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Zitat von qbz
Nach meinen ganz persönlichen Erfahrungen wird mit solchen Beispielen bloss Stimmung gemacht, ...
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Ich stimme Dir völlig zu, dass in guten Kliniken individuell abgewogen wird. Daraus ergibt sich, dass kurativ vs. palliativ in der Praxis nie eine harte Grenze ist. Dein persönliches Beispiel spricht eher für ein funktionierendes Team. Das bedeutet nicht, dass das Anreizsystem dahinter stimmt.
Wenn ich von „Übertherapie“ schreibe, meine ich nicht Einzelfehler, sondern das, was in Studien als „low-value care“ bzw. „aggressive care at the end of life“ bezeichnet wird. Da gibt es durchaus Daten:
In einer deutschen Studie bekamen z. B. knapp 40 % der Krebspatienten noch Chemotherapie in den letzten 30 Tagen vor dem Tod, etwa 8 % sogar in der letzten Woche, zusammen mit viel Intensiv- und Hochtechnologieeinsatz.
Andere systematische Analysen kommen zum Schluss, dass bei ca. einem Drittel der Krebspatienten am Lebensende Behandlungen laufen, deren Nutzen den Schaden vermutlich nicht mehr übersteigt.
Sogar Intensivmediziner selbst berichten, dass rund 10 % der ICU-Aufnahmen retrospektiv als „potenziell unangemessen“ gelten, weil die Erfolgsaussichten minimal sind. Das schlägt in eine ähnliche Kerbe wie Schwarzfahrer aufgezeigt hat.
Genau deshalb gibt es ja Initiativen wie Choosing Wisely und End-of-Life-Leitlinien in UK/KPMCanada/Schweiz. Sie sollen helfen, früher den Punkt zu finden, an dem Lebensqualität und patientenzentrierte Ziele wichtiger sind als die nächste Eskalationsstufe.
Dein Punkt wird dadurch nicht weniger wichtig. Auf der Einzelfall-Ebene muss das immer mit den Patienten und deren Umfeld entschieden werden. Ich argumentiere nur, dass wir auf Systemebene Muster haben, die zeigen, dass es noch Luft nach oben gibt, was das Vermeiden von Übertherapie angeht.