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Alt 10.09.2012, 19:44   #939
bellamartha
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Lost im Nirvana...

Tag 25
9. August 2012
Belluno – Castiòn – Castoi – Valmorel – Casera del Monte Gal – Revine Lago – Tarzo – Arfanta – Agriturismo Le Noci


Oft ist es gut, dass man vorher nicht weiß, was auf einen zukommt. Ich hatte schon die ganzen Tage von dieser heutigen Etappe als der ersten flachen gesprochen. Wer lesen kann, ist klar im Vorteil, denn es sind heute noch mal über 800 Höhenmeter nach oben und nach unten zu bewältigen.
Von Belluno aus geht es erst einmal nach Castiòn und dann lange Zeit an einer kleinen und kaum befahrenen Landstraße entlang durch das malerische Tal des Torrente Turriga. Hier stürze ich zum zweiten Mal auf dieser Reise und natürlich kommt gerade in dem Moment, in dem ich durch das Gewicht des Rucksackes albern wie ein Käfer auf dem Rücken herum zappele eine Rennradlerin vorbei, nachdem vorher ewig lange keine Menschenseele vorbei kam. So kommt sie jedenfalls in den Genuss einiger der gängigen und derben deutschen Flüche...

Dann wird’s anstrengend, denn für mich überraschend, weil ich ja von einer ganz flachen Etappe ausging, steigt der Weg nun bis weit hinter Valmorel, eigentlich bis zum Pian de le Femene stetig und teilweise steil bergan. Ich fühle mich trotzdem wohl, die Strecke ist schön, wenn auch die Orientierung nicht ganz leicht ist, zumal hier kein Schwein Deutsch oder Englisch spricht. Aber extrem freundlich ist hier jeder, den ich auf Italienisch nach dem Weg frage, um von der Antwort nur einzelne Worte oder Gesten zu verstehen.

Oberhalb von Revine Lago, ich kann die Seen unten liegen sehen, nimmt das Unglück dann seinen Lauf: Ich muss ja den Bio-Bauernhof Le Noci erreichen, der in Arfanta bei Tarzo liegt, um dort das am Passo Duran ausgeliehene Klettersteigset zurück zu geben. Aus dem Internet hatte ich eine sehr ausführliche, aber offenbar nicht ganz korrekte Wegbeschreibung ausgedruckt.
Als mir kurz nachdem sich der Blick nach Revine Lago öffnet, auffällt, dass ich vielleicht doch schon dort mit dem Abstieg hätte beginnen müssen, erreiche ich eine Wirtschaftsstraße mit einem Wegweiser, dass es 8 km in so ein kleines Kaff sei (dessen Namen ich jetzt vergessen habe). Ich bin zu faul zurück zu laufen und beschließe nach einem Blick auf die Karte (übrigens eine der Firma Belletti, in der laut Hinweis im Wanderführer der Straßenverlauf völlig falsch eingezeichnet ist), dass das Kaff so falsch nicht ist, weil ich ja eh weiter nach Tarzo muss und mir Revine Lago auch schenken kann. Die 8 km auf der Drecksstraße überlebe ich mal wieder nur Dank Andrès iPod. Im Tal angekommen, halte ich dann stramm auf Tarzo zu und übersehe so, dass ich nun wieder auf den Weg aus der Internetwegbeschreibung hätte abzweigen können und müssen. Als ich dann doch bemerke, bin ich schon gut 1,5 km vom dem Abzweig entfernt und begehe, weil ich ja unbelehrbar bin, denselben Fehler zum zweiten Mal: Weil ich keine Lust auf Zurücklaufen habe, versuche ich mein Glück sozusagen auf eigene Faust. Ein Fehler, der sich nun, vermutlich als Strafe für doppelte Begehen, bitter rächen wird!

Tarzo erreiche ich problemlos. Hier bin ich nun schon mit 8 Stunden reiner Gehzeit und insgesamt ca. 30 Minuten Pause, gut bedient. Und wieder ein Fehler: Anstatt einfach der kleinen Landstraße zu folgen, an der laut Schild nach 4,2 km Arfanta liegt, beschließe ich, den auf der Karte eingezeichneten Wanderweg zu suchen, der mich dann auch wieder auf den Weg aus dem Internet führen soll. Ich finde den Weg aber nicht, dafür aber ungefähr da, wo ich ihn erwartet hatte, einen handgeschriebenen München-Venedig-Hinweis. Im Nachhinein kann ich nur vermuten, dass er von italienischen Partisanen angebracht wurde, die die Schnauze voll haben von dämlichen Deutschen, die ohne jegliche Kenntnisse der Landessprache und ohne jeden Orientierungssinn mit überdimensionalen Rucksäcken und bescheuerter, beiger Wanderbekleidung durch ihr stolzes Land latschen...

Jedenfalls lande ich im Nirvana der Prosecco-Hänge. Manchmal treffe ich auf Eingeborene, frage nach dem Weg, verstehe natürlich ihre Antworten nicht, versuche ihre Gesten richtig zu deuten, deute sie offenbar nicht richtig und verlaufe mich immer mehr. Dann ein Bauer auf einem Trecker, der ein paar Brocken Deutsch spricht und mir den Weg über Privatgrundstücke weist, welch ein Glück! Vermutlich handelte es sich aber in Wahrheit um den Partisanen-Chef, denn als ich den von ihm beschriebenen Weg gehe, lande ich endgültig im Otuback des Véneto. Mittlerweile ist ein Gewitter heraufgezogen, rückt immer näher und ich bin froh, dass ich in Belluno nur die Regenhose, nicht aber die Regenjacke nach Hause geschickt habe. Ich irre weglos über Privatland, sehe irgendwann ein paar Hundert Meter entfernt eine kleine Landstraße, in deren Richtung ich Arfanta den Gesten der Partisanen nach vermute.
Ich beschließe, den direkten Weg zur Landstraße zu nehmen, so beschwerlich er auch sein möge, um sie nur ja nicht mehr aus den Augen zu verlieren. In der Regenjacke schwitzend wie ein Schwein und fluchend kraxele ich durch die Prosecco-Reben und Dornengewächs Hänge hinab und komme nach einigen Umwegen doch endlich zu der Straße. Von dort aus sind es noch gefühlte 100, in Wahrheit wohl aber ca. 3 Kilometer bis nach Arfanta.
Einen München-Venedig-Hinweis, diesmal in vertrauenserweckendem Design, ignoriere ich, weil ich ja schließlich zu diesem verfluchten Bio-Bauernhof muss.

In Arfanta noch mal freundliche Partisanen nach dem Weg gefragt und nach einem weiteren Kilometer und gut 10 Stunden reiner Gehzeit, erreiche ich mit blutig verschrammten Beinen und in Bomben-Laune das Agriturismo Le Noci. Wandern macht Spaß, jaja...

Das köstliche Abendessen der sehr netten Familie entschädigt mich etwas und ich quatsche noch ein wenig mit Melanie und ihrem Freund Jan, die vor 2 Jahren von München nach Venedig gingen und die mir sagen, dass bis hierhin die Orientierung ja kein Problem gewesen sei, aber in den nächsten Tagen müsste ich mich auf größere Schwierigkeiten gefasst machen... ah ja! Gut, dass ich das geborgte Garmin-Navi nach Hause geschickt hatte, als sich abzeichnete, dass ich mit André bis nach Venedig laufe, der ein besseres hatte. Und gut, dass André jetzt schön zu Hause sitzt und ich vermutlich in der Ebene vom großen Nichts verschluckt werde...


Die Bilder:
- Blick zurück auf Belluno und die Berge
- Meine neuen Schuhe, sehr blau, mit einem unvorteilhaften Bild meiner Beine
- Abschied von Alex, Theresa, Gerd und Winfried
- Manche Forums-Mitglieder wissen, warum ich die immer fotografiere...
- Partisanen überall..., ich hätte es wissen müssen!
Angehängte Grafiken
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Geändert von bellamartha (11.09.2012 um 16:50 Uhr).
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