gemeinsam zwiften | youtube | forum heute
Trainiere für Deinen Traum.
Triathlon Coaching
Individueller Trainingsplan vom persönlichen Coach
Wissenschaftliches Training
Doppeltes Radtraining: Straße und Rolle mit separaten Programmen
Persönlich: Regelmäßige Video-Termine
Mehr erfahren: Jetzt unverbindlichen Video-Talk buchen!
triathlon-szene.de | Europas aktivstes Triathlon Forum - Einzelnen Beitrag anzeigen - Ironman Südafrika
Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 09.04.2018, 12:52   #112
marse
Szenekenner
 
Registriert seit: 26.10.2012
Beiträge: 258
Rennbericht IMSA 2017

Ironman Südafrika

Am 2. April 2017 startete ich beim Ironman Südafrika in Port Elizabeth, einem Langdistanztriathlon über die Strecken 3,8 km Schwimmen, 180 km Radfahren und 42,195 km Laufen. Nachdem einige Wochen vergangen waren, war es an der Zeit zu beurteilen, wie ich mich geschlagen hatte. Besonders weil mein A- und Traumrennen, immerhin die Afrika-Meisterschaft, nicht wie geplant und erwartet lief, war es unbedingt notwendig, nach den Gründen zu suchen.

Mein Ziel war eine Zeit unter 10 Stunden. Als Maßstab nahm ich meine Bestzeit von 10:21h aus dem Jahr 2009 (Challenge Roth). Ich habe den Ironman Südafrika in 11:54h gefinished – mein schlechtester Langdistanztriathlon aller Zeiten.

Wenn man schlichtweg diese Zahlen vergleicht, wird erschreckend offensichtlich, welch schlechte Leistung ich an jenem Tag gemessen an meinem Training und Zielen abgeliefert hatte. Was war also passiert? Normalerweise ist die beste Zeit für die Suche nach einer Antwort am Tag nach dem Rennen. Aber ich brauchte Wochen, um meine Emotionen runterzufahren und die Enttäuschung zu verdauen – um meinem Geist zu erlauben, wieder klar zu denken.

Die Gründe für eine schlechte Wettkampfleistung im Langdistanztriathlon liegen üblicherweise in der Einteilung des Rennes besonders wenn man das falsche Tempo für die einzelnen Disziplinen und Abschnitte wählt. Das liegt so gut wie immer an unkontrollierten Emotionen, was sich besonders stark zu Beginn der Radstrecke zeigt. Hey, immerhin hast du dich 1 Jahr akribisch auf deinen sportlichen Höhepunkt des Jahres vorbereitet und startest den Tag mit Gänsehautatmosphäre am weltberühmten Bondi Beach im Indischen Ozean und fliegst danach mit deinem abartig teuren und schnellen Rad an der Küste Richtung Kapstadt entlang.

Meine geplante Renn-Strategie sah wie folgt aus: einigermaßen erholt aus dem Indischen Ozean steigen und die rollende (flache und leicht zu fahrende) Radstrecke mit sanftem Pedalieren zu beginnen. Ich war sicher (und hatte speziell darauf trainiert), die 180 km mit einem Durchschnitt von 35 bis 36 km/h bewältigen zu können. Das hätte eine Radzeit von 5:00h bis 5:10h bedeutet.

Die dokumentierte Wahrheit ist diese:
3,8 km Schwimmen: 1:06h im welligen indischen Ozean – lief gut soweit; keine Begegnung mit Haien (die Gegend neben dem Bondi Beach heißt „Shark Rock“) Ich kam extrem selbstbewusst aus dem Wasser, zumal meine Schwimmbestzeit von 1:04h aus dem schnurgeraden und ruhigen Main-Donau-Kanal bei Hilpoltstein stammt.

180 km Radfahren:

43 km: 34,05 km/h
90 km: 30,98 km/h
137 km: 28,51 km/h
180 km: 31,53 km/h
Gesamt: 5:47 = 31 km/h

Man sieht deutlich: sogar mit Rückenwind auf dem ersten Viertel konnte ich nicht mein angepeiltes Ziel erreichen, auf dem Rückweg kämpfte ich mit Gegenwind, die erste Hälfte der zweiten Runde zog mir sämtliche Energie aus den Beinen – zwischenzeitlich hatte der Küstenwind gedreht – und das letzte Viertel entpuppte sich als schierer Kampf gegen Schmerzen und Müdigkeit obwohl nun wieder ein schöner Rückenwind blies.

Nachdem ich in der zweiten Wechselzone einen Blick auf meine Uhr gewagt hatte, fühlte ich mich so niedergeschlagen und entmutigt, dass der abschließende Marathon zu einem bloßen Kampf um ein würdevolles Ins-Ziel-Kommen geriet. Es war mein schlechtester Marathon aller Zeiten, aber ich habe mich gegen Schwindel, Schüttelfrost und Magen-Problemen durchgekämpft.

Warum lief es also so unerwartet schlecht? Unrealistische Erwartungen sind ein anderer üblicher Grund für eine unpassende Renneinteilung. Waren meine Ziele also unrealistisch und zu hoch?
Nein.
Die Performance eines Rennes lässt sich sehr gut vorhersagen, wenn man die letzten Trainingswochen analysiert. Meine Schlüssel-Einheiten (3,8 km Testschwimmen im Hallenbad, 30km-Läufe, 10km-Vollgas-Testläufe, 5h-Radeinheiten auf der Rolle im Keller, 1h-Zeitfahr-Einheiten auf dem Rad) der letzten 6 Wochen waren starke Indikatoren, was ich am Wettkampftag erwarten konnte. Ich erinnere mich an wundervolle Schwimmeinheiten und zwei 10km-Testläufe mit Jahresbestzeiten. Außerdem lief mein Radtraining im Keller (während des Winters in Deutschland) sehr gut und die Zeitfahr-Ergebnisse klangen vielversprechend. Des Weiteren blieb ich zum ersten Mal seit Jahren von Erkältungen verschont, was dazu führte, dass meine Motivation täglich stieg.

Wir reisten 1 Woche vor dem Wettkampf nach Port Elizabeth, um uns ausreichend an die Hitze zu gewöhnen. Und genau diese Hitze scheint der Schlüssel zu sein. Sie bringt dich am Wettkampftag gnadenlos zu Fall – egal wie hart du im Vorfeld trainiert hast – wenn du die Hitze nicht gewöhnt bist. In Südafrika hatten wir 25 – 30 Grad Celcius und eine steife Brise vom Ozean landeinwärts. Deshalb spürt man die Wärme beim Radfahren nicht sehr stark. Im Nachhinein hatte ich die Hitzetheorie zwar als Einbildung abgetan – was ihr allerdings auf den Fotos auf meinem Triathlonanzug seht, ist eine Mischung aus zu viel Sonnencreme und viel zu viel Salz ;-) Wenn es ein heißer Tag wird, muss man alle geplanten Zeiten reduzieren und jede Disziplin wesentlich langsamer angehen. Es gibt nur zwei Wege mit diesem Thema umzugehen: entweder man simuliert die Bedingungen im Training (Trainingslager auf Lanzarote oder mit dem Ergotrainer in die Sauna – kein Witz, genauso macht es der Olympiasieger und zweifache Weltmeister Jan Frodeno) oder man trifft die unbeliebte aber weise Entscheidung, den Wettkampf viel langsamer anzugehen. Wünschen und Hoffen wird absolut nichts helfen. Wenn man nicht die Chance hat, die Wetterbedingungen im Training vorzufinden, muss man sehr sehr kreativ sein (Ergotrainer in der Sauna ;-)). Ich habe nichts dergleichen getan und meine Lektion gelernt. Ich habe auf meine langen Läufe im Schneesturm und wohl-temperiertes Radtraining im Keller ohne einen Windhauch vertraut. Ich habe gewünscht und gehofft für den Tag des Rennens. Es hat nichts gebracht. Es gibt keine Magie im Wettkampf. Nur die nackte Wahrheit.

Welche Schlüsse zieht man daraus also für folgende Wettkämpfe? Ich kam gut trainiert nach Südafrika mit dem Ziel ein wunderschönes Rennen zu genießen und meine Bestzeit zu schlagen. Alles Negative und Positive, was ich vorher erwartet hatte, lief gut: kleinere Radreparaturen konnte ich zu Hause erledigen, wir erlebten einige sehr gute abschließende Trainingseinheiten mit Freunden in Port Elizabeth, ich blieb gesund und wir lenkten uns in unserem Urlaub mit alltäglichen Dingen und Müßiggang ausreichend von der Anspannung ab. Wir trafen Gleichgesinnte und hatten eine Menge Spaß. Ein Highlight war ein 80km Radtraining auf dem unfassbar schönen Radkurs entlang der Küste mit kompletter Polizeieskorte für uns vier nobodys. Dem Veranstalter des Millionen-Dollar-Spektakels „Ironman“ war offensichtlich nicht wohl bei dem Gedanken, die Sportler allein durch Südafrika radeln zu lassen. Trotz der gut laufenden Vorbereitung, exzellenten Rahmenbedingungen, einer fantastischen Organisation und einem zauberhaften Urlaub am anderen Ende der Welt bin ich das Rennen am Wettkampftag zu schnell angegangen. Außerdem saß ich zu aggressiv auf meinem Rad, um den Wind auszutricksen, was allerdings nur zu Schmerzen im Rücken, Hals und Fuß geführt hatte.
Somit habe ich für weitere Wettkämpfe mein Rad wieder für eine bequemere Sitzposition angepasst und werde versuchen für das nächste Hitzerennen in der Sauna zu trainieren ;-). Eine weitere Option ist, die halbe Distanz im Wettkampf auszuprobieren oder auf kältere Rennen wie den Ironman Wales auszuweichen.
Beim Ironman Südafrika kam ich nach 11:54h auf Rang 706 von 2.083 Athleten ins Ziel.
Familie, Freunde und Kollegen haben mich vor, während und nach dem Rennen unterstützt und an mich geglaubt. Hätte meine Freundin nicht an der Strecke und im Ziel auf mich gewartet, würde ich den Marathon wahrscheinlich heute noch entlangspazieren. Ohne Unterstützung von außen ist solch ein Vorhaben kaum zu schaffen. Außerdem kann man „den längsten Tag des Jahres“ nicht ohne die absolut verrückten und ausgeflippten Zuschauer überstehen. Als „Berufsfranke“ bin ich selbstverständlich die besten Zuschauer der Welt in Roth gewöhnt – die Südafrikaner stehen dem aber kaum nach, was im Verlaufe eines südafrikanischen Sonntags aber auch viel mit Sonne, Braai (Barbecue) und Bier zu tun hat. Hinzu kommt, dass ich auf meinem Triathlonanzug Werbung für ein T-Shirt-Unternehmen aus Harare in Simbabwe mache. Südafrika ist ein Einwanderungsland für alle umliegenden Länder des südlichen Afrikas – besonders aus dem „hungrigen Simbabwe“. Der Schriftzug „Harare“ brachte mir so viele „persönliche“ Fans wie nie zuvor – allein, dass ein vermeintlicher Simbabwer sich nach Südafrika zum Sport machen verirrt, sorgte unter den Zuschauern für glückliche Aufgeregtheit.
Ich habe mich während des Marathons schrecklich gefühlt, doch Aufgeben war niemals eine Option. Ein Triathlet stirbt nicht – er finished. Solltet ihr mal einen Triathleten bewusstlos liegend am Straßenrand finden – bitte stopped seine Strava-App und postet das Training in der Community. Ich werde nach Südafrika zurückkehren. Das Rennen an einer der schönsten Küsten der Erde inmitten von Finbos-Sträuchern entlang der „Garden-Route“ hat mich große Demut gelehrt. Eines Tages ist es Zeit zurückzukommen, um zu genießen.
marse ist offline   Mit Zitat antworten