Szenekenner
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Notizen aus Indien - Teil 4 - Mit dem Zug nach Kottayam
Kottayam ist so wie Thrissur: Unglaublich voll, unglaublich zugemüllt, voller Geschäfte, voll quirligen Lebens.
Der nette Tuk-Tuk-Fahrer Maddou hat uns nicht nur zum Bahnhof in Thrissur gefahren und dort mit Björn zusammen ein Ticket gekauft, sondern hat uns auch zum richtigen Bahnsteig gebracht:
Bis zur Abfahrt des Zuges ist's noch eineinhalb Stunden Zeit, also verabschieden wir uns von Maddou und lassen uns noch ein wenig durchs laute, schmutzige Thrissur treiben. Wir erwerben zwei Regenschirme, denn hier gehen aktuell noch jeden Rag heftige Regengüsse hinunter. Einigermaßen stolz erwerben wir zwei des gut aussehenden Modells für 500 Rupien. Das sind zwar nur 100 Rupien weniger als der ausgezeichnete Preis, aber im ersten Laden wollte der Händler für so einen Schirm 600 Rupien pro Stück!
Es ist glühend heiß und wir schwitzen wie Sau mit den Rucksäcken auf den Rücken und gehen deshalb zeitig zurück, um am Bahnhof lieber im Schatten zu warten. Ich sitze beim Gepäck, nachdem ich erstmalig auf dieser Reise ein öffentliches WC besucht habe und es gar nicht sooo schlimm fand - die Vorstellung, im Zug aufs Klo zu müssen schreckte mich definitiv mehr, zu Recht übrigens, wie sich später bei einem kurzen Blick in die entsprechende Einrichtung und dem daraus hervor strömenden Geruch herausstellt - ich sitze also beim Gepäck und Björn stromert noch ein wenig über den Bahnhof und kommt dann zurück und berichtet, dass Maddou da vorne steht, er sei zurück gekommen, um mit uns zu warten, damit wir auch in den richtigen Zug steigen. Wie nett ist dann denn bitte?
Wir warten mit ihm und einem anderen Typen, den Maddou angesprochen hat und erfahren, dass wir für 50 Rupien, das sind knapp 60 Cent, eine "Grundfahrkarte" erworben haben, die aber beim Ticket-Officer aufstocken können, wenn wir z.B. in einem klimatisierten Waggon sitzen wollen.
ich hab' ja manchmal einen seltsamen Geiz-Knall und will deshalb lieber in normalen Wagen sitzen, zumal der freundliche Typ, den Maddou angesprochen hatte, auch da fährt.
Meine Rechenschwäche hat aber auch dazu geführt, dass mir nicht klar war, wie billig das Ticket war und dass ein Upgrade uns vermutlich auch nicht das letzte Hemd kosten würde...
Der Zug fährt dann endlich ein und die normalen Wagen sind rappelvoll und außerdem kommt Maddou außen am Zug entlang gelaufen und ruft uns zu, dass im klimatisierten Waggon Sitzplätze frei sind. Wir drängeln uns zurück, steigen aus und rennen außen am langen Zug entlang bis zu den klimatisierten Waggons. Dort angekommen, fährt der Zug schon an und wir müssen auf den fahrenden Zug aufspringen, was eigentlich sehr leicht ist, weil er entweder keine Türen hat oder sie jedenfalls immer offen stehen. Ich muss allerdings erst mal noch die vor mir in der Tür stehenden Inder unsanft wegschubsen damit Platz für Björn ist.
Bevor wir das erst Mal in den Zug gestiegen sind, hatte Maddou mich noch beschämt, in dem er mein Trinkgeld ablehnte, das ich ihm für die ganze Mühe geben wollte. Und ich hatte noch gedacht, ob es für vielleicht lohnender ist, in der Hoffnung auf ein schönes Trinkgeld reiche Europäer in den richtigen Zug zu setzen, als in dieser Zeit Taxi zu fahren. Er hat fast zwei Stunden seiner Zeit geopfert, damit wir sicher im Zug sitzen. Und er hat es einfach so aus Nettigkeit gemacht und lehnt mein Trinkgeld ab! Für meine Gedanken schäme ich mich nun in Grund und Boden!
IM Zug läuft dann alles super. Durch die Klimatisierung und den dadurch gesicherten Sitzplatz verteuert sich die Zugfahrt um das ca. neunfache, was aber immer noch ein super Preis-Leistungsverhältnis ist, zumal alle naselang Verkäufer vorbei kommen, die Tee, Kaffee und Snacks anbieten, die wir aus Sorge vor Durchfallerkrankungen aber lieber nicht kaufen.
Der Zug schleicht gemächlich durch Kerala. Wir kommen durch Ernakulum, was einer der Teile von Kochi ist, der Stadt, in der wir ankamen und von der aus wir auch zurück fliegen werden, fahren durch Thalayolaparambu, Mannaman und erreichen Kottayam am frühen Nachmittag.
Der nette Typ vom Bahnhof in Thrissur wartet am Bahnsteig auf uns uns nennt uns den Preis, den ein Tuk-Tuk zu den von uns angepeilten Hotels kosten sollte. Und los geht's wieder mal durch den unglaublichen Verkehr. Welch ein Gedränge, welch ein Gehupe, welch ein Ignorieren sämtlicher Verkehrsregeln - wobei ich mir nicht sicher bin, ob es derer hier überhaupt nennenswert viele gibt - welch ein Spaß!
Ich liebe ja die Apé von Piaggo, hätte gerne selbst so eine und genieße die Fahrten in diesen wunderbaren Fahrzeugen deshalb sehr. Hier haben sie aber Dieselmotoren und es gibt nahezu identische Gefährte der indischen Firma Mahrindra.
In ersten Hotel ist alles voll, aber beim zweiten kriegen wir ein hässliches Zimmer, dafür nicht direkt an der Straße und klimatisiert. Weil es noch früh ist, streunen wir noch ein wenig durch Kottayam. Wieder staune ich: Über all die Menschen, über die unzähligen kleinen Geschäfte, die völlig vollgestopft sind mit Waren, über fein säuberlich gestapeltes Obst und einzeln an den Stielen zu großen Trauben festgebundene Äpfel, über vollreife Ananas, Mangos und Papayas, alles zum reinbeißen frisch - und direkt daneben der allgegenwärtige Müll. Im öffentlichen Raum sind Mülleimer schlichtweg nicht existent. (Einen Tag später trinken wir in einem Supermarkt in Alleppey eine Dose Cola und wollen die Dose weder mitschleppen noch nach indischer Manier auf die Straße werfen. Björn geht noch mal in den Supermarkt hinein, um zu sehen, ob es dort vielleicht einen Mülleimer gibt und kommt ohne Dose wieder raus. "Ah, gab es einen Mülleimer?" frage ich. "Nein, aber da war schon in einer Ecke ein Haufen Müll und man sagte mir, ich solle es einfach dazu werfen.")
Ich finde, bzw. Mr. Orientierungsgenie Björn findet problemlos den Weg zum Busbahnhof, von dem aus wir morgen Früh zu einem Vogelschutzgebiet fahren wollen und wir finden auch eine Stelle, von der aus evtl. die Schiffe nach Alleppey fahren, was unser nächstes Ziel nach Kottayam sein wird.
Am Abend bestellen wir im Restaurant des Hotels mit Mühe etwas zu essen, denn hier spricht man kein Englisch und bekommen leckeres, scharf gefülltes indisches Brot mit zwei undefinierbaren Dips. Ich probiere noch mal Chai (den Tee mit Mich) und beschließe, das in Zukunft zu lassen, weil es mir überhaupt nicht schmeckt.
Wir stellen den Wecker auf 6 Uhr, weil wir früh am Vogelschutzgebiet sein wollen, denn im Reiseführer steht, dass man die Vögel morgens am besten sieht.
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