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Fatale Entscheidungen
Nun ich will es vorwegnehmen. Diese Laufgruppe war der größte sportliche Fehler, den ich begangen habe. Ab dem ersten Tag war ich dort total überfordert. Das Training sah so aus, dass ich praktisch 3 mal die Woche hartes Tempotraining absolvierte und einen 1stündigen Tempodauerlauf auf dem Plan hatte. Keinen der Läufe konnte ich durchlaufen. Es war sehr hart für mich. Ich war sehr sehr oft verletzt, knickte häufig um. Ich konnte keinen Wettkampf beenden, weil ich quasi an allen Läufen verletzt teilnahm und aussteigen musste. Dazu kam, dass die Laufgruppe einen extrem hohen Leistungsdruck erzeugte. Da ich aber nicht so schnell aufgebe, wollte ich mich dem nicht beugen.
Eines Tages mitten im Winter bei wirklich klirrender Kälte und Schnee stand ein Lauf mit der Gruppe an. Für mich war das wie immer eher ein Tempodauerlauf. Doch an diesem Tag geschah etwas. Wir liefen mit ca. 10 Leuten durch den Grunewald, als ich mich plötzlich hinsetzen musste. Es führte kein Weg daran vorbei. Ich MUSSTE. Sofort. Also setzte ich mich. Die Gruppe lief vorn weg und war nach kurzer Zeit nicht mehr gesehen. Nach einer Minute der Ruhe, wollte ich der Gruppe folgen. Ich stand auf, wollt lostraben. Es ging nicht. Keine Chance. Ich musste mich übergeben. Also setzte ich mich erneut. Der Trainer kam zurück, reagierte extrem gereizt und genervt, weil ich so weit zurücklag. Ich sagte ihm, dass ich schon zurechtkomme, er solle doch vorlaufen. Es war erbärmlich. Ich konnte keinen Meter mehr laufen. Nach einigen Gehmetern MUSSTE ich mich hinsetzen. Das war wirklich extrem schlimm. Der Trainer war stinksauer, fluchte schimpfte, gab mir die Schuld für alles. Ich möchte erwähnen, dass ich NICHT krank war. Ich hatte weder einen Infekt noch eine Erkältung noch sonst irgendetwas. Ich hielt das für eine einmalige Sache, die mal passieren kann, sprach mit dem Trainer. Der bestätigte das und alles war wieder ok. War es leider nicht, denn in der Folgewoche und beim Gruppentraining passierte exakt das gleiche. Ich war am Boden zerstört. Es konnte doch nicht sein, dass ich unfähig war zu laufen? Ich konnte mir diese Ausfälle überhaupt nicht erklären. Ich hatte nicht die leiseste Ahnung, was da passiert ist und war fest davon überzeugt, dass es an mir lag und ich einfach nicht hart genug trainiert habe.
Also meldete ich mich krank. Insgesamt hat es 4 Monate gedauert, bis ich wieder ungefähr 30 Minuten in einem extrem langsamen Tempo laufen konnte.
Es ging ein weiteres Jahr so weiter. Im Folgejahr erlebte ich exakt das gleiche Phänomen. Erneut dauerte es Monate, bis ich überhaupt wieder laufen konnte. Ein Schlüsselerlebnis für mich war, als ich vor dem Gruppentraining (= Intervalle kloppen) auf meiner Pulsuhr einen Puls von knapp über 140 hatte, ohne auch nur einen Meter gelaufen zu sein. Aus irgendeinem Grund hat mich das wach gerüttelt, dass diese Gruppe eventuell für mich die falsche Gruppe ist, der Trainer nicht der richtige Trainer für mich ist.
Ich begann, mich mit Training und Trainingsplanung zu beschäftigen, landete unter anderem hier im Forum und blieb lange stille Mitleserin. Im dritten Jahr meines Laufverderbens dann verließ ich die Gruppe, denn es zeigten sich erneut die gleichen Symptome. Ich hatte inzwischen regelrecht Angst vor jedem Lauftraining, jedoch erinnerte ich mich an die langen Radausfahrten und wie viel Freude sie mir bereiteten. Ich war fasziniert vom Rennen auf Hawaii, vom Triathlon allgemein. Bis dahin traute ich mich nicht in eine Schwimmhalle. Zu groß war der eigene Erwartungsdruck. Zu groß der Leistungsanspruch an mich selbst, der noch durch die äußerst verbissene leistungsorientierte Laufgruppe vervielfacht wurde.
Ich beschloss es zu riskieren.
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Phantasie ist etwas, das sich manche Leute gar nicht vorstellen können.
Geändert von Vicky (22.10.2016 um 14:12 Uhr).
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