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Alt 24.08.2011, 13:40   #556
Pantone
Szenekenner
 
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Von Ross und Reiter

Neulich beim Hamburg Triathlon an einem Verkaufsstand für Fahrräder. Zwei Ehepaare, alle deutlich über 60, betreten die Szene. Dem Dialekt nach zu urteilen, stammen sie aus dem Fränkischen. Den Damen merkt man das nicht gleich an, weil sie dezent sind, aber dem großen Dicken mit der durchdringenden Stimme entrinnt so schnell keiner. Vor einer Carbon-Zeitmaschine baut der Sendungsbewusste sich auf, vermeldet mit mächtigem Organ: „Mit sooo einem Rad käme ich den Berg auch bei uns hoch.“ und sieht sich herausfordernd um. Ich gucke die Damen nur mitfühlend an und vermute, dass die, die sich am meisten geniert, wohl die Ehefrau sein muss. „Ach,“ sage ich leichthin und freundlich, „es ist ja ein verbreiteter Irrtum, dass diese Räder von allein fahren. Treten muss man immer noch selbst.“ Und damit lasse ich den schwadronierenden Riesen stehen. Dass der Hobel seine Gewichtsklasse ohnehin nicht aushalten würde, verschweige ich dem übergewichtigen Rentner gutmütig.

Auf mein Rad lass ich ja nichts kommen. Das tut treu seine Dienste, hat mir erst einen Platten beschert und mir sogar einen Sturz verziehen. Es ist ein Standard-Modell aus dem Versandhandel: günstig, robust, ohne Allüren und hört auf den Namen Rosinante. Don Quijote hatte seinen alten dürren Klepper so getauft. Und wie er so ziehen auch meine Rosinante und ich gemeinsam los und verbringen Stunden draußen in der freien Wildbahn. Und wenn sie dann so vor sich hin schnurrt und willig all meinen Anweisungen und Kommandos folgt, freue ich mich. Natürlich spielen da Lebensalter und Erfahrung eine wichtige Rolle. Denn, und da bin ich mir sicher, auch vermeintliches Alu hat eine Seele. Wie sonst ist es zu erklären, dass ich immer wieder auf Rosinante angesprochen werde? Viele halten sie für einen ausgesprochen schönen Gaul. Ja, ich behandel Rosinante auch gut, stelle mich auf ihre Eigenarten ein und dank Rosinante sind wir beide zusammen guter Durchschnitt.

Und dann muss ich das in der Zeitung lesen: „Pferde sind keine Fahrräder“. Gesagt hat das Ann-Kathrin Linsenhoff, deren Stiefsohn Matthias im Alter von Mitte 20 den teuersten Gaul der Welt unter Niveau reitet. Totilas hat schlappe 10 Millionen Euro gekostet und hat Schwierigkeiten, die Weltherrschaft zu halten. Jetzt wurde denn zur Abwechslung ´mal ein kleines bisschen Kritik am Reiter laut. Menschenskind, das ist ja ein Ding. Haben die denn im Ernst geglaubt, der Schockemöhle stellt denen so einen Edel-Zossen hin und dann geht´s ab? Wenn ja, dann bräuchte das Wundertier doch auch gar keinen Reiter mehr, oder wie? Da staune ich aber wirklich.

Nein, es ist nicht das Ross, das den Großteil des Sieges ausmacht, es ist der Reiter. Oder, wie Lance Armstrong das ´mal so schön sagte: „Gimme a fucking mountain bike and I´ll beat them all.”

Ich glaube, Totilas braucht einen neuen Reiter. Vielleicht auch ruhig einen, der schon ein bisschen älter ist.
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