Zitat von Schwarzfahrer
Es geht, glaube ich, nicht darum, was wir "sollen", sondern wie die menschliche Psychologie funktioniert. Ich bin mir sicher, daß bei sehr vielen Menschen ihr Urteil stark durch persönliche Erfahrungen beeinflusst ist. Für mich sind z.B. die Anliegen behinderter Menschen sehr wichtig, weil ich einen behinderten Sohn habe (und 20 % meines Bekanntenkreises ein behindertes Familienmitglied hat), und die Borreliose eine Krankheit, für dessen bessere Behandlung ich mich einsetze, weil ich selbst betroffen bin und viele andere mit der Krankheit sowie die miserablen Bedingungen drumherum kenne (Statistisch: jährlich mehrere 100.000, von denen ein paar Tausend dauerhaft chronisch krank werden; da "leider" nur wenige daran sterben, ist es schwer, Aufmerksamkeit dafür zu bekommen; und es betrifft ja nur jährlich < 1 % der Bevölkerung).
Darum ist es nicht abwegig anzunehmen, daß Lidl das Thema Corona so hoch hängt, weil es ihn oder sein Umfeld besonders hart getroffen hat. Wenn's so wäre, hätte ich mehr Verständnis für seinen Eifer. Und ja, sogar Politiker sind vor diesem psychologischen Effekt nicht gefeit (z.B. soll die Betreuungsgeld-Idee Stoiber seinerzeit gekommen sein, weil seine Tochter seinen Enkel in die Kita gegeben hat, was für ihn ein Unding gewesen sein soll).
Wir können natürlich auch objektiv auf Statistiken schauen: an Corona sind in den am schlimmsten betroffenen Ländern bisher eine niedrige einstellige Prozentzahl der Bevölkerung erkrankt, bei uns noch weniger - in absoluten Zahlen alles sehr beeindruckend; für jeden einzelnen Betroffenen übel, für die Gesamtbevölkerung statistisch weit von einer großen Bedrohung weg, für Ältere und bestimmte chronisch Kranke eine wesentliche zusätzliche Bedrohung. Jeder kann daraus seine Schlüsse ziehen - und die unterscheiden sich, wie hier zu sehen, sehr stark.
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