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Das Alte Testament hat hier unterschiedliche Vorschriften. In der Phase der Land-Eroberung (Exodus) wird festgelegt, dass man Sklaven von anderen Völkern nehmen soll. Aber an anderen Stellen wird festgelegt, dass z.B. Sklaven aus der direkten Nachbarschaft stets das Recht haben sollen, von ihren Angehörigen wieder freigekauft werden zu können. (Etwa, wenn jemand seine Schulden nicht begleichen konnte und dadurch zum Sklaven wurde.)
Nach meiner Ansicht sollte man einen Unterschied berücksichtigen, den man eventuell übersieht. Nämlich den Unterschied zwischen Recht und Gesetz auf auf der einen Seite, und dem menschlichen Mitgefühl auf der anderen Seite. Die Bibel beschreibt im Alten Testament eine Rechtsordnung, anhand von Geboten. Doch im Neuen Testament liegt der Fokus ganz woanders, weil das Judentum und das frühe Christentum zu dieser Zeit gar nicht mehr die Macht hatten, Recht zu setzen. Sondern es ging darum, was die Menschen "eigentlich" tun müssten, auch wenn das herrschende Gesetz oder die Gepflogenheiten etwas anderes vorschrieben (oder es überhaupt nicht behandelten).
Hier hätte man durchaus sehen können, ob Sklaven glücklich waren oder nicht. Die rechtliche Frage ist, ob man Sklaven haben darf; die ethische (christliche) Frage wäre, ob man es sollte.
Selbst wenn man auf dem Standpunkt steht, dass diese Frage für die damaligen Menschen nicht in Reichweite war, hätten Jesus und sein Christentum durchaus Verbesserungen erreichen können. Beispielsweise durch Regeln, wie Sklaven zu behandeln seien. Diese Frage war beweisbar in Reichweite der damaligen Menschen, denn das Alte Testament hat zahlreiche solcher Regeln. Aber Jesus sah keinen Anlass, diese Regeln zu verbessern.
Noch ein letzter Punkt: Es ist spekulativ, was die Menschen damals hätten sehen müssen. Aber es ist eine Tatsache, dass die Bibel und das Christentum hier keine Verbesserung erwirkt haben. Nicht nur hat das Christentum die Schwächsten im Stich gelassen, die mitten unter ihnen lebten, sondern es ist auch keineswegs ein Sonderfall. Es ist recht schwierig, eine benachteiligte Gruppe zu finden, auf die das Christentum ihre Lehre von der Barmherzigkeit tatsächlich angewendet hätte. Hingegen ist es recht einfach, Gruppen zu nennen, die ihre Befreiung gegen den Widerstand der Kirchen erkämpft haben (oder es noch tun).
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