Natürlich kann man jetzt diskutieren, ob Sebastian Kienle überhaupt zu den Hawaii-Favoriten 2012 zu zählen ist, weil er das ja laut eigener Meinung nicht ist und einen Platz in den Top 10 anstrebt, was sicher nicht nur in die Kategorie "Tiefstapelei" einzuordnen ist. Andererseits ist er gerade Weltmeister über die halbe IM Distanz geworden und sein Vorgänger auf diesem Thron hat gezeigt, dass dies nicht die schlechteste Voraussetzung für das Rennen auf Big Island ist. Also, sprechen wir hier von
Sebastian Kienle
Werden die anderen Kona-Favoriten wieder den Klang des "Kienle-Rotors" beim Überholen hören....? (Foto: Copyright Scott-sports.com)
Was soll man über Sebastian schon noch Schlaues an dieser Stelle sagen? Er ist halt Everybody's-Darling und das sicher nicht zu unrecht: sportlich eine Granate und menschlich der Typ, mit dem man sich jederzeit vorstellen kann ein wenig zu quatschen. Und der Mann tut nicht nur so smart, er iss'es auch! Natürlich begeistert immer wieder seine Urgewalt auf dem Rad. Damit trifft er bei den deutschen Fans einen Nerv und schickt sich an, in so große Fußstapfen zu treten, wie sie Thomas Hellriegel, Jürgen Zäck und Normann Stadler hinterlassen haben. Sein Antritt bei der 70.3 WM in Vegas ist jetzt schon Legende....
Das Laufen hat er mittlerweile auch schon auf ein sehr ansehnliches Niveau gehoben; wer auf der Halbdistanz-Laufstrecke gegen einen Craig Alexander nur knapp zwei Minuten verliert, kann nicht mehr viel besser werden. Natürlich ist Sebastian noch nicht der perfekte Athlet mit seinen 28 Jahren; richtig, ich versuche gerade eine Überleitung zu seinem Schwimmen hinzubekommen. Keine Frage, dass er sich in den letzten Jahren im Wasser deutlich verbessert hat. Ich kann mich noch gut erinnern, wie er vor zwei Jahren bei der IM 70.3 EM in Wiesbaden mit knapp drei Minuten Rückstand aus dem Wasser hetzte und solche Tage hat er auch leider noch heute, siehe Vegas. Aber an guten Tagen verliert er auf der gleichen Distanz auf einen Top-Schwimmer wie Andy Böcherer nur noch anderthalb Minuten, wie im Juni in Heilbronn. Ich glaube das Problem ist hier auch ein wenig sein Kopf, der noch nicht so recht daran glaubt, dass er weiter vorne mitschwimmen kann. Das zeigt sich vielleicht auch daran, dass er meint mit seinen "Radlerbeinen" nicht für's Schwimmen gemacht zu sein ;-)
Fakt ist, dass in Hawaii seine Schwimmleistung die limitierende Disziplin sein wird.
Saisonverlauf 2012
Nachdem 2011 für Kienle ein "Übergangsjahr" war, in dem es nicht schlecht lief, aber er auf hohem Niveau vielleicht ein wenig stagnierte, wenn man nur die reinen Platzierungen betrachtet, hat er 2012 ein neues Level erreicht. Und dafür war 2011 mit seinen 70.3 Erfolgen in den USA vielleicht die Basis durch die wertvollen, dort gesammelten Erfahrungen. Galveston mit der schnellsten Radzeit vor LA und nur knapp geschlagen von Tim O'Donnell war sicher ein großer Erfolg und bei dem Top besetzten Feld gut für's Selbstbewusstsein. Kraichgau, an einem nicht so starken Tag, aber immer noch mit einer 1.12 hinten drauf, war sicher eine gute Erfahrung, genauso wie der IM Frankfurt, bei dem er sich in einem exzellent besetzten Feld nur einem starken Marino Vanhoenacker geschlagen geben musste. Der WM Sieg in Vegas war sein bisher bestes Rennen überhaupt, welches auch taktisch seine neue Klasse offenbarte.
Was ist auf Hawaii 2012 drin?
Ganz ehrlich, ich würde mich diebisch freuen, wenn es anders käme als ich hier gleich spekuliere! Aber die Voraussetzungen sind einfach so, wenn das Rennen "normal" läuft, dass ein Platz unter den top5 nicht realistisch in diesem Jahr erscheint.
Wenn er mit vier Minuten aus dem Wasser kommen sollte, kann er zufrieden sein. Viel wird davon abhängen, ob er für sich einen guten Zug im Wasser erwischt oder stark auf sich selbst gestellt sein wird. Vier Minuten aufzuholen wird auf den ersten vierzig Radkilometern nicht möglich sein, wenn man am Ende nicht wandern will; dafür wird das Tempo der Spitze am Anfang zu hoch sein. Wenn das Rennen für Sebastian gut läuft, ist er bis Hawi vorne dran und wird sich dann sicher ein wenig ausruhen und versorgen. Auch wenn das Tempo bis dahin nicht das eines Bummelrennens sein wird, werden die harten Attacken ernst auf dem Rückweg kommen und da wird er mitgehen. Ob er die Beine hat selber immer wieder zu attackieren und mit Vorsprung in T2 anzukommen, wird man sehen.
Ich gehe jedoch davon aus, dass der Vorsprung zu den Top-Läufern nicht groß genug sein wird, um top5 bis ins Ziel zu halten, da ich eine Marathonzeit unter 2.50 in Kona im Moment für ihn nicht machbar halte. Schon das wäre ein großer Erfolg und wer weiß, vielleicht gibt es ein großes Favoritensterben, weil es diesmal eine Menge Athleten gibt, für die nur der Sieg zählt. Das gilt für Sebastian nicht und könnte sein großer Vorteil werden! Go Sebi!