Zitat:
Zitat von Klugschnacker
Woher weißt Du das, Gott sei ein ideeller Gegenstand? Genauso gut könnte man das Gegenteil behaupten. In der Bibel steht, er habe mit Menschen gesprochen, Steintafeln überreicht, mit Steinen geworfen und sich die Füße gewaschen.
|
Zitat:
Zitat von Zarathustra
Aus derselben Quelle, aus der ich weiß, daß Zahlen ideelle Gegenstände sind; man könnte es begriffliches Unterscheidungsvermögen nennen.
|
So wie ich Zarathustra verstehe, sieht er „Religion“ als allgemeines Konzept; seine Thesen sind daher auf alle Religionen anwendbar, ohne sich um deren spezifischen Inhalte zu kümmern. Er nimmt quasi eine Vogelperspektive ein.
Den Gläubigen geht es aber nicht um diese Vogelperspektive, sondern ausschließlich um die spezifischen Inhalte ihrer Religion. Das bedeutet, dass man bei der Beurteilung dieser Perspektive auch (und vor allem) die Inhalte einbeziehen muss. Antworten ergeben sich aus dem Inhalt.
Vielleicht ist es an dieser Stelle hilfreich, sich einen Unterschied zwischen Religion (Konzept) und Glauben (konkrete Überzeugung) vorzustellen. Debatten über Religion als Konzept sind logische Gedankenübungen, während Debatten über den konkreten Glauben etwas mit unserer Gesellschaft zu tun haben. (Diese müssen übrigens nicht logisch sein, damit sie geglaubt werden.)
Auf welcher dieser beiden Seiten steht nun die Bibel?
- Man kann die Bibel sehen als ein Zeugnis dafür, dass Menschen über Gott schreiben. Gott bleibt dabei ein ideeller Gegenstand. Die Aussage „Gott hat die Erde geschaffen“ sagt in diesem Fall nur aus, dass Menschen davon schreiben, und nicht, dass Gott tatsächlich etwas tat.
- Oder man kann den Umstand berücksichtigen, dass Gott das Buch selbst verfasst und dessen Niederschrift organisiert hat. In diesem Fall spricht Gott selbst. Die Aussage: „Gott hat die Erde geschaffen“ wäre dann als konkrete Tatsache zu verstehen.
Die Kirche stellt sich auf den zweiten Standpunkt. Für die Kirche ist Gott der Urheber, also ist er konkret, und nicht nur ein Konzept. Die Bibel handelt nicht einfach von Menschen, die
über Gott (oder ein Konzept) sprechen, sondern Gott spricht
zu den Menschen – und er wählt dabei jene literarische Form, die ihm aufgrund seines unergründlich weisen Ratschluss angemessen erscheint. Auch wenn in der Bibel von Gott in der dritten Person berichtet wird,
ist es dennoch Gott, der spricht. (Die entsprechenden Äußerungen des Vatikans habe ich bereits mehrfach zitiert.)
Das gesamte Alte Testament und das erste Drittel der Zehn Gebote werden so verstanden, dass Gott die Bühne betritt und sich der Menschheit zu erkennen gibt. „Ich bin der, der ich bin“ (das bedeutet der Name JAHWE) verkündet ebendies. Ab diesem Moment wird aus einem (möglicherweise vorhandenen) Konzept eine Realität. Gott tritt aus der Rolle der dritten Person (der, über den gesprochen wird) hinein in die Rolle der ersten Person (der, der spricht). Er offenbart nicht nur einen Haufen Gebote, sondern zuerst und vor allem sich selbst.
Gott als „ideeller Gegenstand“ (Zitat Zarathustra) scheidet im Fall der Bibel also aus, wenn man der offiziellen Auslegung der rk-Kirche folgt.