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Alt 03.07.2023, 01:34   #517
Skydiver
Ist alles so schön bunt hier!
 
Registriert seit: 25.01.2020
Ort: Mitterkreith
Beiträge: 33
Ich weiß, dass ich spät dran bin und das Rennen schon lange her ist. Trotzdem möchte ich noch einen Bericht schreiben. Der ursprüngliche Text war noch viel länger, aber wen interessieren schon Dinge die nur für mich wichtig sind. Also habe ich drastisch gekürzt und der Text ist trotzdem noch zu lang. Tut mir sehr leid, aber hier wird ja niemand zum lesen gezwungen. Einfach überspringen.

Vorgeschichte:
Ich bin ein ganz normaler Typ. 51 Jahre, hab Frau, Kinder, Haus, Vollzeitarbeit, immer schon sportlich aber kein außergewöhnliches Talent so dass mir irgendwas ohne harte Arbeit zufliegen würde. Dies war nach Italien 2021 und Frankfurt 2022 meine dritte Langdistanz. Eine olympische oder Mitteldistanz habe ich bis jetzt noch nie gemacht. Meine ersten Kraulversuche vor drei Jahren sahen so aus, dass ich im See 20m geschwommen bin und dann habe ich mich um wieder Luft zu bekommen für ein paar Minuten am Schlauchboot meiner Frau festgehalten. Seitdem hat sich nur wenig verbessert. Ich kann zwar jetzt 3,8km kraulen, aber eben nicht schnell. Beim Trainingslager dieses Jahr in Freiburg glaubte Arne ich verarsche ihn als er mir beim Schwimmen zugesehen hat. Vor drei Jahren habe ich mir ein Rennrad mit Auflieger gekauft. Ich habe keinen Wattmesser, keine Herzfrequenzmessung und keine smarte Rolle. Nur eine alte Rolle im Keller bei der ich den Widerstand über die Gangschaltung des Rads einstelle. Meine Geschwindigkeitssteuerung im Training und im Rennen geht eher über das Gefühl. Bei uns ist es nach dem Winter noch lange kalt, deshalb komme ich erst spät mit dem Rad nach draußen und zum Freiwasserschwimmen.
Gleich bei meinem ersten Ironman in Italien hat alles perfekt geklappt und ich konnte in 11:20h viele Stunden unter meinen kühnsten Träumen finishen. Da es bei der dritten Langdistanz für mich nicht mehr nur ums Ankommen ging war das Ziel für Roth eine persönlich Bestzeit aufzustellen (also 11:19h). Aber insgeheim wünscht man sich natürlich eine Stundenschallmauer (11h) zu brechen. Dafür habe ich seit 12 Monaten nicht mehr geraucht, seit 6 Monaten keinen Alkohol mehr getrunken und seit Januar wieder 10kg abgenommen. Ich hatte mir sogar vorgenommen die letzten drei Wochen vor dem Start vegetarisch zu leben und auf Süßigkeiten zu verzichten. Okay der Zweite Vorsatz wurde noch am selben Tag zurück genommen, aber den Ersten habe ich fast komplett durchgezogen. Zur konsequenten Vorbereitung bei den Radtagen und im Trainingslager von Arne mitgemacht. Dort habe ich nach einem Einzelzeitfahren solange über mein Rennrad gejammert, bis mir einer der Teilnehmer sein altes Triathlonrad zum kauf angeboten hat. Ich weiß eigentlich sollte man drei Wochen vor dem Rennen keine großen Veränderungen mehr vornehmen, aber diese sicher berechtigte Weisheit habe ich dieses mal gleich mehrfach ignoriert. Anderes Rad, eine Woche vor dem Rennen nochmal komplett die Sitzposition verändert, Sattelneigung sogar noch in der Wechselzone am Renntag verstellt. Dienstag vor dem Rennen einen neuen Helm, neue Socken und neuen Sattel gekauft. Donnerstag vor dem Rennen die Ernährung im Wettkampf umgestellt (Konzentrat auf dem Rad).

Freitag
Aus dem Bayerischen Wald die 01:15h angereist. Ins Hotel um 14:30 Uhr eingecheckt, 16:00 Uhr mit befreundetem Pärchen (Er Teilnehmer) getroffen und Startunterlagen geholt, danach bis zur Pastapary auf der Messe rumgetrieben. Kurz vor dem Einlass zur Nudelparty wollten wir für unsere Begleiterinnen Tickets kaufen. Gab`s aber keine mehr. Also mussten die beiden draußen bleiben. Wir sind dann sofort nach dem offiziellen Teil mit Vorstellung der Pros gegangen, weil es Freitag Abend geregnet hat und doch sehr kühl geworden ist. Dann direkt heim, weil unsere Damen schon gefroren haben.

Samstag
Hab die Schwimmvorbelastung im Kanal ausfallen lassen. 25min hin, 15min schwimmen und 25min wieder zurück plus Vor und Nachbereitung hat zeitlich einfach nicht mehr gepasst. Radvorbelastung (30min) habe ich durchgezogen. Auf dem Rückweg hat ein Autofahrer die Scheibe runter gelassen und mich angeschrien ich soll doch den Radweg benutzen. Das hatte ich auf dem Hinweg auch gemacht, aber da waren so viele Äste und Steine vom Unwetter am Vortag, dass ich meine Reifen nicht gefährden wollte. Also habe ich ihm einen zufälligen Finger meiner Wahl gezeigt. Mittags zur Wettkampfbesprechung und danach direkt zum Bike check in. Da wir hier offensichtlich früh dran waren, keine lange Wartezeit vor der Wechselzone. Am späten Nachmittag nochmal 15min Laufen und danach Abendessen in einem Biergarten. Abends Haare geschnitten und nicht vergessen Arme und Beine zu rasieren. Hat bei dem Pelz ewig gedauert. 2 Radflaschen (je 950ml) für die ersten 2 Stunden mit jeweils Malto-Zucker-Fruchtzucker (60g/20g/20g) angemischt und im selben Verhältnis Konzentrat (350g) für 3,5 Stunden in einem Maßkrug mit Stabmixer zubereitet und in die Golfballflasche (Elite) gefüllt. Irgendwann nach 22:00 Uhr eigentlich viel zu spät ins Bett.

Sonntag
Wecker geht um 03:00 Uhr. Zum Frühstück Wasser und drei Scheiben Toast mit Marmelade, die ich mit dem Finger verstreiche, weil wir kein Besteck mitgenommen haben. Meine Frau und ich fahren um 04:15 Uhr los und kommen ohne Stau um 04:45 Uhr an der Wechselzone an. Ich dachte eigentlich wir wären eine der Letzten aber im Gegenteil wir waren eine der Ersten dort. Das Rad Tropfnass vom Tau. Mein Rad steht vom Wechselzelt aus gesehen ganz links bei der großen gelben aufgeblasenen Trinkflasche, aber nicht bei den Radplätzen auf der anderen Straßenseite. Ich finde ideal für mich, noch dazu wo ich am Vortag erfahren haben, dass es verschieden Aufstiegspunkte gibt und ich nicht so weit mit den Radschuhen laufen muss. Meine Frau steht an der Absperrung soweit sie halt ran darf, also kurz vor dem Bikepavillon vom Buchstaller. Die Entfernung von ihr zu meinen Rad ist überschaubar, was gut ist, weil ich heute vor dem Start noch viele male hin und her laufen werde. Kette geschmiert, Luft in die Reifen, Flaschen, Brille und Radcomputer ans Rad. Die Golfballflasche mache ich noch zusätzlich mit einem Klebeband fest. Und ein Streifen Klebeband über die Öffnung weil ich das Konzentrat ja erst nach 2h zum ersten mal brauche. Nach dem Rennen erfahre ich, dass auch meinem Kumpel am Morgen der Radcomputer in der Wechselzone gestohlen wurde. Sattel mit dem Imbus nochmal gelockert und vorne etwas tiefer gestellt. Pumpe über den Zaun meiner Frau gereicht. Mein Wechselbeutel ist Dank meiner Nummer 2.493 direkt vorm Zelteingang. Ich war für die Startgruppe 12 um 07:35 Uhr eingeteilt. Scheinbar wurde die Einteilung durch die Angabe der Zielzeit vorgenommen (bei mir 10:59h). Was ja grundsätzlich auch Sinn macht bei einer „Normalverteilung“ der Einzelzeiten zur Gesamtzeit. Nur in meinem Fall war ich dadurch in einer viel zu schnellen Schwimmgruppe, weil ich ultralangsam schwimme und dann die verlorene Zeit bei den anderen beiden Disziplinen wieder aufhole. Ich hatte ewig viel Zeit. Aber besser als Stress in der Wechselzone. Jedes mal wenn ich bei meinem Rad vorbei kam war der erste Griff an die Reifen ob noch Luft drin ist. Im Hotel war ich schon zwei mal auf dem Klo und in der Wechselzone noch zwei mal. Sicher ist sicher. Ich will auf keinen Fall während dem Rennen Zeit beim Kacken verlieren. Noch 45min bis zum Start. Jetzt fällt mir glühend heiß auf, dass ich die Startnummerntattoos im Hotel vergessen habe. Also schnell zu einer netten Helferin und die 4 Zahlen auf jeder Seite mit einem Edding auf den Unterarm gemalt. Das in den Unterlagen stand es droht eine Disqualifikation wenn man die Tatoos nicht am Oberarm platziert war mir da schon wurscht. Um 07:10 Uhr macht mir meine Frau den viel zu kleinen Neo zu. Noch 25min bis zum Start. Ein paar kreisende Armbewegungen, dann mache ich den Neo wieder auf, weil ich den darunter liegenden Rennanzug doch lieber bis zur Hüfte abrollen und nach dem Schwimmen erst vollständig anziehen will. Meine Frau macht den Anzug erneut zu. Noch 20min bis zum Start. Ein letzter Kuss und ich begebe mich an den Ausgang des Wechselzeltes, da man von dort hintenrum zum Schwimmeinstieg kommt. Das einzige an was ich denken kann ist, ob ich nochmal aufs Klo hätte gehen sollen. Ich diskutiere heftig mit mir selbst. Auf einmal ist von der vielen Zeit bis zum Start nicht mehr so viel übrig. Noch 15min bis zum Start. Schaffe ich noch einen Toilettengang oder nicht? Bis zu meiner Frau kann ich fürs anziehen auf jeden Fall nicht mehr laufen. Sie frisst mich sonst. Die Sorge später zu müssen gewinnt und ich stelle mich in einer kurzen Schlange vor einem Dixi an. Neo wieder aus. Vielleicht war es psychologisch vielleicht auch nicht. Ich wieder raus und Neo hoch. So fein säuberlich und Faltenfrei wie zuvor durch meine Frau bin ich natürlich nicht mehr eingepackt. Noch 10min bis zum Start. Ich bitte einen anderen Athleten mir doch bitte den Reißverschluss zu zu machen, dem zur selben Zeit ebenfalls seiner von einem andern geschlossen wird. Dann drücke ich mich an der wartenden Menge hinter dem Zelt vorbei, bis ich auf den Badekappen der anderen erkenne, dass ich von Starten der 12ten Gruppe umgeben bin. Noch rechtzeitig, klappt doch bisher wunderbar. Schon nach einer Minute werden wir ins Wasser geschickt. Ich schwimme Richtung Startleine, aber doch eher zur Mitte des Kanals als an den Rand. Dort halte ich mich in der letzten Reihe auf, weil ich weiß, dass die mich umgebenden Athleten gleich wesentlich schneller unterwegs sein werden.

Schwimmen
Ich bin froh als es endlich los geht. Von den ewig langen Monaten des Trainings und den Vorbereitungen der letzten Tag hatte ich so die Schnauze voll. Jetzt brauche ich mich nur noch anstrengen und es wird sich zeigen was für ein Tag es heute wird. Am Anfang könnte man mit ein bisschen Fantasie, das was ich hier mache noch als schwimmähnlich bezeichnen. Bei jedem zweiten Zug atme ich nach links also vom Ufer weg. Beinschlag mach ich fast gar keinen. Da ich mich schon vorher Richtung Kanalmitte aufgestellt hatte sehen ich mein Kollegen im Wasser nicht. Aber ich merke schon das eine Paddlerin, der ich immer näher komme, mir zu versehen gibt ich soll doch weiter zu den andern schwimmen. Nach jedem Atemzug habe ich Wasser im Mund was aber kein Problem ist da ich das aus dem Training kenne. Kopf unter Wasser, Mund leer machen und dann durch die Nase ausatmen. Nach wenigen Metern hasse ich das Schwimmen wieder, aber es gehört halt dazu und ich denke einfach diese Disziplin überstehen, irgendwann wird es vorbei sein und dann beginnt der eigentliche Wettkampf. Obwohl ich im Hotel noch Antibeschlagmittel in meine Brille getropft habe sehe ich nach ein paar Hundert Metern nur noch 3 Meter weit. Da mich aber gefühlt immer wieder neue Startgruppen von hinten überholen versuche ich mich an den anderen Schwimmern und meinem seitlichen Abstand von ihnen zu orientieren wo ich hin muss. Als ich schon ziemlich fertig bin und das Gehampel (ich möchte es nicht Schwimmen nennen) nur noch über Kraft und Willen funktioniert, merke ich am Schatten dass ich mich unter einer Brücke befinde. Die Wende war aber noch nicht gekommen. Plötzlich schlägt meine Hand am Boden auf. Ich bin genau unter der Brücke zu weit nach rechts gekommen. Also stelle ich mich kurz hin. Sofort merke ich einen starken Schmerz in der rechten Ferse. Im Nachhinein weiß ich, dass ich mir da an irgendwas scharfen eine nur ca. 2cm lange, aber doch sehr tiefe Schnittwunde zugezogen hatte. Schnell die Brille abgenommen und von innen mit dem Finger das beschlagene Glas ausgewischt. Wieder auf und weiter geht`s. Der Schmerz bleibt erstmal beim Schwimmen und ich denke schon hoffentlich war`s das jetzt nicht. Die ganze Schinderei beim Training und alles umsonst. Ein Drama. Zum Glück wurde der Schmerz in der Ferse nach eine Weile weniger und verschwand zunächst fast gänzlich. Nach gefühlt Stunden die ich schon im Wasser sein musste sah ich durch die saubere Brille am Ufer ein Schild mit der Aufschrift 1.200m. Zuerst dachte ich das ist bestimmt für die Läufer angebracht. Dann verwarf ich diesen lächerlichen Gedanken wieder, weil Entfernungsschilder auf der Laufstrecke normalerweise nicht in Metern angegeben werden. Es konnte also nur bedeuten, dass es noch 1.200m bis zum Ziel sind. Mit dieser einleuchtenden Antwort war ich zufrieden. Im weiteren Verlauf wurde es immer mehr zur fürchterlichen Gewissheit, dass das Schild eine andere Bedeutung haben musste. Um mich herum sah ich vereinzelt auch Brustschwimmer, konnte ihnen aber trotzdem nicht davon schwimmen. Das Wasser konnte ich nicht mehr so gut ausspucken wie noch zu beginn und wenn ich mal kurz mit den Kraulbewegungen aufhörte, war meine Wasserlage praktisch im nächsten Moment senkrecht und ich trieb auf und ab wie eine Boje. Eigentlich war meine Hoffnung ja die Schwimmzeit gleich mit Italien zu halten. Auf dem Rad und beim Laufen jeweils 10min raus zu holen. Dann weniger beim Wechseln zu trödeln und so vielleicht doch unter die ersehnten 11h zu kommen. Aber so wie das Schwimmen hier lief, dann halt nicht. Muss ich eben nächstes Jahr in Italien nochmal einen Versuch starten. Irgendwann war der Grund beim Wasserausstieg aber dann doch erreicht. Beim hinstellen bekomme ich auf einmal einen heftigen Krampf in der Wade. So massiv, dass ich gerade noch die Hand einer freundlichen Helferin erfassen kann die mich weiter Richtung Land zieht bevor ich rückwärts wieder ins Wasser falle. Anstatt zu laufen gehe ich nur zu meinem Wechselbeutel. Aber etwas positives gibt es doch zu berichten. Vollkommen überrascht sehe ich auf meiner Uhr die Zeit von 01:29:49h und damit ein neuer persönlicher Rekord für mich. Verbesserung minus 19sec.

Fortsetzung folgt...
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Skydivers know why birds sing...
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