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Zitat von schnodo
Ich will eines vorausschicken: Natürlich bist Du als Journalist von dem betroffen, was ich schreibe. Versuche aber bitte es nicht auf Dich als Person zu beziehen, sondern schau es Dir einfach als generelles Feedback eines Medienkonsumenten, der Dir nichts Böses will, für die ganze Branche an.
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Ich sehe zwei wesentliche Aspekte, die Einfluss haben: Unzureichende Kritikfähigkeit und Publikumsbeschimpfung.
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Ich will ja niemanden mit diesem Nebenaspekt der Diskussion langweilen. Also, wer sich nicht für Medien interessiert, kann hier gleich zu lesen aufhören.
Zur Sache möchte ich gerne die Perspektive beitragen, die ich wahrnehme. Ich glaube nicht, dass die Menschen kritischer geworden sind, ich glaube nur, das heutzutage jeder glaubt, er habe Recht und alle anderen haben Unrecht. Folgendes Beispiel, ein bisschen zugespitzt, aber in den Grundzügen tatsächlich real passiert:
Unserer Redaktion wird ja bei vielen Gelegenheiten von einer Partei, nennen wir sie die Blauen, vorgeworfen, parteiisch zu berichten. Entsprechend melden sich auch immer wieder Hörer mit derartigen Beschwerden. Sinngemäß: über alle anderen berichtet ihr, die Blauen schweigt ihr tot. Dass das nicht stimmt, können wir nachweisen - anhand der Beitragslisten.
Unlängst (nach der Bundespräsidentenwahl) haben wir einmal zwei Blaue in einer Sendung gehabt, weil sowohl der Kandidat als auch der Parteichef genau an diesem Tag ihre ersten analytischen Nachwahlstatements abgegeben haben. Prompt haben sich bei uns Hörer gemeldet, die finden: über die Blauen berichtet ihr, die anderen schweigt ihr tot. Dass das nicht stimmt, können wir nachweisen - s.o.
Was ist also unser grundsätzliches Problem in der öffentlichen Wahrnehmung, und da vereinfache ich jetzt natürlich: wir haben 46 Prozent Hörer, die finden, wir benachteiligen ihren Kandidaten. Wir haben 54 Prozent Hörer, die finden auch, wir benachteiligen ihren Kandidaten (nämlich den anderen). Das heißt: 100 Prozent unserer Hörer sind der Meinung, wir berichten unfair, verschweigen die Wahrheit (nämlich ihre Wahrheit) und wir sind daher "L...presse" und Vollidioten.
Hmm...
Mir scheint, da fehlt bei vielen Menschen die Einsicht, dass ihre Meinung, Haltung, Weltanschauung eben nur eine von mehreren Möglichkeiten ist. Und dass es andere Meinungen gibt, die genauso das Recht haben, gehört zu werden.
Als Journalist bist Du aber der Idiot, der von allen Seiten für ein Arschloch gehalten wird ...