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Zitat von waden
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Ich kann Deinen Gedanken gut nachvollziehen und stimme auch in den wesentlichen Punkten überein. Aber wir wollen ja (einfach aus Spaß an der Debatte) auch gegenüber unseren
eigenen Standpunkten kritisch sein.
Dass die Leute an eine Art "himmlische Überwachungskamera" geglaubt haben, ist wohl unbestreitbar. Trotzdem sind jene Zeitalter, zu denen das Christentum die größte ethische und politische Macht hatte, auch die grausigsten gewesen. Ähnliches beobachtet man bei anderen Religionen auf anderen Kontinenten.
Zwischen der
Anwesenheit einer Himmelskamera und der
Abwesenheit von Gräuel scheint also kein Zusammenhang zu bestehen. Mir scheint es eher so zu sein, dass sich die frommen Leute eher mit Nebensächlichkeiten aufgehalten haben:
"War ich in der Kirche? Habe ich genügend Ave-Marias gebetet? Habe ich gebeichtet? Hatte ich sündige Gedanken?" Diese Gedanken schaden niemanden, aber sie nützen auch niemanden. Wo es hingegen um echte Werte (Geld, Einfluss) ging, war man plötzlich sehr pragmatisch und eigennützig.
Ich muss sagen, dass ich selbst nicht ganz frei bin von esoterischen Gedanken, was "das Gute" angeht. Manchmal verhalte ich mich auf eine Weise, weil ich denke, es kommt irgendwie wieder zurück. Etwa in Form einer Schluss-Abrechnung, oder in Form eines "Gute-Taten-Kontostands" -- ich kann es gar nicht so klar fassen, aber es ist doch eine Art Vorfreude darauf, dass ich bei einer fairen Schlussabrechnung gut dastehe.
Ich mach' jetzt gleich eine kleine Radtour zu einem Bio-Hühnerhof, um die dortigen Zustände persönlich in Augenschein zu nehmen. Denn in einer TV-Dokumentation sah man scheussliche Dinge über Bio-Hühner, und ich beschloss, mich nicht weiter hinter irgendwelchen Bio-Siegeln zu verstecken, sondern so zu handeln, dass mein persönliches Gute-Taten-Konto nicht belastet wird. Aber rein rational weiß ich natürlich, dass dieses Konto nicht gibt.
Noch ein kleiner Nachtrag: Würde ich an einen Gott glauben, der mich bedingungslos liebt und der immer meiner Meinung ist, hätte ich keinen Anreiz, den Hühnerhof zu besuchen. Das tue ich nur, weil meine heile Welt
in Konflikt gerät mit der Wirklichkeit (durch die TV-Dokumentation), und weil ich durch Nachdenken darauf gekommen bin, dass das Leid von Hühnern nichts anderes ist als Leid, und dass ich es womöglich vermeiden kann.
Die Himmelskamera könnte ja bestehen aus meinen eigenen Ansprüchen und Einsichten, und nicht aus den Ansichten eines Gottes.
Ähnlich sehe ich den Spruch: "Was hätte Jesus getan?" Das ist im Grunde nur eine andere Formulierung für: Was wäre gut und angemessen? Es gibt sicherlich einige Christen, die darüber zu einem guten Lebensstil finden. Das kann ich respektieren.