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triathlon-szene.de | Europas aktivstes Triathlon Forum - Einzelnen Beitrag anzeigen - Gigathlon 2011
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Alt 20.07.2011, 09:57   #132
Jimmi
Szenekenner
 
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Registriert seit: 16.11.2006
Ort: Eisenach
Beiträge: 2.483
Hab mal einen kurzen Artikel getippert:

Es ist Sonntag früh kurz nach Fünf. Knapp 300 Mountainbiker kämpfen sich in der ausklingenden Nacht schweigend die Steigung von Leukerbad in die darüber liegende Felswand empor. Alle sind seid halb vier auf den Beinen, haben wenig geschlafen und nur ein kurzes Frühstück im Festzelt genossen. Es ist empfindlich kalt, fast alle haben anfangs lange Hosen und eine lange Jacke an, trotzdem wird den meisten schon sehr warm. Zum Glück ist die Straße asphaltiert, so kann man sich ganz auf sich selbst konzentrieren. Die Gedanken gehen zurück an den Vortag und den Prolog dieses härtesten Ausdauermehrkampf Europas: Dem Gigathlon 2011.
Seit Freitag ist der Tross aus über 5500 Sportlern im Wallis, dem diesjährigen Austragungsort der Gigathlon. Neben den knapp 900 Teams haben sich auch 183 Einzelstarter für dieses Rennen angemeldet, das auf 345 km Streckenlänge mit 11.111 Höhenmetern über 10 Etappen in 5 Disziplinen führt. Viele der Singles, sonst deutlich über 200, haben sich gegen einen Start entschieden. Weitere 30 Prozent werden der Herausforderung nicht gewachsen sein. Schließlich ist nicht nur die vertikal zurückzulegende Strecke deutlich über dem, was sonst bei dieser Veranstaltung abverlangt wird. Es geht außerdem zu Fuß auf den höchsten, jemals angelaufenen Punkt, dem Gornergrat bei Zermatt mit 3084 Metern.
Jimmi, Chef der Salzunger Schwimmer und Multisportler aus Leidenschaft wollte eigentlich nach 2 geglückten Teilnahmen in St. Gallen und Bern nicht noch einmal starten. Aber die diesjährige Streckenführung versprach sowohl von der sportlichen Herausforderung als auch von der Landschaft her einmalig zu werden. Also stand er dann doch nach mehreren Monaten intensiver Vorbereitung zum Prolog am Start in Turtmann und begann eine lange Reise in die Bergwelt des Wallis.
Schon das Skaten als Auftaktdisziplin hatte es in sich: Die ersten Kilometer wurden noch neutralisiert gefahren, bis es rechts ab in die Steigung nach Leukerbad ging. Dort waren auf 10 Kilometern 750 Höhenmeter zu bewältigen und damit ein ganz anderes Kaliber als die Trainingsstrecken an der Wartburg oder Gollert. Der Veranstalter hatte ausnahmsweise Stöcke zugelassen und ein großzügiges Zeitlimit gesetzt. Aber schon jetzt zeigte der Wettkampf seine Zähne, auch in Form der extremen Hitze im unteren Streckenabschnitt. Unglücklicherweise verfing sich Jimmi in einem Gulli, konnte zwar gleich wieder aufstehen, zog sich aber eine Schnittwunde an der Hand zu, die Ihm das Leben am folgenden Tag sehr schwer machen sollte.
Welche Höhe die Teilnehmer erreicht hatten, wurde vielen wohl erst am nächsten Tag bewusst, als es mit dem Bus um halb fünf vom Single-Camp in Leukerbad zurück zum großen Team-Zeltplatz in Turtmann ging und weit unten im Talgrund Lichter und Häuser nur ganz langsam größer wurden und der Bus schier endlos durch die an Vortag erklommenen Serpentinen bergab fuhr.
Als schlechter Skater und nur mit besseren Freizeitskates ausgestattet nahm Jimmi wie üblich das Rennen von hinten in Angriff und startete mit den besten Wünschen seiner Frau, die als Staffelschwimmerin ebenfalls mit in der Schweiz war, über 33 km leicht bergab zu einer der leichteren Etappen des Tages. Von dort aus ging es auf das Rennrad mit 63 km und 2000 HM sowie einer wunderschöne Strecke durch das Val d’Herault mit seinen beeindruckenden Steinpyramiden und unglaublichen Aussichten. Die Morgenfrische half, die Kräfte gut zu konservieren, denn der Tag sollte noch lang werden. Schwimmen ist normalerweise eine Stärke von Jimmi, aber durch die Verletzung an der Hand konnte er nicht richtig durchziehen und musste auch sonst auf den 3 Kilometern mit angezogener Handbremse schwimmen, da durch die veränderte Belastung und Gleichgewichtslage die Krampfgefahr groß war. So kam es dann auch bei einem der 3 Landgänge, die über unebene Stufen an einer Verpflegungsstation vorbeiführten. Nach kurzer Dehnung ging es aber weiter und der nächste Wechsel stand an auf den zweiten richtigen Hammer der Veranstaltung: Berglauf über 15 km mit gesamt 1600 Höhenmetern, vom mittagswarmen See in Crans Montana bis auf fast 3000 Metern über NN mit eisigem Wind, riesigen Geröllfeldern und Gletscherresten. Dort verpasste Jimmi fast seinen Betreuer, einen Internetfreund und Zweiradmechaniker aus Regensburg, der im Stau vor der Gondel stecken geblieben war. Erinnerungen kamen auf an den verunglückten ersten Wechsel vor 2 Jahren in Stankt Gallen, als Jimmi eine knappe halbe Stunde in der ersten Wechselzone vergebens nach dem Supporter Ausschau hielt und das Rennen schließlich ganz von hinten aufrollen musste.
Auf der Plaine Morte fand man sich aber zum Glück und fuhr mit der Seilbahn wieder bergab zum letzten Wechsel des Tages. Auch auf dem MTB ging es zunächst schier endlos bergauf. Die Verletzung des Vortages war allerdings durch Schwimmen aufgeweicht und durch den Berglauf mit Handschuhen und den ausnahmsweise erlaubten Stöcken weiter malträtiert worden. Beim Radfahren, im wörtlichsten Sinne über Stock und Stein und über nicht enden wollende steile und technischen Trails, fuhr jede Erschütterung schmerzend durch die Hand. Verzicht auf den Handschuh und ein notdürftiger Verband durch einen Sanitätsposten halfen wenig, so dass diese Etappe zu einer echten Tortur wurde. So gehandicapt war auch nicht daran zu denken, alle Wege zu fahren und es wurde mehr bergab als bergauf geschoben. Kurz nach acht Uhr abends fand sich Jimmi dann nach 13,5 Stunden Wettkampfdauer und über 5000 Höhenmetern im Ziel in Leukerbad wieder. Hundemüde, nur kalt geduscht und mit schmerzender Hand ging es fast direkt in den Schlafsack. Sein Betreuer hätte nicht gedacht, ihn am nächsten Tag wieder am Start zu sehen.
Doch nach hinten raus konnte sich Jimmi bisher immer auf seine Stärke und gute Renneinteilung verlassen und stand müde, aber voller Adrenalin am kommenden Morgen um 5 Uhr wieder am Start. Die erste Etappe auf dem Bike verlief weitestgehend schmerzfrei und führte über wundervolle Alpenwiesen, Trails und herrlichem Wetter fast wie im Urlaub. Das Schwimmen über weitere 3 km war die letzte lockere Etappe des Tages. Schon die Fahrt mit dem Rennrad über weitere 1000 HM nach Zermatt hoch erwies sich als unrhythmisch, heiß und kräftezehrend. Zudem war Jimmi wegen der besseren Übersetzung auf das Rennrad seiner Frau umgestiegen und kleine Abweichungen in der Geometrie machten ihm das Leben schwer. Viele Starter waren nicht mehr zu sehen, als er wieder auf die Laufschuhe wechselte, um nochmals 1600 Höhenmeter auf den Gornergrat zurückzulegen. Noch vollkommen im Fluß, „in the flow“, wie man über das eins sein mit sich und der Situation sagt, wurde Jimmi rau auf den Boden des Wettkampf zurückgeholt, als ein schon überholter Läufer wieder aufkam und etwas von Kontrollschluß auf dem Gipfel in 40 Minuten sagte. Die letzten 400 Höhenmeter waren dann auch geprägt von extremer Tempohatz, um nur ja nicht aus dem Rennen zu fallen. Gerade noch rechtzeitig erreichte Jimmi die Zeitmessmatte und den vorerst letzten Zug zurück nach Zermatt um dort in Windeseile zurück aufs Rennrad zu wechseln. Mit Hochgeschwindigkeit ging es anschließend talabwärts bis Stalden, wo der letzte Prüfstein der Rennens lag: Die Moosalp, mit noch mal 1200 Höhenmetern Anstieg bei zunehmender Dämmerung. Hier galt es, selbst nach 30 Stunden Wettkampfdauer, genügend mentale Stärke für 90 Minuten Quälerei bergauf zu haben. Die 40 minütige Abfahrt in zunehmender Dunkelheit war auch alles andere als einfach zu fahren. Trotzdem erreichte Jimmi kurz nach Zehn Uhr abends erschöpft, aber überglücklich das Ziel in Turtmann.
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Keine Panik!
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