Zitat:
Zitat von Helmut S
I...
Ich habe den Eindruck, dass es im Journalismus an breiter Front an diesen Fähigkeiten mangelt, insbesondere an Formulierungsschärfe und Abstraktionsfähigkeit um komplexe technische oder wissenschaftliche Themen zu analysieren, zu verstehen oder darüber zu berichten. Anfangs war es den Berichterstattern ja nicht mal gegeben die Probleme einfachster Prozentrechnung zu erkennen (Infektionsrate, Dunkelziffer ... Was ist der Grundwert?)
Allein der Ansatz, man könnte sich als politischer Journalist oder im besten Fall fachfremder Journalist einfach mal ne beliebige, wissenschaftliche Studie durchlesen und diese verstehen, lässt mich schon die Stirn runzeln. Dabei scheitern sie oft aber bereits am trennscharfen lesen oder am Prozentrechnen. Das scheint aber niemanden davon abzuhalten nen Artikel zu schreiben. Selbst dann, wenn er vom Thema soviel Ahnung hat wie 5 Meter Feldweg. Gott sei Dank gibt es auch Fachjournalisten. 
|
Den Eindruck habe ich auch. Ich schaue zwar regelmäßig bei Spiegel online und anderen News-Sites rein, aber oft merkt man den Überschriften deutlich an, dass es letztlich bei deren Geschäftsmodell darum geht, Klicks zu generieren (oder zu Abos zu verleiten) und nicht primär darum zu informieren. Die besten und objektivsten Informationsquellen in der aktuellen Pandemie sind meiner Meinung nach einfache Zahlenaggregationsseiten, wie z.B. bei Worldometers.info sowie die englischen "2020_Coronavirus_pandemic_in..."Wikipedia-Seiten, die es zu jedem Land gibt.
Ein typisches Beispiel für diese Art von Journalismus habe ich gerade erst auf FB erlebt, wo ein Kollege einen Artikel der Britischen Times verlinkt hat mit der griffigen Überschrift:
Schweden ist ein Modell für die neue Coronavirus-Normalität, sagt die WHO!
Der Text selbst ist wie so oft hinter einer Paywall versteckt und obwohl die Times sicherlich eine grundsätzlich seriöse Zeitung ist, bin ich mir fast sicher, dass der WHO-Repräsentant sich differenzierter geäußert hat, als es in der plakativen Text-Überschrift zum Ausdruck kommt.
Aktuelle und kostenlose und ausgewogene Informationen zum schwedischen Modell gibt es wie immer in solchen Fällen bei Wikipedia, wo man auch lesen kann, dass
Schweden gestern am 30.4. die höchste Zahl an neuen infekten im Verlauf der gesamten Epidemie mit 774 bestätigten neuen Fällen verzeichnen musste. Während praktisch überall in Europa die Infektkurven bergab zeigen und die Infektzahlen (wichtig sind die sog. active cases) sinken, steigen sie in Schweden weiter an. Und das in einem äußerst dünn besiedelten Staat, der wie die Beispiele Island, Norwegen und Neuseeland gezeigt haben, allerbeste Chancen hätte, das Virus mit überschaubaren und zeitlich begrenzten Maßnahmen gewissermaßen komplett aus der eigenen Population zu eliminieren. Ob das wirklich ein praktikables Modell für andere Staaten sein soll, halte ich für fragwürdig. Die Nachbarländer Norwegen und Dänemark stehen weitaus besser da, haben nur ein Zehntel der infektzahlen des Nachbarn Schweden.
Deutschland hat 8mal sowiel Einwohner wie Schweden aber -Stand gestern- gerade mal doppelt so viele Neuinfizierte pro Tag, und eine weitaus geringere Mortalität als Schweden, wo leider jeder 9. infizierte verstirbt, während in Deutschland glücklicherweise nur jeder 25. verstirbt.
Ich will nicht in einem Land leben, wo zwar im Gegensatz zu Deutschland die Straßencafes geöffnet sind, wo aber (u.a. aufgrund fehlender Krankenhausbetten) jeder 9. Covid-19-Erkrankte stirbt.