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Alt 01.11.2024, 18:08   #411
dondready
Szenekenner
 
Registriert seit: 12.09.2022
Beiträge: 57
Nach ein paar Tagen Abstand unter anderem auf Maui nun hier auch mein Rennbericht. Ich bin am Rennmorgen bereits früh wach, 3.00 Uhr aufstehen, die übliche Morgenroutine, 5 Scheiben Toast mit Honig und Marmelade müssen es bei mir mindestens sein. Dann verlassen wir das Apartment, um gegenüber beim Starbucks noch einen Kaffee zu holen. Die Angestellten dort sind ebenfalls schon aufgeregt und wünschen alles Gute. Eine erzählt mir, dass ihr Schwiegervater bereits 54 mal an einem Ironman teilgenommen hat, und vor 30 Jahren in Kona sogar mal mit einem Beachcruiser Bike an den Start gegangen ist. Angesichts dieser netten Geschichte legt sich meine Nervosität gleich merklich.

Ein paar Minuten spazieren wir runter ans Meer. Dort spüre ich nun diese mystische Energie über der Bucht, die den Ironman in Hawaii ausmacht. Noch in der Dunkelheit finden die letzten Checks am Rad in der Wechselzone statt, alles sehr gut unterstützt von der Vielzahl an Volunteers. Erster emotionaler Höhepunkt: die Hymne der USA in a capella. Gänsehaut und ein paar Freudentränen kommen auf, dass ich dabei sein und dies so erleben darf. Dann der Startschuss der Kanone für das Line-up der Pro’s. Der Wettkampf beginnt. Wir Altersklassen-Athleten sortieren uns in Gruppen ein und werden nach und nach Richtung Wasser geführt. Ich blicke mit viel Ehrfurcht raus aufs Wasser in die Weite des Wendepunkts. Ich hatte mich in Klagenfurt über Rolldown qualifiziert und gehe hier als Newbee mit einer gehörigen Portion Respekt an den Start.

Schwimmen
Da Schwimmen nicht meine Stärke ist und gerade bei einer WM mit viel stärkerem Teilnehmerfeld sortiere ich mich weiter hinten an der linken Boje für den Wellenstart ein. Mein Plan ist, so locker wie möglich zu bleiben, in den Rhythmus anderer einzutauchen und die Energie für das, was noch kommen wird, zu sparen. Immer wieder finde ich Füße zum Nachziehen, und das Gefühl, im Wasserschatten unterwegs zu sein, hilft, locker zu bleiben. Zum Glück erfahre ich erst am Abend von dem Hai, der offenbar in der Nähe seine Runden zieht und von einem Schwarm Delphinen in Schach und von den Schwimmern ferngehalten wird. Es war wohl, als hätte der Ozean selbst ein wachsames Auge auf uns. Abgesehen davon sind die Bedingungen im Wasser überraschend angenehm – kein Gedränge, kaum Stress, nur manchmal ein kleiner Stoß, wenn die Schnelleren aus der hinteren Startwelle beim Wendepunkt mal schnell hindurch pflügen oder man auf die Langsameren der vorherigen Welle trifft. Die Farbe der Badekappen helfen dabei, sich zu orientieren, welche Schwimmfüße man suchen und meiden sollte. Nach für mich ordentlichen 1h13 steige ich aus dem Wasser, bereit für das nächste Kapitel.

Rad
Der Wechsel aufs Rad erfolgt ruhig und fokussiert. Die Beine fühlen sich zu Beginn etwas schwer an, die gewohnte Wettkampfenergie stellt sich nicht sofort ein, und so bleibt mein Fokus auf dem Plan, 10% unter meiner üblichen Wattvorgabe zu bleiben, um nicht zu früh aufzublühen und dann auf der Laufstrecke zu verglühen. Positiv für uns: an diesem Vormittag zeigt sich die Sonne nur selten und bleibt meist hinter den Wolken. Dadurch wird es nicht ganz so heiß, aber dennoch sehr schwül. Mit der zunehmenden Feuchtigkeit steigt der Flüssigkeitsverbrauch in die Höhe – auf der gesamten Strecke nehme ich an jeder Verpflegungsstation Wasser auf, trinke und befülle meinen Tank (über die etwas mehr als 5 Stunden kommen so grob 10 Liter, 500g Kohlenhydrate und 4000mg Natrium zusammen).

Nach einer Weile kommen mir auf der anderen Straßenseite Sam Laidlow entgegengeflogen, gefolgt von zwei weiteren Athleten bereits mit etwas Abstand. Erst nach einer Weile dann eine größere Gruppe, in der auch Patrick Lange fährt. Zu diesem Zeitpunkt denke ich mir, dass er damit keine Chance haben wird das Rennen zu gewinnen.

Auf der Strecke wird, soweit ich das sehen kann, fair und respektvoll gefahren. Es erstaunt mich, dass ich nur wenige Pannen sehe. In den Trainingswochen davor am Highway war das noch ganz anders. Ich habe aus lauter Paranoia nach diversen Reifenpannen diesmal neben dem Dynaplug Komplett-Inventar sogar zwei Ersatzschläuche im Gepäck. Die Strecke nach Hawi hoch fahre ich im Rennen das erste Mal. Ein sehr erfahrener Athlet meinte im Vorfeld lapidar zu mir, ich müsse das vorher nicht fahren, manchmal sei es besser nicht zu wissen, was auf einen zukommt. Der Gegenwind und die Steigung machen dieses Streckenstück wirklich anspruchsvoll und ich bleibe in einer Gruppe, um etwas Körner zu sparen. Ab dem Wendepunkt wird es mental einfacher, bei der Abfahrt ist allerdings auf Grund der teils wirklich schlechten Straßenqualität Vorsicht geboten. Zudem bleiben die stets drehenden Winde immer herausfordernd. Ab dem Airport bis Kona heißt es im Gegenwind zurückstrampeln, obwohl wir morgens hier keinen wirklichen Rückenwind hatten. Nach 5h11 biege ich dann zufrieden in die T2 ein.

Lauf
Der Marathon beginnt dann als erstes mit einem Wiedersehen mit Patrick Lange, der auf dem Ali’i Drive an mir vorbei rauscht als gäbe es keinen Morgen. Es ist wirklich faszinierend, zu sehen, wie er im Vergleich zu den gerade erst ihren Marathon startenden Läufern scheinbar mühelos davonfliegt. Für mich heißt es: vorsichtig in den Rhythmus finden. Die ersten 12 Kilometer unten am Ali’i Drive soll man es ja nicht übertreiben, so ein vielfacher Rat. Es herrscht eine wunderbare Stimmung, die Zuschauer jubeln den Läufern zu, die Atmosphäre pulsiert. Durch die Wendepunkte hat man erstmals auch ein Gefühl, wo man in Relation zu den Freunden und anderen Sportbuddies liegt, da man die meisten ja zu Gesicht bekommt.

Oben auf dem Highway über die steil ansteigende Palani Road angekommen, ändert sich dann allmählich die Szenerie. Die Strecke wird mit jedem Kilometer hinaus stiller, die Euphorie weicht der Realität der Kilometer, und bald sind es nur noch die Verpflegungsstationen, wo die Helfer mit einem Lächeln und aufmunternden Worten die Läufer anfeuern. Allerdings hat Hannes Hawaii Tour hat ein kleines Stimmungsnest aufgebaut, wo man nochmal richtig gepusht wird.

Ich muss zugeben, dass ich mir im Vorfeld die Strecke nicht genau angeschaut habe und davon ausgegangen bin, dass der Wendepunkt am Airport ist und es erst danach runter ins „Energy Lab“ geht. Auch wenn man keine Kilometer geschenkt bekommt, ist es für mich mental aufbauend, als ich sehe, dass wir direkt runter ins Lab laufen. Der Kopf und der Körper sind in diesem Moment dankbar für jede „Erleichterung“.

Im „Lab“ Segment ist es glücklicherweise durch die Wolken nicht so heiß wie die Tage zuvor. Runter geht locker, aber zurück rauf wird es dann schon härter, das Tempo lässt nach, die Kräfte beginnen erstmals zu schwinden. Ich helfe mir mit dem Gedanken, dass oben am Highway das Schlimmste geschafft sein sollte. Ab jetzt wird jede Verpflegungsstation genutzt, um kurz innezuhalten, viel (!) Flüssigkeit aufzunehmen und die Beine einen Moment zu entlasten.

Der Rückweg auf dem Queen K Highway zieht sich im Gegenwind dann wie Kaugummi. Ich zähle jeden Kilometer rückwärts, jeder einzelne Schritt ein kleiner Sieg. Im Kopf rechne ich durch, was es bedeuten würde ab jetzt zu wandern, und während ich rechne, laufe ich einfach weiter.

Als schließlich Kilometer 40 erreicht ist, setzt die Erleichterung ein – ich fokussiere beim Marathon immer nur auf die 40. Danach lässt der Central Governor die letzten Energiereserven frei. Es geht nochmal die steile Palani Road hinunter, man muss eher bremsen mit harten Oberschenkeln.

Und dann der Ali’i Drive, die letzten Meter ins Ziel. Das Licht der untergehenden Sonne in meinem Gesicht, die jubelnden Zuschauer, der ganze Tag, die Anstrengung und das Durchhalten kulminierten in einem Gefühl, das tatsächlich alles übertrifft, was ich bisher im Sport erleben durfte. Der letzte Kilometer als eine Art der Wiedergeburt – dieser Moment, getragen von den Rufen der Menge, ins Ziel zu laufen, lässt alle Strapazen verblassen. Kona, der Ironman Hawaii, hat sein Versprechen gehalten: Es ist ein Erlebnis, das Worte kaum einfangen können, ein Moment für die Ewigkeit.

Am Ende 10:17 Stunden voller Höhen, Tiefen und unvergesslicher Augenblicke. Ein Rennen, das Strategie, Geduld und pure Willenskraft fordert – und das mit einem Zieleinlauf belohnt, der für immer bleiben wird. Der Dank gebührt allen Mitstreitern, Supportern und vor allem meiner Familie, die mich auf dem langen Weg hierhin enorm unterstützt hat.

Geändert von dondready (02.11.2024 um 01:58 Uhr).
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