Quergefragt, wie viele Menschen auf der Welt haben so einen Bildungsstand wie wir hier in der Diskussion? Damit will ich nur andeuten, dass viele Menschen überhaupt nicht den Luxus einer wissenschaftlichen Ausbildung oder humanistischen Bildung usw. genießen können. Wenn von heute auf morgen sämtliche Religion erlöscht wäre, würde das die Welt verkraften können? Wer will das verantworten? Und vor allem wie? Wie sieht, um an Marx anzulehnen, das Methadon und Methadonprogramm für das Volk aus? Müssten wir hier in Europa wie im spirituellen Wunderland Amerika eine Opioidkrise befürchten?
Säkulare Gesellschaften? Meintest du damit Sportler ;-) Was wurde eigentlich aus der Sportpartei, die JENS K. zur Gründung hier vor einiger Zeit anregte?
Zumal es mit Wahrheit allein, geschätzter Jörn, sehr sehr öde auf diesem Felsbrocken am Rande eines Asts einer bedeutungslosen Spiralgalaxie werden könnte. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das, Wahrheiten allein, im Kindergarten so gut ankommt. Mathematik und Physik ? Wie öde! Da ist Räuber und Gendarm spielen viel viel Interessanter. Auch Erwachsen wollen Spaß haben.
Du schreibst, dass nur die Wahrheit allein viel zu kalt und zu öde wäre, und dass Mathe und Physik im Kindergarten auf wenig Begeisterung stoßen würden.
Das ist natürlich ein rhetorischer Trick. Es suggeriert, dass die kitschige Geschichte von Maria und Josef den Kindern als nettes Märchen präsentiert wird. Aber stattdessen wird es als Wahrheit verkauft.
Diese Wahrheit ist dann natürlich in Ordnung, nicht wahr?
Es geht den Gläubigen vermutlich nicht darum, dass die Kinderseelen sich an schönen Märchen wärmen. Dafür sind die grausamen Bibelgeschichten wirklich nicht der richtige Stoff. Sondern es wird der Umstand ausgenutzt, dass die kleinen Kinder noch nicht zwischen Wahrheit und Erfindung unterschieden können.
Wahrheit raus -- Bibel rein. So funktioniert das nämlich.
Sag' den Kindern doch ehrlich, dass die Geschichte von Maria und Josef ein frei erfundenes Märchen darstellt.
Klugschnacker
01.11.2017, 20:47
Natürlich ist es schon ein wenig unfair gegenüber einem Baby per Taufe festzulegen, woran der Säugling, dessen Gehirn womöglich gerade einmal instinktiv ovale und runde Formen erkennen kann, einen Verhaltenskodex "aufzubuckeln". Aber warum auch nicht? Wenn die Eltern gut damit gefahren sind? Man kann diese Joch heute problemlos ablegen und aus der Kirche austreten. Und wer sich taufen lassen will, kann das auch gerne als Erwachsener tun, machen so ja auch viele inzwischen. Niemand wird in die Kirche gezwungen.
Es lassen sich nur ganz wenige Menschen im Erwachsenenalter taufen. Wer das tut, hat meinen Segen.
Was Kinder und Babys betrifft habe ich zwei Argumente.
Erstens die Religionsfreiheit als Grundrecht der Menschen. Sie bedeutet eine freie Wahl der Religion inklusive der Möglichkeit, frei von jedem Glauben zu leben. Die Kindstaufe beschneidet die Religionsfreiheit der Kinder.
Zweitens soll man meiner Meinung nach Kinder nicht anlügen, außer in Notfällen. Darum plädiere ich dafür, mit der Vermittlung religiöser Mythen so lange zu warten, bis die Kinder in der Lage sind, zwischen Mythos und Wahrheit zu unterscheiden. In der Grundschule können sie das nicht in ausreichendem Maße.
Beispiel: In einer Unterrichtseinheit für den Religionsunterricht werden die Kinder aufgefordert zu beschreiben, bei welcher Gelegenheit ihnen das erste mal Gott konkret widerfahren sei.
Dass Gott existiert, wird dabei einfach vorausgesetzt. Kinder sind im frühen Schulalter nicht in der Lage zu erkennen, dass man seine Existenz jedoch keineswegs einfach voraussetzen kann. Und falls doch, ist es für sie schwer, sich gegen die Gott-ist-mir-begegnet-Geschichten der eifrigen Mitschüler zu behaupten. Bitte verzeihe mir das grobe Wort, aber das ist reine Gehirnwäsche.
Ich sagte oben, dass man Kinder nicht anlügen soll. Doch wo sind sie im obigen Beispiel angelogen worden? Sie wurden nur nach ihren ersten Gottesbegegnungen gefragt. So subtil läuft das oftmals ab.
Ich fände es besser, man würde damit warten, bis die Kinder das Alter der Religionsmündigkeit erreicht haben.
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