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Zitat von Klugschnacker
Schwierigkeiten habe ich mit dem Begriff der kulturellen Identität....
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Was Du beschreibst, ist genau das, was ich in Deutschland beobachtet habe während meiner 38 Jahre hier - und worin sich Deutschland von vielen anderen Ländern unterscheidet. Es wurde auch viel darüber geschrieben, warum es sich so entwickelt hat. Aber es gibt eben auch in Deutschland Menschen, die diese Entwicklung nicht erfreulich finden.
Kulturell identisch sind Menschen nie, es geht um Gemeinsamkeiten, die stärker sind, als die Unterschiede, und die nichts mit der persönlichen Lebenseinstellung (Vegetariertum, politische Meinung) zu tun haben, sondern eben mit der dahinterstehenden Kultur, ausgemacht aus Jahrhunderten Geschichte, Literatur, Lebensweisen, etc.. Daß heute kaum noch jemand etwas von Goethe zitieren kann, ist keine zwingend normale Entwicklung; normaler, stetiger kultureller Wandel heißt nicht, auf wesentliche Ecksteine der Vergangenheit zu verzichten, sondern Neues hinzunehmen, ohne das Alte über Bord zu werfen. Dein Beispiel kann man auch als großen Verlust an Bewußtsein für die eigene kulturelle Herkunft sehen, ein schmerzhaftes Versagen des Bildungssystems - was natürlich für die nächste Generation es noch schwerer macht, die Menschen zu verstehen, die kulturelle Zugehörigkeit wie ich definieren.
Und kulturelle Vielfalt ist in Ordnung - aber die gibt es nur, wenn jeder seine eigene Identität genau versteht und definiert - ansonsten wird es kulturelle Beliebigkeit.
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Noch verkehrter ist es, Kriegsflüchtlinge für diesen Wandel verantwortlich zu machen.
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Die sind natürlich nicht verantwortlich für den Verlust der Kenntnisse über die eigene Kultur - das ist das eigene Versäumnis der Deutschen. Allerdings sind Zuwanderer aus gewissen Kulturkreisen sehr wohl verantwortlich für ein Wandel von "typischen Verhaltensweisen", wenn sie ihre Wertepriorisierung in unser Alltag einbringen wollen (Beispiel: Überbetonung der "Ehre" und "Familie" vor Individualrechten, Bekleidungsvorschriften für Frauen, Forderung nach Sonderbehandlung von Mädchen, Konfliktlösung über Gewalt oder eigene Gerichte statt nach staatlichen Gesetzen...). So etwas im Alltag wird als kulturelle Fremdheit empfunden, was viele Menschen nicht gut finden. Übrigens, auch Inder oder Chinesen mit ihrer "Gesichtsverlust"-Angst werden immer als kulturell schwer nachvollziehbar wahrgenommen, und haben viel Probleme in der Integration in die Arbeitswelt hier, solange sie sich nicht davon lösen.
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Ist unsere kulturelle Welt mit denen unserer Eltern und Großeltern identisch?
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Natürlich nicht, aber unsere Kultur wird durch ihr Erbe geprägt, und hat somit viel Gemeinsames, bzw. aufeinander aufgebautes. Mit der Kultur von archaischen Stammesgesellschaften haben wir dafür deutlich weniger gemeinsam.