Zitat:
Zitat von Siebenschwein
… Aber grundsätzlich kannst Du von einem durchschnittlichen Journalisten … nicht verlangen, dass er komplexe naturwissenschaftliche Zusammenhänge wiedergeben kann. Ist leider so. Dafür hat man dann eben die Seite des RKI.
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Das ist meiner Meinung nach zu einseitig gedacht. Von welchem durchschnittlichen
Leser kann man denn erwarten/verlangen, dass er komplexe naturwissenschaftliche Zusammenhänge
versteht?
Logischerweise schreiben/texten viele Journalisten für Laien, was automatisch bedeutet, komplexe Zusammenhänge so herunterzubrechen, dass sie auch für Laien verständlich sind. Wie stark man vereinfacht, hängt natürlich von vielen Faktoren ab. Und die grundsätzliche Frage, wie stark man als Journalist überhaupt vereinfachen darf, ist überhaupt eine sehr komplexe vor allem gesellschaftspolitische Frage.
Meine Journalistenkollegen und ich zerbrechen uns genau über diese Fragen sehr oft den Kopf. Und es gibt keine hundertprozentig richtigen Pauschallösungen. Ich halte es trotzdem für wichtig, sich immer wieder dieser Frage zu stellen. Die Lösung kann aber meiner Meinung nach nicht sein, zu kapitulieren und über mache Themen gar nicht mehr zu berichten, weil man sie für zu komplex hält. Das kann bei "Orchideen-Themen" einmal sinnvoll sein, aber an den großen Themen kommt man nicht vorbei - alleine schon deshalb, weil es sonst sofort wieder Verschwörungstheorien geben würde, nach dem Motto: die Medien verschweigen schon wieder etwas.
Und genau das ist auch der Unterschied zu anderen Experten, etwa Ingenieuren. Da gibt es selten verschiedene mögliche Perspektiven mit unzähligen zu bewertenden Argumenten. Die Frage lautet z.B.: Hält die Brücke, wie ich sie berechnet habe? Oder nicht? Die Antwort lautet kurz und bündig: ja oder nein. So einfach ist es im Journalismus halt nicht oft, wenn man entscheiden muss, wie man ein Thema behandelt.
Um dem sachlichen Beitrag noch eine zugegebenermaßen polemische Zusammenfassung hinzuzufügen: manchmal habe ich den Eindruck, dass sich jeder für einen journalistischen Experten hält, der schon einmal eine Zeitung gelesen hat. Und natürlich sofort weiß, wie man es besser machen hätte müssen

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Und jetzt noch sachlich: natürlich gibt es auch Journalisten, die ihre Arbeit nicht ordentlich machen, die Fehler machen, die bösartig sind, eine eigene Agenda verfolgen, usw... Aber nach mehr als 30 Jahren im Journalismus bin ich auch überzeugt davon, dass es sich viele Kritiker des Journalismus zu einfach machen und viel zu oft Pauschalurteile fällen, die nicht angemessen sind.