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Zitat von TriVet
Und ob die zusätzlichen US-Raketen jetzt da sind oder nicht macht meines Erachtens im Krisenfall auch keinen unterschied, Zielscheibe bleibt Zielscheibe.
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Die neuen Raketen verändern das strategische Abschreckungsgleichgewicht, weil durch sie die Vorwarnzeiten extrem verkürzt werden. D.h. die Risiken auch eines unbeabsichtigten Atombombeneinsatzes steigen damit erheblich. Zudem erfolgt die Stationierung ohne paralleles Dialogangebot zur Rüstungskontrolle an Russland.
Aus der Studie von Oberst Richter a.D. (Experte für Verteidigungs- und Sicherheitspolitik) der Friedrich-Ebert Stiftung:
Stationierung von U.S. Mittelstreckenraketen in Deutschland. Konzeptioneller Hintergrund und Folgen für die europäische Sicherheit. Juli 2024, Studie, 14 S.
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Aus der Zusammenfassung, S. 13-14: "Die Stationierung landgestützter Mittelstreckenraketen mit einer Reichweite von knapp 3.000 km hat das Potential, von Deutschland aus Ziele von strategischer Bedeutung in der Tiefe Russlands nach kurzer, verdeckter Vorbereitung anzugreifen. Gegenüber see- und luftgestützten Systemen sind die verbleibenden Warnzeiten erheblich reduziert. Die Stationierung verändert somit das strategische Gleichgewicht zwischen den USA und Russland. Die Bedrohung vitaler Sicherheitsinteressen Moskaus allein als eine Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine zu rechtfertigen, greift angesichts der schwerwiegenden Folgen zu kurz. Denn eine Ausweitung des Konflikts auf ganz Europa und eine Gefährdung der strategischen nuklearen Stabilität muss verhindert werden.
Anders als der Nachrüstungsbeschluss der NATO von 1979 zeigt die bilaterale Erklärung keinen Weg auf, wie die Stationierungsentscheidung durch kooperative Mitwirkung Russlands abgewendet werden kann. Sie verschärft somit vorbehaltlos die Konfrontation zwischen Russland und der NATO. Sie trägt auch dazu bei, Moskaus Motiven für die Fortsetzung des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs gegen die Ukraine neue Nahrung zu geben. Denn seit Langem richtet sich sein Sicherheitsinteresse darauf, die NATO auf Abstand zu halten und eine Stationierung von Kurz- und Mittelstreckenwaffen in seiner geographischen Nähe zu verhindern.
Damit vergibt die bilaterale Erklärung auch die Chance, durch die Wahrung eines reziproken Moratoriums einen Wettlauf um die Stationierung von Mittelstreckenwaffen in Europa zu vermeiden. Sie gefährdet zugleich die Wiederaufnahme strategischer Stabilitätsgespräche zwischen den USA und Russland und erhöht die Gefahr, dass nach dem Auslaufen des New START-Vertrags im Februar 2026 erstmals seit den 1960er Jahren keine rechtsverbindlichen Begrenzungen für strategische Nuklearwaffen mehr existieren. Dies öffnet die Schleusen für ein neues atomares Wettrüsten und verschärft die globale Instabilität.
Die Stationierungsentscheidung ohne paralleles Dialogangebot reduziert signifikant die Aussichten, die Rüstungskontrolle in Europa und weltweit wiederzubeleben und einen globalen und regionalen Rüstungswettlauf zu verhindern. Dies steht im Widerspruch zu den Zielen der Nationalen Sicherheitsstrategie der Bundesregierung. Die erwartbare russische Gegenstationierung nuklearfähiger Raketen wird Deutschland einer erhöhten Gefährdung aussetzen. Die absehbare Eskalation der Spannungen mit Russland wird die Sicherheitslage Deutschlands verändern und das atomare Risiko für Deutschland im Konfliktfall gravierend erhöhen."
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