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Alt 06.10.2017, 08:40   #8364
Jörn
Esst mehr Gemüse
 
Benutzerbild von Jörn
 
Registriert seit: 22.09.2006
Beiträge: 3.499
Um den Thread nicht weiter mit der Sinnfrage aufzuhalten, könnten die folgenden Gedanken vielleicht eine Art Abschluss darstellen.
  • Zuerst hatte ich gefragt, welcher Sinn tatsächlich geglaubt wird.
  • Danach hatte ich gefragt, an welchen Sinn man theoretisch glauben könnte, wenn man es sich frei ausmalen dürfte.
Beide Betrachtungen verliefen ergebnislos.

Was noch fehlt, ist die Frage danach, was man auf keinen Fall als Sinn akzeptieren würde.

Nehmen wir eine absichtlich absurde These: Gott würde uns offenbaren, dass es natürlich die Bakterien sind, denen seine vorzüglichste Aufmerksamkeit gilt.

Das ist in diesem fiktiven Gedankenexperiment leicht plausibel zu machen: Bakterien waren die ersten Lebensformen und damit die einzige Art von Leben, die von Gott direkt geschaffen wurde. Alle weiteren Lebensformen, auch der Mensch, dienen nur dazu, den Bakterien ein Habitat zu geben. Das erklärt, warum der Mensch vor allem aus Bakterien besteht, und warum alle Spezies irgendwann ausstarben, nur die Bakterien nicht.

Würden wir unsere Rolle als Bakterien-Habitat als „Sinn“ akzeptieren? Würden wir Gott immer noch so heiß und innig lieben, wie der Katechismus es von uns verlangt? Würden wir einen Sinn darin finden, diesen Gott anzubeten? Wozu?

Anders gefragt: Sind wir in dem, was wir als Sinn akzeptieren würden, selbstlos?

Hier ist meine These: Genau das Gegenteil ist der Fall. Die einzige Eigenschaft eines Sinns, die nicht verhandelbar ist, ist dass er mit uns zu tun hat. Das ist der Kern. Es ist der Scharnier, an dem alles hängt. Der „Inhalt“ des Sinns ist egal. Solange wir es sind.

Das ganze theologische Geschwurbel und all die abgehobene Philosophie ranken sich kunstvoll um einen sehr simplen Instinkt des Menschen, den bereits jedes Baby hat. Selbst wenn ein Baby noch überhaupt nichts weiß, weiß es stets (und energisch!) dies: Dass es geliebt und versorgt werden will. Warum? Um seiner selbst willen. Weitere Begründungen sind überflüssig.

Was wir als „Sinn“ zwar instinktiv fühlen und wünschen, jedoch nicht exakt begründen können (und deswegen auch nicht in einem Forum dazu aufgefordert werden wollen), ist genau dies: ein angeborener Instinkt einer biologischen Spezies, deren Sinn das eigene Leben und Wohlergehen ist, um seiner selbst willen. Einen Sinn sehen wir nur dann, wenn er mit uns in einer positiven Weise zusammenhängt. Eine weitere Begründung, die über uns hinausgeht, interessiert uns nicht und wäre auch eher bedrohlich.

Deswegen behauptet die Religion in der Regel, Gott liebe uns um unser selbst willen. Er liebt uns, weil er uns liebt. So großartig und liebenswert sind wir. Und mehr wollen wir gar nicht wissen.

Der „Sinn“ ist kein abgehobenes theologisches Mysterium, sondern ein Ergebnis der Evolution. Es ist ein grundlegender Instinkt, ein Teil des Überlebensmechanismus, den vermutlich jede Spezies in irgendeiner Form entwickelt hat, jede auf seine Weise.

Das Gedankenexperiment, der ewige Sinn des Universums hätte möglicherweise nichts mit uns Menschen zu tun, offenbart, dass uns das Universum eigentlich egal und alle Götter schnuppe sind: Es geht um uns, um unseren Sinn, für uns.

Deswegen haben wir alle ein offenes Ohr für den „Sinn“ — solange wir darin im Zentrum stehen. Deswegen kann sich jede Religion darauf verlassen, dass die Menschen gerne an einen Sinn glauben, der den Menschen ins Zentrum stellt. Gleichzeitig wird peinlich darauf geachtet, keine Fragen zu stellen, die über den Menschen hinaus gehen könnten, oder die den Menschen nicht ins Zentrum stellen. Darauf reagieren die Menschen mit Angst oder Aggression, ohne eine Begründung zu nennen. Denn es gibt keine Begründung. Eben das ist die Eigenschaft eines Instinkts.

Der Sinn ist ein leeres Gefäß. Sein einziger Inhalt ist das „Ich“.
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