Szenekenner
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Pantones Weltlachtag
Der Samstag verlief planmäßig. Morgens hatte mein Mann hatte ein wenig gejammert, dass er nicht beim Duathlon starten könne, weil er so einen starken Muskelkater in den Beinen habe. "Wieso das denn?", hatte ich ihn misstrauisch gefragt. Aufgrund meiner ausgeprägten inquisitorischen Ader hatte ich dann heraus bekommen, dass er Krafttraining gemacht hatte, weil er zu Hause seine Radschuhe vergessen hatte. Vermutlich um der alten Zeiten willen hatte er die alten Gewichte aufgelegt. So viel jugendliche Unvernunft kann ich selbstredend nicht akzeptieren. Und schon gar nicht, da er mich ja erst drei Tage vor der Veranstaltung gebeten hatte, ihn anzumelden. Also, los.
Vor Ort stehen das Kind und ich im Regen. Nach der ersten Radrunde hat mein Mann die Faxen dicke und steigt aus. "Jetzt," sinniert er vor sich hin, "weiß ich endlich, was die immer meinen, wenn sie alle davon reden, dass die Oberschenkel zu machen." Für diese Erkenntnis hat sich die Fahrt hierher natürlich gelohnt. Da es am Ort des Renngeschehens keine Duschen gibt, fahren wir nach Hause. Als alle wieder frisch sind, fahren wir zum Fahrradhändler in den Nachbarort. Wie immer verbringen wir dort einige Zeit. Das Kind bekommt ein neues Fahrrad: alles amtlich mit Gangschaltung und ohne Rücktritt. In der Werkstatt erklärt der Chef ihm noch so wichtige Dinge wie zum Beispiel einen Zentrierständer. Wieder zu Hause üben die Jungs in der Tiefgarage das Fahren mit dem neuen Flitzer. Warum in der Tiefgarage? Na, weil es draußen noch nass ist und das neue Bike abends natürlich mit ins Bett soll! Ich sause schnell ins Freibad. An diesem sonnenfreien Tag hat das Wasser mittlerweile noch 14,5 Grad. Erträglich, aber frisch. Am Kassenhäuschen frage ich noch mal nach: nein, meine Stoppuhr hat sich nicht wieder angefunden. Pech gehabt. Oder Glück, wie man´s nimmt. Der Wecker war so hässlich und unpraktisch, dass man sich nur fragt: "Wer nimmt so was freiwillig mit?"
Als der Tag endlich zu Ende ist, ist es halb eins nachts. Ich habe noch einen Kuchen für den Kindergarten gebacken, im dem am Sonntag ein großes Fest steigt. Mit angenehmer Bettschwere falle ich ins Bett und und schicke Stoßgebete zu Petrus, dass die Wetterfrösche sich für Sonntag geirrt haben mögen.
Haben sie aber nicht. Als ich um acht Uhr am Sonntag Morgen in Nieder-Erlenbach auf die schöne RTF-Runde gehe, schüttet es bei neun Grad Lufttemperatur aus allen Kübeln. Am Start überlege ich, statt der 114 vielleicht lieber die paar und 70 zu fahren und abends noch mal auf die Rolle zu gehen. Nach zehn Kilometern bin ich komplett durchnässt, nach 20 klappern mir die Zähne und als ich am Ende der kleinen Runde von 45 Kilometern wieder am Auto bin, muss ich einen fremden Mann bitten, mir den Fahrradanhänger runterzuklappen und den Helm aufzumachen. Ich denke an Pete, meinen Medizinmann, der mir davon abgeraten hatte, zwei Kilo abzunehmen. Ein herzliches Dankeschön auch der Fahrerin des Wagens eines ambulanten Pflegedienstes, der mich bei Kilometer 42 nur knapp gerammt hat.
Die Umkleide ist fantastisch: original 70-er Jahre Hobbykeller-Style. Dunkelbraune Bodenfliesen, Kiefer-Vollvertäfelung an Wänden und Decke. So hot wie die Duschen. Kaum beginne ich mit dem Abtrocknen, schneien ca. 15 Fußballjungs rein. Ich verkrümel mich in die Dusche und am Ende fehlt meine Kulturtasche. Aber man muss ja auch gönnen können und dem einen oder anderen tut ein bisschen Kultur sicherlich ganz gut. Ein kleiner bescheidener Beitrag gegen den Untergang des Abendlandes. Als ich vom Parkplatz fahre, ist alles wie vorher - außer Regen. Auf dem Hinweg lief im Radio ein Beitrag zum Weltlachtag, an den ich gerade denken muss. Und lachen muss ich jetzt auch.
Zu Hause sind es bei meiner Ankunft 19 Grad und trocken. Es ist zum Mäuse melken. Nachmittags Fest im Kindergarten. Ich gebe artig unseren Kuchen ab, um mir dann einen O-Saft und einen Kaffee zu kaufen. Am Buffet steht eine Spendenbox. Das Konzept dieser Selbstausbeutung habe ich nie verstanden, aber akzeptiert, denn ändern werde ich es sowieso nicht können. Leider gehört es hier nicht her, sonst würde ich jetzt gern mal meine Meinung zum Thema "Engagierte Mütter in lebensfremden Welten am Beispiel von einer deutschen Kindertagesstätte" kund tun. Besser Schwamm drüber.
Als das Fest zu Ende ist, räume ich mit auf und fege die Räume aus. Wenn es nichts zu fegen gibt, male ich mir aus, der Besen wäre ein Nimbus 2000. Dann würde ich jetzt über alle Köpfe hinweg sausen und ein bisschen rumhexen. Derlei Gedanken behalte ich aber lieber für mich, denn schließlich bin ich dem ambulanten Pflegedienst heute gerade so entwischt und möchte den stationären lieber nicht auf mich aufmerksam machen. Man soll sein Glück auch nicht zu sehr herausfordern. Nachdem alles erledigt ist, setzt draußen ein Gewitter ein und es gießt in Strömen. Der Junior spielt im Bewegungsraum Fußball mit einem Fußball-Profi. Der hat wieder ein Glück, nicht zu fassen.
Die nächsten Stunden verlaufen so wie Sonntag Abende so ablaufen. Um 21.30 Uhr ziehe ich meine nassen Radschuhe an und fahre noch eine Stunde auf der Rolle. Nachts werde ich wach, weil das Kind ruft: "NEIIIIN, mein Rad ist schmutzig!" Und Montag beginnt eine neue Woche. Die wird bestimmt auch wieder schön.
Geändert von Pantone (07.05.2012 um 13:33 Uhr).
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