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Zitat von Helmut S
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Der Ethikrat hatte gute Gründe für seine Impfreihenfolge, allerdings ist er auch kein demokratisch legitimiertes Gremium und es gab keine parlamentarische oder gesellschaftliche Debatte um die vom Ethikrat vorgeschlagene Priorisierung.
Der Ethikrat sah z.B. keine priorisierte Impfung von Lehrern oder Polizisten vor (bzw. nur in der vorletzten Prio-Gruppe), obwohl dies Berufsgruppen sind, die mitten in der Pandemie vom Staat als Dienstherr einem besonders hohem Infektionsrisiko (mit Öffnung der Schulen entgegen wissenschaftlichen Ratschlägen, Überwachung von aus dem Ruder gelaufenen Querdenkerdemonstrationen usw.) ausgesetzt worden sind.
Insgesamt bin ich jetzt der Meinung, dass in der aktuellen Phase ein korrektes Einhalten der Priorisierung kaum noch möglich ist, so dass man zunehmend auch darauf verzichten, bw. weichere Kriterien zum Einsatz kommen lassen kann. Ein 50jähriger mit deutlichem Übergewicht oder mit Nikotinabusus als Risikofaktor (und davon dürfte es z.B. bei der BASF viele geben) hat mit Sicherheit ein höheres Risiko bei einer Covid-19-Erkrankung auf der Intensivstation zu landen, als ein gesunder, sportlicher Ü70er, der in der offiziellen Impfreihenfolge vor ihm stehen würde, so dass eine eine rein formale Priorisierung nach Alter mittlerweile nur noch wenig Sinn macht.
In den impfzentren werden vorhandene Risikofaktoren ja auch nicht mehr ernsthaft abgeprüft, sondern man verlässt sich dort auf mitgebrachte Atteste irgendwelcher Ärzte, was alleine schon eine große Unschärfe bei der Priorisierung bedingt. Kontaktpersonen von Schwangeren sind dann z.B. plötzlich nicht nur die im selben Haushalt lebenden Personen, sondern auch mal die Schwägerin (weil sie gelegentlich Einkäufe erledigt) oder die in einem anderen Haushalt lebenden Eltern usw.
Man muss den Betriebsärzten genauso wie den Hausärzten einen gewissen Vertrauensvorschuss entgegenbringen, dass sie bei den aktuell noch begrenzt zur Verfügung stehenden Impfdosen innerhalb ihrer Belegschaft bzw. innerhalb ihres Praxiskollektivs (dass sie in der Regel ausreichend gut kennen) die richtigen Patienten bevorzugt impfen und epidemiologisch betrachtet geht es jetzt, nach weitgehender Durchimpfung der Priogruppe 1 mit täglich ansteigenden Impfzahlen zunehmend darum mit Erhöhung der allgemeinen Impfdichte potenzielle Infektionsketten zu unterbrechen, um die Pandemie auszutrocknen. Und für dieses Impfziel geht es nicht primär darum die besonders von einem schweren Verlauf gefährdeten Personen zu impfen (die selbst meist am Ende von Infektionsketten stehen und selbst das Virus nicht mehr weitergeben, weil sie sozial eher isoliert leben, bzw. sich überdurchschnittlich gut schützen im Bewusstsein ihres individuellen Risikos bei Covid19-Erkrankung, sondern v.a. die sozial besonders aktiven, die im Falle eines (womöglich asymptomatischen Verlaufs) besonders viele weitere Personen anstecken würden.
Und wenn sich Deutschland schon nicht entschließen kann, mit einem echten Lockdown die Inzidenzzahlen auf ein vertretbares Maß zu senken, dann muss man mit den Impfungen v.a. dorthin gehen, wo höchstwahrscheinlich nach wie vor in relevantem Ausmaß Infekte stattfinden, wozu Betriebe wie BASF höchstwahrscheinlich gehören.