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Alt 21.05.2019, 22:46   #2538
flachy
Szenekenner
 
Benutzerbild von flachy
 
Registriert seit: 02.08.2007
Ort: Lausitz
Beiträge: 2.890
Aloha Athleten,

jemand Lust auf ein respektables Massaker oder auf der Suche nach einem aktiven Abenteuer ohne Startnummer und Konkurenten im Nacken???
Dann jetzt unbedingt die nächsten 5 Minuten wachsam sein und an meiner heutigen Kurzgeschichte dranbleiben!

Die letzten Wochen habe ich unverändert mit meinem Personal Trainer aka "Bauchgefühl" weiter an einem formidablen Beachshape gerackert.
Prio Eins ist: Geil aussehen, auch wenn Du Dich Scheiße fühlst!
In meinem Alter geht's in Roth leider nicht mehr um Top 10, sondern mehr darum, nach dem Rennen und vor den Duschcontainern für meine Heldenstories zu Hause bei den Selfies mit den Asketen wie Ben Hoffmann und Cam Wurf (die dann selbstverständlich bereits wieder geföhnt und frisch gegeelt sich unter's normale Volk gemischt haben, während ich nacksch bis auf den versüfften Schwimmschlüpper gerade zum Dixi-Klo robben werde) optisch nicht wie Al Bundy an der Wühltheke rüberzukommen.

Dann kam mein Buddie zu einem "Lehrgang" in die Region (kennt hier jemand die Beamten Baumann&Claussen? Falls ja, dann wisst ihr jetzt auch, wer für die Rolle vom Claussen die Drehbuchvorlaghe geliefert hat...) und wir haben uns kurzerhand auf Samstag für den Stoneman verabredet.
Freitag um 5 am Morgen noch im Stadion ein paar 300-er gebrettert, nachmittags zwei Stunden eingerollt - so eine mickrige RTF-Runde am Samstag macht mir doch keine Angst!

Start dann samstags kurz vor 6 Uhr an der Bobbahn Altenberg geplant, einmal mit dem Rennrad im Uhrzeigersinn rund um's Erzgebirge!
Die Wetterprognose war topp.
Also 3/4 Hose und Langarmtrikot in's Auto, 8 Powerbars, Ausweis und 500 tschechische Kronen in die Trikottasche, 4 Gels auf das Oberroher geklebt, eine Trinkpulle in den Rahmen geklemmt und 4 Uhr ab in den Truck - auf zum Startpunkt!

Mit etwas Abstand kann ich jetzt zu recht bestätigen, dass jeder Mythos erst mit etwas Abstand wächst.
Egal ob sich anno 78 paar angetrunkene US-Armisten schlichtweg ohne Vorbereitung am Waikiki-Beach in's Meer stürzten und damit den Giganten Ironman erweckten oder ein Ironman Wales niemals solch ein ikonisches Rennen ohne 14°C im Wasser und dauerverregnete 12° am Land geworden wäre!
Ohne solche Macken wären diese Events niemals diese Legenden geworden, die sie es jetzt zu recht sind.
In einem etwas kleineren, sehr viel privateren Rahmen, aber nicht ähnlich heftig erscheint uns beiden mit etwas Abstand jetzt der Stoneman!
5°C beim Start, ein Nebel, der uns wie zwei Blinde im Gebirge erscheinen ließ und keinen GPS-Track mehr nach 5 Kilometern!
Die kleine Straße lief auf eine T-Kreuzung zu, Tom's Garmin Edge 500 zeigte an "Gerade aus" - da war aber nur Acker.
Also rechts runter - der Garmin reklamierte "Strecke verlassen".
O.K., links hoch - und 50 Meter später wieder das Piepen "Strecke verlassen".
Hatte Tom vielleicht den MTB-Track auf seine Mistkrücke kopiert?
Aber richtig meckern konnte ich ja auch nicht, denn ich hatte gar nüscht an nennenswerter Technik dabei - ausser meinem DIN A5 Ausdruck der 290 Kilometerschleife direkt von Google Maps. Wir nannten es in den kommenden 13 Stunden der Einfachheit halber "Europakarte" - immerhin war die Grenze zwischen Sachsen und Tschechien gut zu erkennen...
Also denn, quer über den Acker!
Die Sicht blieb die ersten 2 Stunden unverändert auf dem Niveau einer hochwertigen Milchglasscheibe, wie man sie so aus den Justiz-Überführungsbussen der Polizei kennt.
Nach 400 Metern rammel ich fast gegen einen Betonpfeiler, auf dem ein blau-rot-weisses Schild mit "Ceska Republika" angeflanscht war.
Und die Straße hatte uns wieder - Schussfahrt von 800 runter auf 300 Meter ü.M.
Bei 5°C in 3/4 Klamotten ein wahres Erlebnis für sibirische Winterschwimmer - für Kona-Heulsusen mit Vorliebe für oberkörpferfreie Workouts entlang des Ali'i Drives eine körperliche und seelische Tortur.

Als wir dann in der ersten tschechischen Stadt das dritte Mal am Schwimmbad vorbei eierten - logischerweise hatten wir uns verfahren, denn der altersschwache Edge hatte sich in Verbindung mit Gebirgstälern, Nebelsuppe und dem nahenden Ende der Welt einfach mal entschlossen, ein paar Minuten zu chillen und wir suchten unsere Strecke mittels meiner Europakarte zu rekonstruieren - wäre ich vor Kältebibbern am Liebsten unter die sicherlich mollig warme Dusche neben der Fahrbahn gehüppt.
Und so ging es die ersten 5 Stunden unserer Runde weiter.
Erst mit dem längsten Kletterstück hoch zum Keilberg wurde uns wärmer, beim erneuten Überfahren der Grenze in Richtung Oberwiesenthal kam dann sogar die Sonne dazu, welche uns bis zum Ende unseres Survivalrittes nicht mehr verliess.
Motivierend war auch der Fakt, dass wir nunmehr bereits über die Hälfte der Höhenmeter weggedrückt hatten.
"Ab jetzt geht's die letzten 140 Kilometer nur noch bergab", sagte ich, als ich zitternd so schräge nach hinten fallend vom Bike rutschte, um mir mein erstes Gel des Tages rein zu zutzeln.

Bis dato hatte ich mich pro Stunde von einem Powerbar ernährt, allerdings konnte ich den zunehmenden Würgereiz nicht weiter ignorieren. "Dann steige ich den Rest der Strecke eben auf die 4 SIS-Gels um" - gedacht, getan und nach 8 Stunden war ich "blank". Keine Gels mehr, Kotzgedanken beim Anblick meines restlichen Powerbar-Vorrats. Zum Glück erwischte ich beim Blitzshopping im Penny neben einer neuen Wasserpulle auch noch 5 Milka-Osterwaffeln direkt an der Kasse im Abverkauf.

Ich spring jetzt mal flux 3 Stunden nach vorn - auf Kilometer 250 in die 10. Fahrtstunde:
Mein Wasser ist alle, weitere Supermärkte oder Tankstellen gab es nicht und ich bin ziemlich am Leiden.
"Ich simulier jetzt einfach die letzten zwei Stunden einen Ironman - die beliebten Profi-Ausreden-Verpflegung verloren oder doch einfach zu doof gewesen, die letzte Verpflegungsstelle nicht mit 48 km/h ohne Chance auf eine neue Pulle durchzubrettern."
Wieder irgend so ein Walddorf, wieder so eine beschissene Wand mit "15%" Schild vor dem Helm und ohne verfi***te Kurve bis zum Horizont.
Und die Honks in dem Weiler haben natürlich alle ihre Grills angeschmissen. Ein Duftteppich aus Holzfällersteak, Bratwurst, eigentlich allem ausser dem Gestank meiner bescheuerten Powerbars, nebelt uns ein.
Ein Mundraub wäre böse für uns ausgegangen, denn unsere aktuelle Geschwindigkeit belief sich auf bemitleidenswerte 8 km/h - da hätten die Einheimischen nicht mal ihre Wanderstöcke rausholen müssen, um mir die Bratwurst wieder aus den Mundwinkeln zu ziehen...
Also schob ich mir zwei Milka-Osterschlussverkaufswaffeln bei 15% Steigung und hammerhart erkämpften 8 km/h in den staubtrockenen Mund.
Keine 5 Sekunden später schienen mir die Krümel aus Ohren und Nase zu feuern, das Zeug wollte einfach nicht tiefer rutschen, Luft hatte ich ja auch keine mehr, Kraft sowieso nicht.
Ein Trauerspiel...
Jetzt versuchte ich mir gedanklich, eines der Radler aus dem Kasten, welchen ich früh um 4 Uhr bereits vorsorglich auf meinen Pickup in 40 Kilometer Entfernung geladen hatte, einzuverleiben und irgendwann war ich dem Erstickungs- und Verhungerungstod von der Schippe gesprungen.
Den Rest der "Reise" würde mir der Lektor hier dann sowieso später rauskürzen, weil es wurde nicht mehr besser, diese letzten der insgesamt 4.950 Höhenmeter gab es einfach nicht mit Rabatt auf's Leiden.
Also lass ich es damit bewenden.

Und ehrlich - wäre es anders gewesen - wärmer, ohne Nebel und ohne Hungerast, dann hätte ich Samstagabend 19:15 Uhr an den "Stonie" einen Haken gesetzt. 290 Kilometer mit knapp 5.000 Höhenmetern erledigt, was gibt's sonst noch so?
Aber nicht nach diesem Massaker!!!
Ein Termin für eine Neuauflage - dann mit mehr Gels und einem eigenen Radtacho - ist natürlich bereits in Planung!
Und falls es jemanden hier unter Euch Athleten gepackt hat, gebt Bescheid.
Damit es Spaß macht, sollte ein Grundvermögen an Ausdauer (Ironman/Langstreckenerfahrung, eine Radzeit unter 5:30 in Roth/FFM/usw. wären super, um es unbeschadet innerhalb einer Helligkeitsperiode zu überstehen und danach von dem Quatsch, 12 oder 13 Stunden am Stück hoch und runter und wieder hoch gedemmelt zu sein, auch zu schwärmen!)
Sport Frei und weiter gehts!
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