Ein wissenschaftlich idealer Versuchsaufbau läge sicherlich dann vor, wenn abgesehen von der Schuhwahl ceteris paribus exakt gleiche Versuchsbedingungen vorlägen. Nur dann könnte man den zu beobachtenden Effekt – Einfluss der Variable „Schuh“ auf die gemessene Laufökonomie – zweifelsfrei isolieren. Das hat man in der Sportwissenschaft aber eigentlich nie, von daher kann man an jedem Versuchsaufbau immer irgendwie herumkritisieren, wenn man denn möchte. Noch besser wäre es sicherlich, wenn man die Schuhe an drei verschiedenen Tagen mit jeweils identischer Vorbereitung und sonstigem Versuchsaufbau testen würde. Da dies die Sache jedoch deutlich aufwendiger machen würde, zieht man stattdessen alles an einem Tag durch – was aus meiner Sicht in diesem Fall vertretbar ist.
Versuchaufbau:
Die drei verschiedenen Schuhmodelle wurden durch den Athleten in einer Einzelfallstudie bei 12, 14 und 16 km/h jeweils 5 min gelaufen, mit 5 min Pause nach jeder 5-minütigen Belastung.
Abfolge: 4-12, 4-14, 4-16, P-12, P-14, P-16, N-12, N-14, N-16 (45 min laufen, 40 min Pause)
4 = Vaporfly 4%
P = Pegasus
N = Vaporfly Next Percent
Ergebnis: Der Next Percent ist bei allen Geschwindigkeiten der Schuh mit der besten Laufökonomie (sprich: Sauerstoffverbrauch in ml pro min und kg Körpergewicht), wobei der Vorteil gegenüber den beiden Konkurrenten 4% und Pegasus bei der mittleren Geschwindigkeit am Stärksten ausgeprägt ist. Überraschenderweise hat der Next Percent nämlich bei diesem Athleten bei einer Geschwindigkeit von 14 km/h eine um 4% verbesserte Laufökonomie gegenüber dem Vaporfly 4% - man könnte ihn sozusagen Vaporfly 8% nennen, bzw. Vaporfly 7,84%, wenn man spitzfindig sein möchte. Bei einem stetigen Geschwindigkeitsverlauf würde man also vermutlich näherungsweise eine invertierte U-Kurve mit einem Maximum um 14 km/h beobachten.
Inwiefern das Thema „mangelndes Aufwärmen“ das Experiment verzerrt, können wir nicht seriös beurteilen, da aus dem Video nicht eindeutig hervorgeht, inwiefern dies erfolgt ist (premiumski sagt oben, ein Einlaufen habe stattgefunden). Das Thema Ermüdung spielt aus meiner Sicht allerdings keine bzw. eine untergeordnete Rolle: Der Argumentation von longtrousers zufolge hätte ja gegen Ende der Testreihe die einsetzende Müdigkeit bereits einen negativen Effekt haben müssen. Allerdings wird der Next Percent zuletzt gelaufen und zeigt trotzdem mit Abstand die besten Ergebnisse. Das heißt: Sollte bereits Ermüdung eingesetzt haben, ist der Schuh tatsächlich noch besser als im Versuch festgestellt.
Bei dem Athleten im Test handelt es sich darüber hinaus um einen ambitionierten Amateursportler, der vor Kurzem ein zweiwöchiges Höhentrainingslager in St. Moritz gemeinsam mit dem Triathlon-Profi Johann Ackermann absolviert hat. Den bringen 45 min Laufen bei deutlich submaximalen Geschwindigkeiten mit 40 min zwischenzeitlicher Pause nicht um. Beim abschließenden 16 km/h-Intervall liegt seine Sauerstoffaufnahme bei 48 ml/(min*kg); in einer zurückliegenden Leistungsdiagnostik wurde eine VO2max von ca. 65 festgestellt. Das anspruchsvollste Intervall wird also bei einer Intensität von ca. 75% der VO2max durchgeführt, also vermutlich immer noch unterhalb der anaeroben Schwelle.
Ich halte den Versuchsaufbau daher insgesamt für valide. Es handelt sich um eine solide durchgeführte Einzelfallstudie. Beim nächsten Athleten kann die Welt dann schon wieder ganz anders aussehen.
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