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triathlon-szene.de | Europas aktivstes Triathlon Forum - Einzelnen Beitrag anzeigen - Hochwasser-Katastrophe im Westen
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Alt 30.07.2021, 13:50   #150
crazy
Ehemals crazyviech
 
Benutzerbild von crazy
 
Registriert seit: 10.10.2006
Ort: Nordeifel
Beiträge: 2.048
So, nun hat man etwas Abstand gewonnen.
Man kommt sich fast schäbig vor, wenn man auf der Couch sitzt und seinen Espresso schlürft, so kontrastierend ist das Umfeld zu dem einige Kilometer weiter.

Die verteilten Müllberge alleine in Schuld mit seinen 700 Einwohnern sind immer noch mehr als 1 Hektar und 4m hoch gefüllt, gleichwohl seit 2 Wochen kontinuierlich abtransportiert wird.

Das gröbste in „meinem“ Bereich, Schuld Südwestteil, ist so weit erledigt. Die Häuser sind entkernt (es ist erschreckend, wie schnell das geht), Tonnen an Schlamm geschaufelt und das Vereinsheim so hergerichtet, dass man mit Elektrik und Wärmepumpe sogar warm Duschen kann. Man stumpft ab, was das Katastrophenwatching betrifft, anders war es aber nicht auszuhalten.

Jetzt beginnt dort die Wartezeit: bis die Rohbaustrukturen durchgetrocknet sind können locker einige Monate vergehen. Heute noch den letzten Ventilator bei Aldi erstanden und runtergebracht, Trocknungsgeräte haben weniger Durchsatz als ein kontinuierlich auf Luftaustausch laufender Venti, so nass wie die Keller noch sind.
Sobald sich da was tut geht es wieder runter, Elektrik und Verputzen kann ich noch ganz gut.

Zwischendurch ist mir die Akkukreis abgeraucht (selbst schuld, 6m Teerpappe geschnitten, Dach kam aber runter). Aldi auf Facebook angeschrieben, zwei drei Mails, und zack, hatte ich eine neue- nebst ganz viel anderem Werkzeug, u.a. noch ein paar Akku-Hochdruckreiniger. Einfach so, für umme. Top Sache, chapeau.

Da wir ja in Deutschland sind hält zunehmend die Bürokratie Einzug. Brauchte man zu Beginn etwas(Bagger, Transport, Zugmaschine), hielt man den entsprechenden Fahrer an und es wurde erledigt- im ganzen Dorf. Nun muss die Befehlskette eingehalten werden und es wird immer weiter runter dirigiert, das verzögert den Prozess erheblich. Zudem stehen sich Feuerwehr, Bundeswehr und THW dauernd im Weg, da sich immer noch keine (funktionierende!) gemeinsame Kommandostruktur etabliert hat. Zur Verräumung des Schutts in einem Hinterhof haben wir 5 Tage fragen müssen und hatten dann zwei Greifbagger dort stehen.

Das THW, ach ja… blockieren viel, machen wenig. Zuständig sind sie (fast) nie, und mittlerweile fahren sie alle paar Stunden mit dem LKW rum und gucken, mehr passiert nicht. Dernau, ebenfalls total abgesoffen bei der Katastrophe im Ahrtal: Irgendeine Ortsgruppe des THW kommt von außerhalb und hilft, ein einsturzgefährdetes Gebäude bekommt Baustützen. Top.
Drei Tage später, die Ortsgruppe des THW wird verlegt. Die Jungs nehmen ihre Baustützen mit. Kannste Dir nicht ausdenken.

Der Schlamm wird zunehmend gefährlich. Die ersten Tage nach den Regenfällen war es „nur“ ausgewaschener Dünger, vor allem jedoch Regenwasser, nahezu ohne Infektionsgefahr. Jetzt haben sich die Mikroorganismen verbreitet, hunderte Kadaver (Vieh und Wild) hängen in den Wäldern und Tälern fest und geben peau a peau ihr Gift frei; ich erwarte noch diesen Sommer Cholera und Konsorten.
Wer jemanden kennt, der paddelt: Bloß vorsichtig sein! Mangels Klärwerke (die wurden alle zerstört) entwässert der komplette Adenauer- und Ahrweiler Raum direkt in die Ahr (und damit in den Rhein). Das sind mehrere zehntausend Menschen, deren Fäkalien ungefiltert gen Nordsee schwimmen; entsprechend aufpassen. Gleiches gilt für Vey- und Bleibach bei Mechernich / Euskirchen, da der Mühlensee übergelaufen ist. Für viele ein willkommenes Naherholungsgebiet, nur wenige wissen, dass er eigentlich ein Rückhaltebecken für Schwermetalle aus der Verhüttungsindustrie ist. Alles weggespült, die Umweltkatastrophe wird noch folgen.

Es gibt zudem ein Überangebot an Hilfsgütern. Ich habe grad mehrere tausend Windeln in der Scheune liegen. Im Tal lebt aber niemand mehr mit Kindern, daher sollte ich sie aus der Halle mitnehmen, aus Platzgründen wären sie irgendwann entsorgt worden (mangels Abnehmer). Habe jetzt alle möglichen Sammelstellen abtelefoniert, die haben meine Nummer, sind aber selbst randvoll.

Was man im Tal hört und so nicht in den Medien landet ist erschreckend.

Teilweise wurden ganze Dörfer „vergessen“, alle Einwohner haben sich wohin gerettet, aber mangels Strom / Empfang / Straße musste sich erst jemand zu Fuß mehrere Stunden aufmachen, um drei Tage nach der Katastrophe kundzutun, dass sie auch noch da sind und Hilfe brauchen.

Die Funde sind… nicht mit Worten zu beschreiben. Es wurde ein Auto im Schlamm gefunden, beide Kinder hinten noch angeschnallt. Ich gebe es bewusst nur beschreibend wieder und habe Tränen in den Augen.

Passt auf euch auf.
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