gemeinsam zwiften | youtube | forum heute
Bestzeit!
Triathlon Coaching
Individueller Trainingsplan vom persönlichen Coach
Wissenschaftliches Training
Doppeltes Radtraining: Straße und Rolle mit separaten Programmen
Persönlich: Regelmäßige Skype-Termine
Mehr erfahren: Jetzt unverbindlichen Skype-Talk buchen!
triathlon-szene.de | Europas aktivstes Triathlon Forum - Einzelnen Beitrag anzeigen - Von Rügen nach Hiddensee!
Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 31.08.2012, 17:25   #890
bellamartha
Szenekenner
 
Benutzerbild von bellamartha
 
Registriert seit: 30.05.2010
Beiträge: 5.913
Die Monster-Hatsch (geiles bayrisches Wort!) nach Alleghe

Tag 17
1. August 2012
Pisciadùhütte – Boéhütte – Gipfel Piz Boé – Prodoijoch – Bindelweg – Fedaiasee – Sottogudaschlucht – Alleghe

Nach einer unruhigen Nacht mit sehr wenig Schlaf breche ich um 7 Uhr an der Pisciadùhütte auf. Das Frühstück spare ich mir, sondern esse sieben Butterkekse. Der Weg führt um den Pisciadusee herum und dann sehr steil, sehr kraftraubend und teilweise drahtseilversichert nach oben. Die Sonne scheint und noch bin ich ganz zufrieden.
Am Gipfel des Pisciadù vorbei geht es dann aber auf eine mondähnliche Hochfläche. Es ist sehr still hier oben und auf einmal fühle ich mich unsagbar einsam. Ich bin auf einmal ganz unglücklich und denke darüber nach, die Wanderung bei der nächsten Gelegenheit abzubrechen. Ich bin so müde und erschöpft und einsam und frage mich, welchen Sinn es macht, mit einem schweren Rucksack auf dem Rücken die Berge zu überwinden. Was mir bisher Freude bereitete, zermürbt mich heute: Kaum ist ein Anstieg bezwungen, kaum ein Berg überwunden, türmt sich der nächste vor mir auf.

Es ist eine für mich neue Erfahrung: Wie sehr die Landschaft, die mich umgibt, meine Stimmung beeinflusst und andersherum aber auch: Wie sehr die Stimmung, in der ich mich befinde, meine Wahrnehmung der Landschaft beeinflusst. An einem anderen Tag, in einer anderen Stimmung, vielleicht noch in Begleitung meiner Wanderfreunde, hätte ich die Landschaft um den Piz Boé vielleicht ganz anders erlebt. Und auch: Eine andere, weniger einsame, weniger karge Landschaft hätte mein latent vorhandenes Gefühl von Einsamkeit vielleicht nicht so sehr verstärkt wie diese hier.

Unglücklich erreiche ich Boéhütte, die in 2871 m Höhe am Fuße des Piz Boé liegt. Ich entscheide mich, mein Gepäck in der Hütte zu lassen, um diesen leichtesten 3000er der Dolomiten zu besteigen. Ohne Rucksack habe ich den Aufstieg in weniger als 45 Minuten geschafft. Eigentlich ein eines so hohen Berges unwürdig leichter Aufstieg. Der Piz Boé ist 3152 m hoch, in größere Höhen werde ich auf meiner Wanderung nicht vorstoßen, und ich denke oben wie verrückt das ist, dass der höchste Berg der Erde weit mehr als 5000 m höher ist! Und dass Menschen dort hinauf gehen!
Auf dem Weg zur Lizumer Hütte waren wir in einen Berggasthof eingekehrt. Dort hingen Fotos und Zeitungsausschnitte von einem Freund des Besitzers an der Wand, der den Mount Everest bestiegen hat. Am Tag vor seinem Aufstieg zum Gipfel waren dort viele Menschen gestorben und er sah die Leichen dort liegen am nächsten Tag. Grauenhaft! Der Sherpa, der ihn zum Gipfel begleitete, kocht nun in genau diesem Berggasthof das Essen für die Gäste!
Aber um sich der Gefahren der Berge bewusst zu werden, muss man nicht zum höchsten Gipfel der Welt schweifen: Frank, ein Mitwanderer auf dem Weg nach Venedig, den ich immer mal wieder treffe, berichtete, dass am Tag nachdem wir uns entschieden hatten, wegen des Wetters nicht vom Karwendelhaus über die Birkkarspitze zum Hallerangerhaus zu gehen, dort eine Frau mitansehen musste, wie ihr Mann in den Tod stürzte.

Für mich bestand bei bestem Wetter am Piz Boé keinerlei Risiko und ich marschiere nach dem Abstieg zum Pordoijoch. Es wird ein grauenhafter Wegabschnitt! In Italien schient die Urlaubszeit begonnen zu haben, denn obwohl es ein Wochentag ist, sind wahre Massen an Touristen unterwegs. Wie Ameisenkolonien, einer hinter dem anderen, schlängeln sie sich den schmalen Weg vom Rifugio Maria, wo die Seilbahn, die vom Passo Pordoi hinauf führt endet, zum Joch hinunter und weiter in Richtung Piz Boé.

Etwas ruhiger ist das sehr steile, schotterige Kar zum Passo Pordoi hinunter, weil die meisten eben die Seilbahn nehmen. Das ist ein großer Spaß, den schotterbedeckten Steig hinunter zu eilen! Mit großen Schritten springe ich Stück für Stück hinunter und rutsche im Schotter immer noch ein gutes Stück weiter nach unten.
Das letzte Stück zum Rummel und Lärm am Pass geht durch Wiesen. Am Pass sammeln junge Männer Unterschriften „gegen Drogen“. Ich spreche kurz mit einem darüber, was eine Unterschrift bringen soll, wenn ich nicht in das Feld „freiwillige Spende“ für das Therapiezentrum, aus dem sie (angeblich?) kommen, etwas eintrage. Er redet von Solidarität, aber ich entscheide mich, gegen eine Spende und gegen eine Unterschrift, wo soll ich schließlich arbeiten, wenn die Menschen keine Drogen mehr nehmen...?

Schnell weiter, weg von der Straße, dem Lärm der Motorradfahrer (ätzend!), den Massen der Spaziergänger. Das ist leichter gesagt als getan, denn die Massen wälzen sich auch über den schönen Bindelweg. In Eiltempo laufe ich in Richtung Fedaiasee, der viel schneller als erwartet auftaucht. Ich beschließe, eine weitere Tagesetappe schon heute in Angriff zu nehmen, wenn ich ausreichend früh am Fedaiasee ankomme.

Die mächtige Marmolada im Blick stürme ich weiter. Wie schön es hier wäre, wenn nicht so unglaublich viele Menschen hier unterwegs wären. Auch am schönen Fedaiasee ist viel los, so dass ich rasch entscheide, weiter bis Alleghe zu gehen, um André dort wieder zu treffen.

Ich starte zügig auf einem nicht so schönen Weg, einem Skihang hinunter in Richtung Sottoduda-Schlucht. Diese ist für den Verkehr gesperrt und auf der engen Teerstraße, die gesäumt ist von turmhohen Felsen mit senkrecht in die Tiefe stürzenden Wasserfällen komme ich schnell voran.

Nachdem ich Sottoguda und Pian hinter mir gelassen habe, wird die Strecke langweilig: Schotterwanderweg flach. Die Füße tun weh, weil sie heute schon mehr als 30 km gelaufen sind. Ich tausche die Wanderschuhe gegen die Crocks, was aber nur kurzfristig hilft. Die Aussicht, dass es nun nur noch gut 5 km bis nach Allegehe und damit dem Ruhetag dort sind, lässt mich ohne Murren weiter gehen.

Dann ist der Alleghesee endlich erreicht und bald auch das Hotel und eine sehr lange, sehr heiße Dusche, ein Bett und eine riesige Pizza! In den elf Stunden des heutigen Tages, an dem ich zweieinhalb Etappen und fast 40 km gegangen bin, habe ich lediglich 7 Butterkekse zum Frühstück gegessen, nach der Rückkehr vom Gipfel des Piz Boé eine kleine Cola getrunken und am frühen Nachmittag am Fedaiasee noch einmal eine. Dazu ca. 1-1,5 l Wasser über den Tag verteilt. Mit wie wenig man auskommt!
Jetzt Ruhetag!


Die Bilder:
- Der Weg führt um den See herum, den Pfad an der Wand entlang
- Blick zurück auf den Pisciadùsee und die gleichnamige Hütte
- Ab in die Einsamkeit!
- Kurz vor dem Piz Boé stoße ich auf geheimnisvolle Zeichen von Außerirdischen...
- Die höchste Stelle meiner Reise!
Angehängte Grafiken
Dateityp: jpg CIMG1815.jpg (23,2 KB, 174x aufgerufen)
Dateityp: jpg CIMG1816.jpg (22,7 KB, 173x aufgerufen)
Dateityp: jpg CIMG1822.jpg (16,7 KB, 173x aufgerufen)
Dateityp: jpg CIMG1824.jpg (30,5 KB, 174x aufgerufen)
Dateityp: jpg CIMG1833.jpg (18,9 KB, 172x aufgerufen)
bellamartha ist offline   Mit Zitat antworten