Szenekenner
Registriert seit: 21.11.2008
Ort: Neubrandenburg
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und TEIL 2:
42,195km Laufen
Zeit: 4:00,42h
Verpflegung: ca. 3,5l Cola
Beim Laufen hab ich dann gleich mal bis auf die dicke Regenjacke alle Sachen angelassen, die ich schon beim Radeln an hatte. Denn es war zwar nicht mehr so kalt, wie oben auf den Bergen, dafür regnete es nun lustig vor sich hin. Nach 50m bemerkte ich, dass ich auch noch die Radhose an hatte. Also angehalten, 2 Radtrikots ausgezogen, Radhose weg und Radtrikots wieder angezogen.
Jetzt hieß es immer schön auf der linken Seite gegen den normalen Autoverkehr anzulaufen. Es gibt keine Sperrungen oder ähnliches, der abschließende Lauf findet mitten im normalen Straßenverkehr statt. Zum Glück ist der Verkehr dort nicht halb so wild wie in Deutschland und auch die Autofahrer sind im allgemeinen dort entspannter und rücksichtsvoller, aber trotzdem war ich ganz froh, dass Lena immer so 10-20m vor mir mit dem Rad fuhr und die Autofahrer auf mich aufmerksam machte.
Ich startete das Laufen mit flottem und kontrolliertem Tempo, merkte aber, wie sich die Kurzatmigkeit, die sich bereits beim Radfahren entwickelte, wieder bemerkbar machte. Leider ließ sich dieses Problem auch nicht durch vermindertes Tempo beheben, egal wie schnell oder langsam ich lief, nach maximal einem Kilometer fing ich an zu hecheln. Dabei ging es mir muskulär trotz der anspruchsvollen Radstrecke erstaunlich gut, ich spürte noch gar keine Ermüdung in den Beinen. Naja, schließlich war ja auch bereits beim Radeln die Atmung der leistungsbegrenzende Faktor gewesen, nicht die Muskeln. Bei Kilometer 5 gab ich es auf, eine laufspezifische tiefe Atmung hinzubekommen. Wenn ich auch bei langsamen Tempo Atmungsprobleme bekam und Pausen machen mußte, konnte ich auch ebenso gut versuchen möglichst schnell zwischen den Pausen zu laufen. So bin ich dann immer ca. 3-4 min gelaufen und habe dann Gehpausen von 15-20 Sekunden eingebaut. Diese Taktik hab ich dann bis ins Ziel durchgezogen, auch wenns sich manche Athleten wohl wunderten, wenn ich erst an ihnen vorbeischmetterte und dann 50m weiter anfing zu gehen. Aber immer konnte ich wieder mit dem Laufen beginnen, bevor sie wieder zu mir aufgeschlossen hatten, und dann war ich meist weit genug weg, so das sie sich wieder mit sich selbst beschäftigen konnten :-)
So kämpfte ich mich langsam Richtung Schlußanstieg, wobei das Laufen trotz der miesen Atmung viel Spaß machte. Schließlich war ich nur am Überholen und die anderen Athleten kamen auch immer in schönen Abständen, so das man, wenn man den einen überholt hatte, den nächsten bereits irgendwo vor sich sah.
Bei km25 ging es dann links weg von der Hauptstraße, rein in den Schlußanstieg zum Gaustatoppen (siehe GoogleEarth). Der Berganfang ist ziemlich steil........und leider wird es die nächsten 10km nicht besser. Die ersten 10km des Anstieges sind im Schnitt 10% steil! Ich habe sofort meine Schrittlänge hinuntergeschraubt und versucht, eine Art Berglaufrhythmus mit kurzen, federnden Schritten zu entwickeln. Das hat auch ganz gut geklappt, so dass ich auch am Berg meinen vorherigen Rhythmus, 3 Minuten laufen und 20 Sekunden gehen, weiterlaufen konnte. Zumindest in den Regionen wo ich mich bewegte, kam es längst nicht mehr darauf an, möglichst schnell zu laufen. Es ging eigentlich jetzt bei allen nur noch darum, wer die längsten Laufabschnitte und die kürzesten Gehabschnitte absolvieren konnte, weil sich herausstellte, dass auch der langsamste Laufschritt immer noch schneller als der schnellste Stechschritt beim Gehen ist.
Begleitet wurde ich mittlerweile wieder von Lena und Björn im Auto oder zu Fuß, da das Terrain für Lena zu steil zum Radeln war, sprich sie wäre umgefallen, wenn sie hätte so langsam radeln müssen, wie ich lief. Nach 3-4 Kilometern im Berg sah ich die führende Frau vor mir und da meine Gehpausen kürzer waren als ihre, konnte ich sie ca. nach der Hälfte des Berges überholen. Ich hab ihr schon mal prophylaktisch zum Sieg gratuliert, aber das hat sie wohl nicht mehr richtig mitbekommen. Naja, an diesem Berg kämpft wirklich jeder seinen eigenen Kampf.
Ungefähr zu diesem Zeitpunkt kam Björn mit der Information zu mir, dass wir wegen Schneetreibens nicht mehr bis zum Gipfel würden laufen dürfen, sondern beim Mountaincheckpoint in Stavsro (km37,5) umdrehen und wieder 4,7km bergab laufen müßten. Ich fand das schade, denn natürlich sollte der Gipfelsturm der Höhepunkt des NORSEMAN werden. Auch ging damit etwas die Vergleichbarkeit mit Resultaten anderer Jahre verloren, auch wenn wir durch die zusätzlichen 10 Radkilometer länger für das Radfahren brauchten, als die Athleten anderer Jahre. Auch war ich bergan nur am überholen, bergab setzte sich das dann leider nicht mehr fort und ich denke ich habe mindestens 2 Plätze dadurch eingebüßt.
Nun ja, das war nun nicht zu ändern und die dicke Wolke, die den Gipfel einhüllte sah auch wirklich nicht sehr verlockend aus (der Hauptorganisator Harek Stranheim nach dem Wettkampf:“After this year’s event, we don’t need to fear difficult conditions anymore. We have experienced it all. It will probably take another 25 years until we experience weather this extreme again. The competition is so extreme that for most of the athletes their goal is just to cross the finish line, their time is not that relevant.”).
Nach knapp 8km im Berg kam ich am neu aufgebauten Ziel vorbei und einen Kilometer später verließ ich die Baumregion und kam auf die Hochebene. Schlecht für die Psyche ist, dass man dort ziemlich weit nach vorn die Straße entlangschauen kann und andere Athleten weit entfernt laufen sieht und weiß, dass man dort auch noch hin muß. Es ging langgezogen einen Hügel hinauf, auf der anderen Seite wieder hinunter und wieder ansteigend rechts um eine Felsenecke.........und dort war er, der Laufcheckpoint Stavsro. Einen Verpflegungstisch umrundet und ich wußte zum ersten Mal genau, wie weit es noch bis zum Ziel war, da man durch das neuimprovisierte Ziel beim Aufstieg ja bereist durchgekommen ist. Wieder über die Hochebene zurück, diesmal gegen den kräftigen Wind, nach 3,5km wieder eingetaucht in die Baumregion......und nach insgesamt 12:11,30h war ich stolzer, aber geschaffter NORSEMAN! :-)
Nach dem Wettkampf.....
Vom Zielbereich hatten wir es zum Glück nicht weit bis zum Hotel. Nur einen knappen Kilometer unterhalb des Ziels bogen wir von der Hauptstraße ab und nach 3 weiteren Kilometern waren wir bereits am Hotel "Gaustablikk". Das Einchecken ging sehr schnell und so konnte ich endlich das tun, was ich schon den ganzen Tag vor hatte: eine Stunde lang heiß duschen! Essen konnte ich nicht viel, da ich wie bei meinen früheren Ironman wieder Schluckbeschwerden im Gaumenbereich bekam und kaum etwas hinunterwürgen konnte. Für die 5-Minuten-Terrine habe ich bestimmt 2 Stunden gebraucht. Dann haben wir uns noch die Fotos und Videos des Tages am Fernseher zu Gemüte geführt, während Lena noch den Indoor-Swimmingpool des Hotels unsicher machte.
Am nächsten Morgen haben wir das reichhaltige Frühstücksbuffett genossen (auch wenn ich immer noch nichts festes zu mir nehmen konnte) und sind dann so langsam in das gegenüberliegende Gebäude zur Siegerehrung gegangen. Hier war es sehr voll und der Stimme des Sprechers (und gleichzeitig Hauptorganisators) merkte man dann ohne Mikrofon auch an, das so ein Wettkampftag auch an den Organisatoren nicht spurlos vorüber geht. Zuerst wurde der Sieger des Vortages, der schwedische Triathlonprofi Björn Andersson (10:30,09h) nach vorn gerufen, der unter rauschendem Beifall als Erster das begehrte schwarze NORSEMAN Shirt überstreifen konnte. Danach wurden alle Athleten in Reihenfolge ihrer Platzierung nach vorne gerufen, so das bei diesem Wettkampf auch der Letzte wie der Erste gefeiert wurde. Ich kam als 16. an die Reihe (Gesamtzeit: 12:11,30h), kurz vor der ersten Frau, Trude Andersen aus Norwegen, die in 12:21,31h Gesamtplatz 20 belegte. Nach der Siegerehrung wurden wir alle nach draußen gebeten um ein Foto aller Finisher vor der Kulisse des Gaustatoppen zu machen. Leider war der Berg genau wie am Vortag wolkenverhangen und vom Gipfel praktisch nichts zu sehen.
Ich bin dann noch 1 Stunde spazieren gegangen und habe ansonsten den Tag locker vor dem Fernseher ausklingen lassen. Am nächsten Tag haben wir dann früh die Koffer gepackt und haben uns dann durch eine wunderschöne Landschaft zurück auf den Weg nach Oslo gemacht.
Fazit
Der NORSEMAN ist wenig vergleichbar mit normalen Ironman-Veranstaltungen. Damit meine ich nicht unbedingt die Strecke und ihr Profil, das kann jeder selbst lesen und interpretieren. Wer den NORSEMAN in Angriff nimmt, sollte sich darauf einstellen, das der Organisationsgrad der Veranstaltung bei weitem nicht so hoch ist, wie bei mitteleuropäischen Langstreckenrennen. Der NORSEMAN ist vielmehr eine Art Familienunternehmen, der von maximal 15 - 20 Personen organisiert wird. Man sollte also ein gut funktionierendes Supportteam mitbringen, welchem man unbedingt vertrauen kann. Weiterhin empfiehlt es sich die Verpflegung für den Tag selbst zu kaufen, der vom Veranstalter mitgelieferte Verpflegungsbeutel ist wohl mehr für die Psyche gedacht und nicht für den Magen. Auch muß man wohl immer mit Wassertemperaturen um 15 Grad im Eidfjord rechnen, es sei denn, ein knalliger Sommer hat schon alle Schneefelder auf den Hochebenen weggeschmolzen. Aber keine Angst, wenn ich Frostbeule 15 Grad im Wasser überlebt habe, schafft es eigentlich auch jeder andere :-)
Auch wer ununterbrochener Anfeuerung und Anhimmlung durch die Fans bedarf, ist beim NORSEMAN eher schlecht aufgehoben. An der Strecke interessiert es kaum jemanden, was man da so treibt. Der NORSEMAN ist viel mehr ein Triathlonabenteuer aus früheren Zeiten, als der Weg noch das Ziel war und bei dem Platzierungen und Finishzeiten spätestens am Schlußanstieg unwichtig erscheinen und andere Athleten eher Begleiter, denn Gegner sind. Das alles in einer kargen, aber faszinierenden Natur.
Wer also keine Qualifikation für Hawaii vor hat, keine vereinsinternen Duelle zu bestreiten und keine unüberwindbaren Probleme mit Bergen hat, der sollte ihn mal probieren, den NORSEMAN in Eidfjord!!!
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