So, nachdem wir nun Nettigkeiten ausgetauscht haben, kann es endlich weitergehen mit der Journalistenschelte.
Ich will eines vorausschicken: Natürlich bist Du als Journalist von dem betroffen, was ich schreibe. Versuche aber bitte es nicht auf Dich als Person zu beziehen, sondern schau es Dir einfach als generelles Feedback eines Medienkonsumenten, der Dir nichts Böses will, für die ganze Branche an.
Ob "Vox Populi, Vox Dei" oder "Vox Populi, Vox Rindvieh" zutrifft siehst Du ja dann.
Zitat:
Zitat von trithos
Du hast Recht: Pauschalurteile sind immer ungerecht. Vielleicht ist das auch der Grund, warum ich so heftig reagiere, wenn ich das Gefühl habe, pauschal be- oder verurteilt zu werden. Und das passiert mir leider in letzter Zeit immer öfter. Zumindest habe ich immer öfter das Gefühl, mit sehr gefestigten vorgefassten Meinungen gegenüber einer angeblichen "L....presse" konfrontiert zu sein. Sogar in meinem Freundeskreis.
|
Ich kann verstehen, dass Dich der Begriff wurmt, meine aber, dass Du Deinen Freunden Unrecht tust, wenn Du ihnen vorwirfst ihre Meinungen seien vorgefasst. Vielmehr hat sich diese Meinung erst im Lauf der Zeit verfestigt. Ich vermute, dass das vor 15 Jahren kein Thema war, oder? Es hat damit zu tun, dass die Menschen sehr viel kritischer geworden sind während sich das Krisenmanagement der Medien nicht wahrnehmbar verändert hat.
Ich sehe zwei wesentliche Aspekte, die Einfluss haben: Unzureichende Kritikfähigkeit und Publikumsbeschimpfung.
Die Leute nutzen vermehrt die Möglichkeit, sich direkt an der Quelle zu informieren, indem sie sich z.B. die komplette Videoaufnahme, eventuell sogar aus etlichen Blickwinkeln, eines nachrichtenrelevanten Vorfalls anschauen. Wenn dann in der Berichterstattung ein komplett anderes Bild gezeichnet wird als sich aus den Aufzeichnungen ergibt, oder man feststellt, dass wesentliche Teile unterschlagen wurden, ist man verunsichert und fordert eine Erklärung.
Leider habe ich das Gefühl, dass in der Presse immer noch eine gewisse althergebrachte Arroganz vorherrscht und man nicht meint, dass man der ungewaschenen Masse überhaupt in irgendeiner Form Rechenschaft abzulegen hat. Daran, dass sie nicht mehr nur selbst Kritik üben sondern diese über sich ergehen lassen müssen und harsch abgeurteilt werden, haben sich die Medienschaffenden noch nicht gewöhnt.
Im Großen und Ganzen machen die meisten Journalisten für meinen Geschmack einen ganz ordentlichen Job. Faule Eier gibt es natürlich überall, aber die sind in meinen Augen nicht der Knackpunkt. Das Problem ist der Umgang mit Fehlern, sei es durch unzutreffende Berichterstattung oder falsche Einschätzung der Nachrichtenrelevanz eines Vorfalls.
Wenn nach offensichtlichen Fehlern erst tagelang gemauert oder beschönigt wird, anstatt sich hinzustellen, den Fehler zuzugeben und glaubhaft zu machen, dass man eine Wiederholung versucht zu vermeiden, dann ist das Publikum schnell dabei, Vorsatz zu unterstellen, weil es aussieht, als ob ein Schuldiger versucht, sich der Verantwortung zu entziehen.
Der Vorwuf der Lüge lässt sich (wir hatten es vor langer Zeit schon mal davon) nur durch wiederholte Demonstration des Gegenteils - Wahrhaftigkeit, Zuverlässigkeit und Kritikfähigkeit wieder aus der Welt schaffen. Wenn kein Unfug berichtet wird und man mit unvermeidbaren Fehlern offensiv umgeht, dann - davon bin ich überzeugt - wird die Masse der Leser- oder Zuhörerschaft dies wahrnehmen und honorieren. Einige Unbelehrbare finden sich immer, die gehen dann aber im Rauschen unter.
Der zweite Punkt, den die Medienschaffenden vielleicht überhaupt nicht wahrnehmen ist folgender: In den Redaktionen scheint man der Meinung zu sein, dass man Kritiker oder verschiedene Gruppen in der der Bevölkerung kategorisch ungestraft als Rechtspopulisten, Rechtsextremisten, Putin-Freunde, Rassisten, Wutbürger oder ähnliches klassifizieren kann. Man muss aber kein Putin-Freund sein, wenn man nicht gegen Russland in den Krieg ziehen will und ich unterstelle mal, dass die meisten AfD- oder CSU-Wähler keine Faschisten sind, nicht Hitlers Geburtstag feiern und im Traum nicht auf die Idee kämen, gegen Asylbewerber übergriffig zu werden. Auf einige trifft das auch zu, aber eben nicht auf alle. Trotzdem werden sie ohne Unterschied mit ehrabschneidenden Vokabeln belegt.
Die, auf die es nicht zutrifft, sind aufgebracht und wehren sich. Vielleicht habe ich hier selbst eine verzerrte Wahrnehmung aber ich begreife nicht, dass man nicht erkennt, dass es eben vielfach die Leute sind, die man gestern (zumindest aus deren Sicht) zu Unrecht als Nazis bezeichnet hat, die heute "Lügenpresse" zurückschreien. Wie kann man jemanden, der eine abweichende Meinung z.B. in Sachen Zuwanderung vertritt, ohne Hemmung als Rassisten beschimpfen, sich aber im gleichen Atemzug über den Konter mit dem Begriff "Lügenpresse" zutiefst beleidigt fühlen? Da finde ich, könnte man etwas in sich gehen und generell verbal abrüsten. Ich glaube nicht, dass es Aufgabe der Presse ist, für politische Positionen abwertende Labels zu erfinden und diese dann konsequent den Menschen aufzudrücken.
Ich werfe Dir das jetzt nicht persönlich vor, ich glaube nur, dass man seitens der Medien überhaupt nicht versteht, dass die Leute, die man in den Schmutz schreibt, dann eben dementsprechend mit Matsch zurückwerfen.
Das waren, leider nicht besonders schön aufbereitet, meine Gedanken dazu.
