Zitat von Jörn
Hallo Trimichi, besten Dank für Deine Antwort.
Du wolltest jedoch beweisen, dass sich Deine Entscheidung, den Apotheker zu beklauen,
a) aus der Bibel zwingend ergibt; und
b) dass diese Entscheidung moralisch höher zu bewerten wäre als andere Entscheidungen; und
c) dass die Wissenschaft nicht imstande wäre, durch kluges Nachdenken zu einer vernünftigen Entscheidung zu gelangen.
Für diese drei Dinge hat Du bis jetzt keinen Beleg gebracht.
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Du verwendest einen (sehr alten) rethorische Trick. Du suggerierst, dass Du, wenn Du die Untauglichkeit der Wissenschaft begründest, nicht begründen müsstest, warum denn ausgerechnet Deine Religion tauglich sein soll. Das ergibt sich nämlich nicht automatisch.
Deine Behauptung, Wissenschaft könne prinzipiell nichts zu moralischen Fragen sagen, ist falsch. Das Gegenteil ist richtig, allerdings muss man verstehen, wie es gemeint ist. Natürlich kann man nicht durch ein Mikroskop schauen, um zu erfahren, wie man mit alten Leuten in unserer Gesellschaft umgehen soll.
Moral und Ethik basiert auf der realen Welt, also auf Dingen, die existieren. Das ist die Minimalbedingung. Uns interessiert das Wohl der Kinder, weil Kinder existieren. Hingegen interessiert uns das Wohl von rosaroten Einhörnern nicht, weil sie nicht existieren.
Die Wissenschaft kann präzise Aussagen über die Beschaffenheit der Welt treffen, und darüber, welche Auswirkungen unsere Handlungen haben. Also darüber, ob Leid entsteht. Erst durch dieses Wissen stellen sich moralische Fragen überhaupt.
Ist es moralisch, Gänse bei lebendigem Leid zu rupfen, damit man an die Federn kommt? Das ist keine moralische Frage per se. Erst durch die Erkenntnis, dass dieser Vorgang Schmerzen verursacht, wird es zu einer moralischen Frage. Beispielsweise rupfen wir ein Büschel Gras ohne Bedenken aus, weil Gras nicht über ein Nervensystem verfügt, welches Schmerz erzeugen könnte. (Von diesen Dingen haben Religionen keinen Schimmer.)
Die Wissenschaft gibt auch die Richtung unseres Handelns vor: Jenes Handeln ist vorzuziehen, welches das Leid vermindert. Es gibt also einen klaren Kompass, in welche Richtung man sich bewegen sollte. Es ist nicht zutreffend, dass Wissenschaftler völlig perplex vor der unlösbaren Frage stünden, ob man eine Gans rupfen sollte, und auf welchen Kriterien diese Entscheidung beruhen könnte.
Dieser klare Kompass kann nur existieren, weil er sich an der Wirklichkeit (und ausschließlich daran) ausrichtet. Deswegen fehlt dieser Kompass bei allen Religionen, und deswegen sind Religionen auch alle moralisch unzureichend oder gar verwerflich. In keinem Punkt irren die Religionen so sehr wie im Punkt der Moral.
Du bist natürlich nicht auf meine Behauptung eingegangen, die Bibel fordere von den Menschen keine Moral (weil den Menschen überhaupt kein moralischen Urteil zugestanden wird), sondern die Bibel fordere allein Folgsamkeit. Ich habe diesen Punkt nun schon so oft vorgebracht, ohne dass er je widerlegt werden konnte, dass es wohl fair ist, wenn ich diesen Punkt für mich als „gewonnen“ betrachte.
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