Ich sage nicht, dass jemand vor zweitausend Jahren die Menschenrechtserklärung von 1948 wörtlich hätte niederschreiben sollen. Natürlich kann man zu viel verlangen (von einem Menschen).
Aber kann man nicht auch zu wenig verlangen?
Prediger (auch heute) sind ja in gewisser Weise Utopisten, in dem Sinne, dass sie darüber nachdenken, wie die Welt sein
müsste. Sie beschränken sich nicht darauf, einfach den Status Quo auszusprechen. Den Status Quo braucht man nicht zu predigen.
Soll man Jesus daran messen, wie gut er die vorhandenen Umstände beschrieb? Das scheint mir unsinnig zu sein. Sinnvoller scheint es mir, seine Utopien zu untersuchen.
Was ist hiermit:
Selig sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden.
Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich besitzen.
Selig sind, die da hungert und dürstet (nach Nahrung oder Gerechtigkeit, je nach Version); denn sie sollen satt werden.
Selig sind die Barmherzigen; denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.
Selig sind, die Frieden stiften; denn sie werden Gottes Kinder heißen.
Immerhin bedeuten diese Verse, dass Leid, Hunger, Ungerechtigkeit, Unbarmherzigkeit und Unfrieden als Dinge erkannt wurden, die man überwinden sollte. Jesus war also nicht völlig in den damaligen Umständen gefangen, sondern hat durchaus Dinge erkannt, die geändert werden müssen.
Diese Dinge sind nicht zufällig gewählt, sondern gehören zum menschlichen Wohlbefinden. Vor zweitausend Jahren ebenso wie heute.