Szenekenner
Registriert seit: 30.05.2010
Beiträge: 6.123
|
Endlich Berge!
Tag 3
18. Juli 2012
Bad Tölz – Arzbach –Benediktenwand – Tutzinger Hütte
Heute angenehme Erschöpfung. Liegt es daran, dass ich im frühen Schatten der mächtigen Benediktenwand auf der Terrasse der Tutzinger Hütte sitze? Oder gewöhnt sich der Körper doch schon an die heftige Belastung?
Schau! Da, am Fuß der Wand grasen einige Steinböcke!
Heute über Tag schmerzten die Füße wieder permanent, mal mehr, mal weniger heftig, aber unentwegt. Vor allem die letzten Kilometer, vom Gipfel der Benediktenwand hinab zur Tutzinger Hütte hinab, waren quälend.
Es ist schön, endlich in den Bergen angekommen zu sein, zumindest für eine Weile die „Wanderautobahnen“ verlassen zu haben, die die ersten beiden Etappen geprägt haben.
Auch die erste knappe Hälfte dieser Etappe ist eine Wanderautobahn. Entlang der Isar, die weiterhin bildschön daher fließt, nähere ich mich immer mehr den Bergen. Kurz nach Bad Tölz überholt mich eine Frau auf dem Rad. Sie dreht sich um, spricht mich an, wohin ich gehe und während der Zeit, die sie ihr Rad neben mir her schiebt, stößt sie immer wieder lustige Rufe der Begeisterung aus, während wir über das plaudern, was vor mir liegt und über die Schönheit ihrer Wahlheimat Bad Tölz. Als sie weiterfährt, schließe ich mit mir selbst eine Wette ab, ob sie sich noch mal umdreht: Sie dreht sich noch mehrfach um und winkt mir lachend zu. Wie nett die Begegnungen dieser ersten Tage schon sind! Ich freue mich auf die, die noch kommen.
Nach Arzbach verlasse ich die Wanderautobahn und endlich, endlich geht es bergauf. Entlang des Arzbaches geht es hinauf, ich gehe eine Weile hinter wandernden Nonnen her, dann wird der Weg immer steiler und verliere dann irgendwo den eigentlich vorgesehenen Weg. Der, den ich nehme, ist aber auch wunderschön und ich erreiche die Benediktenwand von einem anderen Weg her. Weil es noch früh ist und sonnig, entscheide ich mich, zum Gipfel hinauf zu steigen. Es ist eine hübsche Kletterei hinauf, teilweise drahtseilversichert.
Schön ist es, auf dem Gipfel oben in 1801 m Höhe. Ich sitze eine Weile am Fuß des Gipfelkreuzes, das ich jetzt, von der Terrasse aus, hoch oben auf der Wand thronen sehe. Es ist sonnig und windig oben auf dem Gipfel und wenn nicht plötzlich zwei Jagdbomber vorbei rasten, könnte man hier oben glauben, die Welt sei in Ordnung.
Mir fällt Jaques ein, der schöne Jaques alias Jean-Marc Barr, aus dem „Rausch der Tiefe“, der in der Tiefe des Meeres Ruhe und Frieden sucht und dafür am Ende den Tod in Kauf nimmt. Vielleicht sind hohe Berge ein bisschen wie tiefe Ozeane: Eine ganz eigene Welt, fern des Lärmes, des Gestankes. Groß, mächtig, mal fast lieblich und sanft, dann wieder schroff, abweisend, gefährlich.
Mir ist das Gebirge heute wohl gesonnen, zeigt sich sonnig und freundlich. Während ich mich ins Gipfelbuch eintrage, schwebt ein Segelflieger über mich hinweg, fast lautlos und sehr elegant. Dann wieder Flieger über mir; schwarz gefiedert, zutraulich und aberwitzige Flugmanöver vollführend: Bergdohlen.
Hinunter nehme ich den anderen Weg in Richtung Tutzinger Hütte, wo ich früh genug ankomme, um dort auf der Terrasse die Sonne zu genießen und ein leckeres Abendessen zu essen.
Jetzt sind mir die anderen München-Venedig-Geher, die sich am Tisch gegenüber zusammen gefunden haben, zu laut. Ich frag’ mich, ob ich verschroben bin und gleichzeitig ist es mir egal. Es gibt halt zwei Seiten in mir: eine gesellige und eine eigenbrödlerische.
Geändert von bellamartha (17.08.2012 um 16:42 Uhr).
|