Der Antisemitismus mit seiner Eskalation in der Generation unserer Großväter ist ein drastisches, aber berechtigtes Beispiel.
Es gibt weitere Beispiele in der Diskriminierung von Frauen, Andersgläubigen, Nichtgläubigen, Geschiedenen, Wiederverheirateten oder gleichgeschlechtlich liebenden Menschen und so weiter.
Ich sehe sie allesamt als Ausdruck eines tieferliegenden Problems des Glaubens, unabhängig von der konkreten Religion. Es existiert ebenso im Islam oder im Hinduismus, sowie in praktisch allen anderen Religionen: Die kategorische Weigerung, den eigenen Glauben auf der Ebene von Fakten zu überprüfen.
Papst Ratzinger hat sich in sehr abwertender und verletzender Weise über gleichgeschlechtlich liebende Menschen geäußert. Die Legitimation dafür zieht er aus zwei Bibelstellen. Was hat er unternommen, um hier zunächst die Fakten zu klären? Hat es die in der Bibel dargestellten Szenen und Aussagen tatsächlich gegeben? Wie sicher können wir uns sein? Ist ein Irrtum möglich?
Über die 10 Gebote gibt es ganze Bibliotheken voller theologischer Abhandlungen. Eine unglaubliche geistige Arbeit. Doch wer hat sich die Mühe gemacht, zunächst die Fakten zu klären: Gab es Moses wirklich? Hat tatsächlich der Schöpfer des Universums zu ihm gesprochen? Hat Moses alles korrekt niedergeschrieben – oder bestehen Zweifel? Wie groß ist der Anteil an Fiktion, wie viel wissen wir wirklich über die damaligen Vorgänge?
Einfach irgend etwas zu glauben, ohne an einer Überprüfung auf Wahrheit Interesse zu haben, ist keine moralische Position. Sondern häufig eine unmoralische. Sie diskriminiert Menschen ohne Grund. Ideologien und Religionen leisten dem Vorschub, indem sie ohne Fakten gut funktionieren und sich gegen eine faktische Überprüfung verwahren.
Wahrheit ist wichtig. Ich finde es daher gut, das Christentum wie auch alle anderen Ideologien auf Wahrheit zu überprüfen. So können wir seine Geschichte aufarbeiten und vielleicht etwas zum Guten verändern.
Wichtig wäre dieser Schritt, sich der Wahrheit mehr zu öffnen, auch für die Kirchen, denen scharenweise die Menschen davonlaufen. In den deutschen Städten hat so gut wie jeder längst geschnallt, dass Ratzinger nichts darüber weiß, was der Schöpfer des Universums über gleichgeschlechtliche Liebe denkt. Nicht die homosexuellen Menschen sind unmoralisch, auch nicht die Geschiedenen, Wiederverheirateten, Andersgläubigen und Ungläubigen sind unmoralisch. Sondern Ratzinger und seine Kollegen. Weil sie ein Wissen vortäuschen, dass sie nicht haben und nicht haben können, und das überdies falsch ist.
Spiritualität muss doch irgendwie besser gehen, findet Ihr nicht? 