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Ich fand die Posting zum Thema „Sinn“ alle interessant, aber mir fehlt etwas die religiöse Perspektive. Ich würde gerne drei Anregungen dazu geben:
Erstens:
Wenn in den großen Religionen von „Sinn“ gesprochen wird, dann meint es üblicherweise einen „letzten Sinn“, also jenen, der die Grundlage bildet für alles andere. Quasi eine „Rechtfertigung“ oder „plausible Erklärung“ dafür, wie die Welt ist. Etwas, was das Leid erklärt, sodass man sagen kann: „Es hat am Ende alles einen Sinn gehabt“. Etwas, was uns aufrecht hält und durchhalten lässt.
Bisher wurde aber kein solcher Sinn gefunden.
Zweitens:
Wenn es einen religiösen Sinn gibt, dann liegt es an uns, diesen Sinn zu erkennen. Es liegt an uns, ihm zu folgen. Hier kommt erstmals unsere eigene Entscheidung ins Spiel, und das ist ein wichtiger Punkt. Zwar haben wir keinen Einfluss auf den Sinn. Aber wir haben Einfluss darauf, ob wir ihn korrekt erkennen und uns unterordnen.
Das ist deswegen entscheidend, weil es hier erstmals eine Möglichkeit des Scheiterns gibt. Es gibt erstmals ein „Richtig“ und ein „Falsch“. Das ist der Unterschied zwischen einem religiösen und einem nicht-religiösen Sinn. Ein religiöser Sinn hat, sofern man daran glaubt, etwas mit Unterwerfung zu tun. Es wird eine Entscheidung verlangt, ob man sich unterwirft oder nicht.
Es ist dadurch nicht der eigene Sinn, sondern die Sinn von jemand anderes (etwa Gott). Man macht ihn sich lediglich zu eigen durch Unterwerfung und durch Verzicht auf einen eigenen Sinn.
Drittens:
Aus religiöser Perspektiver ist der „Inhalt“ des Sinns ziemlich egal. Was auch immer Gott als Sinn festgelegt hat, ist der Sinn. Es ist müßig, über die Vorzüglichkeit oder die Verwerflichkeit des Sinns zu debattieren, denn das ändert nichts daran. Gott gibt den Sinn vor, und damit basta.
Es geht also aus religiöser Perspektive nicht darum, einen möglichst guten Sinn zu schaffen, um ein möglichst gutes Leben zu führen. Denn der Sinn steht fest, und es ist kein Kriterium, ob er uns gefällt oder nicht. Stattdessen geht es um Autorität. Die Sinnfrage ist aus religiöser Perspektive eine Autoritätsfrage. Wer hat die Autorität, den Sinn festzulegen? Wer hat die Autorität, über Richtig und Falsch zu entscheiden? Wer darf sich auflehnen? Was passiert mit denen, die es tun?
Es geht um Autorität, und die Sinnfrage (die nie eine Antwort haben wird) dient lediglich dazu, die Autorität zu festigen und deren Anmaßung zu verschleiern. Die Antwort auf die „Sinnfrage“ wurde nie gefunden, aber die Gläubigen merken das nicht. Sie merken nicht, dass die Bibel die Sinnfrage niemals stellt und niemals beantwortet. Übrig bleibt allein die Autorität.
Es ist Gläubigen oftmals nicht plausibel zu machen, dass man sich selbst einen Sinn geben kann, ohne dass eine Autorität es absegnet oder erlaubt. Gläubige wollen oft nur am Rande wissen, was Atheisten als „Sinn“ annehmen; vor allem wollen sie wissen, wer es ihnen erlaubt hat. Daran wird bemessen, ob der Sinn „richtig“ oder „falsch“ ist.
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