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Ich glaube nicht, dass unser Gehirn irgendeine eingebaute Grenze der Erkenntnisfähigkeit hat, SOFERN man uns als Population betrachtet. Sicherlich gibt es einige Kuriositäten, die logisch ausgeschlossen sind, etwa die Frage, ob jemand die Farbe Rot auf die gleiche Weise sieht wie jemand anderes.
Dies sind meine Argumente:
Computerprogramme zeigen uns, dass komplexe Aufgaben in kleinste Teilschritte zerlegt werden können. Beispielsweise zerlegt mein iPhone die Aufgabe, ein Gesicht auf einem Foto zu erkennen, in mehrere Milliarden (!) kleinste Teilschritte. Sofern der kleinste, grundlegendste Schritt eine bestimmte Eigenschaft hat, lassen sich daraus beliebig komplexe Konstrukte aufbauen.
Diese „bestimmte Eigenschaft“ besteht darin, zwei Informationen logisch korrekt zu verbinden, um daraus ein Ergebnis zu erzeugen. Die zwei Informationen können winzig sein, etwa eine „1“ oder eine „0“. Entscheidend ist, dass die Logik korrekt angewandt wird. Wenn diese eine Sache funktioniert, ist es eine Frage der Geduld, bis damit komplexe Informationen verarbeitet und gewonnen werden können.
Wissenschaft/Mathematik ist unsere (menschliche) Methode, um sicherzustellen, dass unsere grundlegende Logik widerspruchsfrei ist — selbst wenn das bedeutet, erstmal bei winzigen (aber korrekten) Erkenntnissen zu verharren.
Mit dieser Erkenntnis steht uns alles offen. Wir können damit Probleme lösen, die für unser Gehirn tatsächlich nicht ohne weiteres erfassbar sind. Aber es ist auch nicht nötig, alles sofort und zur gleichen Zeit zu erfassen. Winzigste Teilschritte reichen aus, sofern sie logisch verbunden werden. Die verbindende Logik kann dabei trivial sein (so wie unsere Mathematik auf trivialen Grundannahmen beruht).
Die Wissenschaft arbeitet nach diesem Prinzip. Millionen von Gehirnen knobeln hartnäckig an winzigen Teilproblemen, stets geführt von den Gesetzen der Logik. Es reicht dabei aus, wenn jeder nur einen Teil versteht und seine Gehirnkapazität nur diesem winzigen Teilbereich widmet.
Das zeigt, dass wir längst über jenen Punkt hinaus gegangen sind, bis zu dem ein einzelnes Gehirn alles verstehen und erfassen kann. Ein begabter Mediziner weiß längst nicht, wie ein iPhone funktioniert; und ein Programmierer weiß nicht, warum seine Leber zischt. Vielleicht hat vor 100 Jahren ein Biologe 40 Jahre lang an dem winzigen Teilproblem gearbeitet, wie ein bestimmtes, winziges Molekül von der Leber verstoffwechselt wird. Musste er dazu das „Große Ganze“ verstehen? Nein.
Kann ich mit einem Fernrohr das ganze Universum sehen? Nein. Aber ich kann das Fernrohr nach und nach auf jeden beliebigen Punkt ausrichten und feststellen, was sich dort befindet. Die Erkenntnisfähigkeit des Fernrohrs ist daher sowohl begrenzt als auch unbegrenzt. Wenn man die Zeit hinzunimmt (d.h. wenn man das Fernrohr nach und nach auf verschiedene Punkte ausrichtet) ist es unbegrenzt.
Religion versucht, das „Große Ganze“ zu erfassen —und zwar deswegen, weil Religion aus einer Zeit stammt, zu der noch nicht bekannt war, dass diese „Methode“ nicht funktioniert bzw. schnell an Grenzen stößt. Wer jedoch arbeitsteilig, mit System, Logik und viel Geduld an die Arbeit geht, wird über das hinausgehen, was ein einzelnes Gehirn leisten kann.
Die Frage ist daher nicht: Hat ein Gehirn eine begrenzte Fähigkeit zur Erkenntnis? Sondern die Frage lautet: Gibt es eine Grenze, wenn wir Logik, Arbeitsteilung und Zeit hinzunehmen?
Die Frage lautet: Was wäre, wenn wir das Fernrohr bewegen könnten?
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