Zitat:
Zitat von Klugschnacker
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Noch vor zwei, drei Generationen haben sich die Väter unseres Kulturkreises oftmals wenig um die emotionalen Bedürfnisse ihrer Kinder gekümmert – dafür waren eher die Mütter zuständig, während sich die Väter als Ernährer der Familie sahen. Heute favorisieren wir zunehmenden andere Rollenbilder, zum Beispiel, wenn Väter Elternzeit nehmen oder Mütter voll berufstätig sind.
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Generell ist alle Kultur und deren Weiterentwicklung stets gegen die ursprüngliche, als "natürlich" etikettierte Lebensform gerichtet. Wir verzehren unser Essen nicht mehr roh, leben in Hochhäusern, fahren in U-Bahnen, benutzen Verhütungsmittel, spielen mit Computern, diskutieren in Foren, spähen ins Weltall, implantieren künstliche Hüftgelenke, feiern Weihnachten in Kirchen, beheizt mit Strom aus dem Atomkraftwerk. Nichts davon ist natürlich, sofern man diesen Begriff für eine vorkulturelle Lebensform reserviert.
Auch eine Priesterkaste, die sich selbst nicht fortpflanzt, ist nicht natürlich. Warum pickt man aus all diesen kulturellen Verhaltensweisen nun jene heraus, die im Kontext mit gleichgeschlechtlich liebenden Paaren stehen, und wirft ihnen die Unnatürlichkeit vor?
Mir scheint, das naturalistische Argument ist hier nur vorgeschoben.
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Unsere Vorstellungen heute über Kindererziehung und die Kleinfamilie, die auf einer Liebesheirat gründet, sind wie Du schreibst überhaupt nicht naturgegeben, wie sicher auch Trimichi weiss. Sie bildeten sich erst langsam und erst spät in der Neuzeit heraus. Man heiratete davor mit dem Ziel der Vermehrung bzw. Erhalt des Besitzes und die Kinder wurden oft Ammen gegeben, soweit sich das Elternhaus dieses finanziell erlauben konnte.
"Von 21 000 Geburten der Stadt Paris im Jahr 1780 wurden 17 000 Kinder zu Ammen aufs Land gebracht. 700 genossen das Privileg einer Säugamme, die nach Hause kam. 2000 bis 3000 Kinder wurden in Heimen abgegeben, und nur 700 Kinder blieben bei ihren Müttern. In Hamburg sahen die Zahlen nicht viel anders aus: im 18. Jahrhundert waren 4000 bis 5000 Ammen in der Hansestadt beschäftigt. Stillen galt als lächerlich und ekelhaft, weder als amüsant noch als schick. Sollten doch andere diese lästige Arbeit erledigen."
So stellte man sich vor, dass die Mutter und die Amme den Charakter des Kindes prägen:
"Lange Zeit ging man davon aus, dass Muttermilch umgewandeltes Menstruationsblut sei: Während der neun Monate im Bauch der Mutter wurde das Kind von diesem Blut gelabt, nach der Geburt vom umgewandelten Blut aus der Brust. Da sei es ja kein Wunder, dass sich der Charakter der Amme auf das Kind übertrug. Wenn ein Junge die Milch einer zu hitzigen Amme trank, konnte er zu weibisch werden, Mädchen, die nicht die Milch einer charakterlich ähnlichen Frau genossen, zu männisch." Empfehlenswerte
Berufsgeschichte der Amme
Nach der Amme übernahmen oft die Dienstmädchen oder eine Magd die weitere Versorgung des Kindes.
Die Kinder wuchsen über viele Jahrhunderte mit 2 oder mehreren Frauen auf, welche die Kinder mehr oder weniger mütterlich versorgten.