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Alt 11.01.2020, 10:53   #2699
FMMT
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Ein Blick zurück

Sudetenland
Weihnachtsabend, zuerst wurde bei uns am Hof gefeiert. Wie ich ja schon erwähnt habe, bekamen die Tiere Brot mit Salz und jedes ein Stück Stollen. Erst als die Tiere versorgt waren, durften wir uns an den Tisch setzen. Sobald wir beim Tisch saßen, musste alles in Griffnähe aufgestellt sein. Es wurde ein Vaterunser gebetet, ab diesem Zeitpunkt durfte niemand mehr aufstehen. Egal was passiert. Dies wurde auch noch so gehalten, solange meine Mutter lebte. Zum Essen gab es meistens gebackenen Karpfen und Kartoffelsalat. Nach dem Essen wurde wieder gebetet. Erst dann durfte aufgestanden werden. Es hat geheißen, wer aufsteht, stirbt als Nächster. Anschließend gab es Gebäck und Tee. Der Christbaum stand im Wohnzimmer. Geschmückt war er mit Äpfel, Nüsse in Bundpapier eingewickelt, selbst gebackenen Gebäck oder selbst gemachte „Eisschokolade“. Der Baum war mit Engelhaaren bedeckt. Auf der Spitze war immer ein Engel angebracht, natürlich haben die Lichter nicht gefehlt. Obwohl das Gebäck und die Schokolade, die meistens schon einige Tage hingen, gut schmeckten, für mich war wichtig, was unter dem Christbaum stand. Nach einer Weile hat eine Glocke geläutet, jetzt wussten wir, das Christkind war da. Die Geschenke wurden ausgeteilt, die das Christkind in die Wohnstube gelegt hatte. Ich bekam einige Jahre hintereinander immer dieselben Holzpferde mit Wagen. Nur einmal waren sie Schimmel, im nächsten Jahr waren sie Rappen. Ich will noch sagen, dass die Pferde zwei oder drei Wochen vor Heiligabend immer verschwunden waren.

1945 Nach der Vertreibung

Es war ein heißer Tag, als wir im Juni 1945 mit einem LKW nach F. gefahren wurden. Die Bauern waren auf den Feldern. Auch der Bürgermeister. Auf den mussten wir aber warten. Wir saßen auf der Treppe vor der Eingangstür des Gasthauses, unsere Koffer und Säcke standen praktisch auf der Straße. Nach einer gewissen Zeit kam die Gemeindeschreiberin vorbei. Sie fragte den Wirt, ob er uns nicht in seinen Saal hinein lassen würde. Die Antwort war: „wegen dem „Pack schließ ich den Saal nicht auf.“ Er nahm eine Hacke auf die Schulter und ging fort. Wir blieben in der Hitze dort sitzen. Ich glaube in diesen Moment wurde mir auf einmal bewusst, in welcher Lage wir uns befanden. Nichts zu Trinken, nichts zu Essen und kein Dach übern Kopf. Wir waren ja Vertriebene oder Flüchtlinge und bei den Einheimischen nicht willkommen. Mir ist später aufgefallen, dass während wir auf der Treppe saßen kein einziger F.städter dort vorbei ging. Erst bei Einbruch der Dunkelheit kam der Bürgermeister. Zufällig war der Hof neben der Gastwirtschaft seiner. Die Männer, also auch ich, mussten uns in seinem Hof hinterm Tor aufstellen. Ich war der Jüngste. Er teilte uns den einzelnen Bauern zu. Ich selber und der H. S. mussten zum Schlafen zu dem Bauern T. Der hat uns nur die Kammer gezeigt, ohne uns etwas zu Essen oder zu Trinken anzubieten. Dort blieb ich aber nur zwei Nächte zum Schlafen. Wir bekamen dort einen Raum über dem Kuhstall. In der Mitte war im Fußboden eine Öffnung, durch die die Wärme des Kuhstalls in den Raum gelangen konnte. Es lag nur ein Holzgitter darüber. In diesem Raum stand nur ein Bett mit einem alten Strohsack. Ich holte mir eine Decke von meinen Eltern, genauso der H. von seiner Mutter, die auch anderswo ein Zimmer zugeteilt bekam. Zuerst aber ging ich mit zu der Familie S. Dort hielt ich mich auch tagsüber auf. Nur zum Schlafen ging ich „übern Kuhstall“. Meine Eltern holten mich bald zu sich. Auch H. blieb dort nicht lange. Meine Familie bekam bei den S. drei kleine Räume im ersten Stock zugewiesen. Natürlich ohne Heizung und Kaminanschluss. Frau S. hat uns ein Essen gekocht. Es gab Kartoffel mit Blutwurst und zum Trinken Most. Das werde ich auch nie vergessen. Im Haus wohnten auch zwei ältere Frauen aus dem Rheinland, die ausgebombt worden waren. Als sie später in das Rheinland zurückgingen, bekamen wir dieses größere Zimmer noch dazu. Wir alle, bis auf Vater, arbeiteten vom ersten Tag an auf dem Hof mit. Dafür bekamen wir auch das Essen. Vater war 100% kriegsbeschädigt, er hatte einen Hüftbruch und zwei Oberschenkelbrüche. Deshalb war sein Bein 4 cm kürzer. Vater besorgte als erstes einen Ofen auf Gutschein. Das Rohr ging zum Fenster hinaus. Der Ofen war ein kleines „Blechfass“ mit Rohranschluss. Dann machte er Holz in einem kleinen Wald (Klingholz) in der Nähe. Er erledigte alle Formalitäten mit der Gemeinde. Meine Großeltern verrichteten die Stallarbeiten. Es waren ca.15 bis 20 Stück Rinder im Stall. Die S. hatten ein Paar Zugpferde. Meine Mutter und ich gingen mit auf die Felder. Abends hat meine Mutter noch geholfen, die Kühe zu melken. Wie gesagt alles fürs Essen. Es hatte eine Zeit gedauert, bis wir einen Tisch, Stühle und Bettgestelle beisammen hatten. Geschlafen haben wir die erste Zeit auf Strohsäcke. Hier möchte ich aber gleich etwas festhalten. Sobald die F.städter sahen, dass wir Müllers mitarbeiteten, waren wir im Dorf gut angesehen. Es gab einige Flüchtlinge, Vertriebene und Ausgebombte im Dorf, die aus Städten kamen. Diese Leute waren ja nicht an Feldarbeit gewöhnt. Für die Bauern waren das alles Faulenzer. Nachdem sich die Meinung der Einheimischen über uns etwas gebessert hatte, bekamen wir von verschiedenen Leuten, mal einen Topf oder Teller oder auch Einrichtungsgegenstände geschenkt

Mein Vater ist heute Nacht sanft verstorben. Die letzte gemeinsame Zeit war, besonders mit den 2 Büchern (Auszüge s.o.), noch ein großes Geschenk.
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Meine Sehnsüchte:
Glückliche Familie , Freude am Sport und immer Sonne im Herzen
Challenge MS, für das Gefühl des "Ich kann noch"

Das Leben ist zu kurz für Beinschlagtraining
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