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ERICH KAESTNER: Der dreizehnte Monat
Der dreizehnte Monat
Wie saeh er aus, wenn er sich wuenschen liesse?
Schaltmonat waer? Vielleicht Elfember hiesse?
Wem zwoelf genuegen, dem ist nicht zu helfen.
Wie saeh er aus, der dreizehnte von zwoelfen?
Der Fruehling muesste bluehn in holden Dolden.
Jasmin und Rosen haetten Sommerfest.
Und Aepfel hingen, muerb und rot und golden,
im Herbstgeaest.
Die Tannen traeten unter weissbeschneiten
Kroatenmuetzen aus dem Birkenhain
und kauften auf dem Markt der Jahreszeiten
Maigloeckchen ein.
Adam und Eva laegen in der Wiese.
Und liebten sich in ihrem Veilchenbett,
als ob sie niemand aus dem Paradiese
vertrieben haett.
Das Korn waer gelb. Und blau waeren die Trauben.
Wir traeumten, und die Erde waer der Traum.
Dreizehnter Monat, lass uns an dich glauben!
Die Zeit hat Raum!
Verzeih, dass wir so kuehn sind, dich zu schildern.
Der Schleier weht. Dein Antlitz bleibt verhuellt.
Man macht, wir wissen's, aus zwoelf alten Bildern
kein neues Bild.
Drum schaff dich selbst! Aus unerhoerten Toenen!
Aus Farben, die kein Regenbogen zeigt!
Pluendre den Schatz des ungeschehen Schoenen!
Du schweigst? Er schweigt.
Es tickt die Zeit. Das Jahr dreht sich im Kreise.
Und werden kann nur, was schon immer war.
Geduld, mein Herz. Im Kreise geht die Reise.
Und dem Dezember folgt der Januar.
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Das Leben ist ein Zeichnen ohne die Korrekturmöglichkeiten des Radiergummis.
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