Warum Opa so schlecht verlieren kann
Das letzte Wochenende habe ich bei einer spanischen Freundin in Madrid verbracht. Dieses Mal waren wir nicht bei Real im Stadion, wurden dafür aber Zuschauer eines großen Fußballspektakels im zur Wohnung gehörenden Garten.
Alejandro, 5 Jahre, hat auf dem heimischen Grün gegen seinen Opa José gekickt. Und wenn Fußball und spanisches Temperament aufeinander treffen, geht´s bekanntlich hoch her. Emotionen pur – wie deutsche Fernsehreporter in ihrer sprachlich so grandiosen Einfallslosigkeit gern immer wieder betonen.
Der Enkel gestikuliert und flucht und steigert sich im Laufe des Spiels in lautstarkes Gebrüll. Der grauhaarige Opa bleibt ruhig und scheint sich förmlich darauf zu konzentrieren, ja keinen Ball zu halten. Bei jedem Schuss seines zeternden Enkels sieht man dem mehrfachen Großvater an, wie viel Energie es ihn kostet, seine Reflexe im Zaum zu halten. Fast könnte man meinen, er stelle sich tot. Denn sonst kann der ältere Herr eine ganze Menge am Ball. Die Eleganz und Leichtigkeit mit der er den Ball aufnimmt, kickt oder lupft ist schon beeindruckend. Spielerisch und doch routiniert. Da Großvater sich so viel Mühe gibt, gewinnt Alejandro am Ende – wenn auch knapp.
Beim anschließenden gemeinsamen Umtrunk am Esstisch im Wohnzimmer fällt mein Blick auf das gerahmte Schwarz-Weiß-Foto, das im Bücherregal steht. Der Fotograf hat hinter dem Tor gestanden als er das Foto gemacht hat: ein junger Torwart liegt quer in der Luft und hält mit beiden Händen einen mit voller Wucht geschossenen Lederfußball. Im Hintergrund eine Wand aus Zuschauern, das Spiel muss vor Tausenden stattgefunden haben. Und im Stillen frage ich mich, ob der Opa es heute vielleicht zum ersten Mal bereut hat, dass er Fußballprofi bei Real Madrid gewesen ist.
Geändert von Pantone (20.09.2010 um 13:22 Uhr).
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