Wir schreiben Dienstag, 18.10.2016. Es ist 5:45 Uhr. Ich sehe mich noch einmal um, erblicke „unsere“ ziemlich genau 10m², die ich zwischenzeitlich aber schon fast liebgewonnen habe. Ich höre ein gelegentliches friedliches Schnaufen, also alles fein. Ich bin bewaffnet: an den Füßen meine BuntenSchuhe, in den Händen mein Smartphone, ein spießiges weißes Handtuch und das Speedrope. Ich versuche leise die Tür zu schließen, ungeplant fällt sie mir lautstark ins Schloss. Diese Tür leise zu schließen, ist vermutlich ein Ding der Unmöglichkeit... Egal, ich bin raus – und gehe zunächst zügig durch die Flure.
Mein Ziel: der Hubschrauberlandeplatz. Ich suche die Treppen, erklimme selbige. Etage 12. War es hier schon??? Ich suche einen Ausgang. Hubschrauberlandeplatz!? Keine Spur. Ebenfalls: Egal. Ich erspähe eine andere Stelle, die mir mindestens so geeignet erscheint, da sie wenigstens mit einer Notbeleuchtung ausgestattet ist, außerdem deutlich weniger windanfällig scheint, als der von mir zunächst favorisierte Hubschrauberlandeplatz. Perfekt, hier gilt es
ihn zu besiegen.
Er ist stark. Er ist mächtig. Er hat mir schon so manche Schmerzen verursacht – bereits im Vorfeld fürchtete ich, dass es auch dieses Mal so sein würde …
und ich sollte Recht behalten. Er? Die Rede ist von „HELIOS“. Einem garstigen, fiesen, anstrengendem Freeletics-Workout, bestehend aus gefühlt unzähligen Burpees und Climbers, noch mehr Lunges und einem stattlichen Schwung Situps.
Los geht es, ich nehme mir einige Minuten, mich mit dem Speedrope warm zu hüpfen. Ich schätze, dass es etwa windige 7°C waren, die sich aber innerhalb kürzester Zeit tropisch anfühlen. Perfekt. Das Smartphone auf: „GO“ und HELIOS beginnt mit dem ersten Schwung Burpees, es folgen Climbers, Lunges & Co. Mein Plätzchen bleibt weitgehend unbeobachtet, nur vereinzelte Touristen schleichen vorbei. Einige werfen mir einen verstohlenen Blick zu, andere geben vor, mich nicht zu sehen. Ein älterer Herr grüßt mich, freundlich schnaufe auch ich ihm ein „Guten Morgen!“ entgegen. Es läuft. Einige Minuten vor dem Ende meines Sieges gegen Helios erscheint ein in orangefarbenen Schutzklamotten gekleideter Mann. Hartnäckig meidet er meinen Blick, ignoriert meine abermals geschnaufte Begrüßung. Fein, dann eben nicht. Trägt einige Schläuche durch die Gegend und die angrenzende Treppe hinauf. Ich konzentriere mich wieder auf HELIOS. Eine ältere Dame stellt sich einige Meter entfernt neben mich und schaut auf das ruhige Wasser. Bis,... ja … bis es uns plötzlich eiskalt und unerwartet erwischt. In Form einer ordentlichen Dusche von der Etage über uns. Die Dame weicht hektisch einige Schritte zur Seite. “Was ist denn das???“ sie wirkt kurzzeitig ernsthaft beunruhigt, ich bin bereits ärgerlich, habe die Lage rasch erkannt. „Dort oben wird das Deck gereinigt!“ Kläre ich sie auf mit einem unfreundlichen Blick nach oben. Okay, auch ich weiche von meinem Platz einige Meter zur Seite, denke, dort ist alles fein. Kurze Zeit später erwischt mich fast genauso unerwartet die nächste Dusche, war der Herr doch eben noch an der anderen Ecke beschäftigt!? Ich beginne zu brodeln, die ältere Dame - mittlerweile offenbar vorausschauender als ich - hatte bereits die Flucht ergriffen. Der Herr mit dem Schlauch verrichtet seelenruhig seinen Dienst, schaut immer wieder nach unten. ICH BIN SAUER!!!! Er hat mich des Öfteren gesehen – ist es zu viel verlangt, einfach einmal kurz zu sagen, dass es hier unten offenbar an jeder Stelle nass wird??? Ich stelle mich unten hin und brülle ihm einige wütende Dinge zu. Ich bin mir nicht sicher, ob er mich versteht. Schaut mich etwas überrascht an. Ich brülle weiter, er verrichtet unbeeindruckt seinen Job. Mittlerweile brodele ich, entscheide mich aber zunächst dazu meine letzten rund 40 Burpees und somit den ganzen HELIOS an einer „sicheren“ Stelle zu beenden.
Wutschnaubend mache ich mich dann wieder auf den Rückweg zu dem reinigenden Herren, der noch immer vorbildlich seinen Job verrichtet. Lautstark mache ich ihm klar, dass es meiner Meinung nach eine Frechheit ist, einfach ohne Rücksicht auf „Verluste“, bzw. in diesem Fall irgendwelche Passagiere, dort oben SO das Deck zu reinigen. … er blickt mich leicht verständnislos an, sagt etwas, und ich verstehe. Er spricht überhaupt kein Deutsch, sondern nur Englisch

, was meine Laune in diesem Moment nicht verbessert. Fein. Mein Englisch ist nicht grandios. In der Schule meistens mit viel gutem Willen an einer 5 vorbei geschrammt und somit bei einer gut gemeinten 4 gelandet, nach der Schule aus mehr oder weniger Verzweiflung ein Jahr in die USA gegangen, dort dann mein Englisch halbwegs gesellschaftstauglich gemacht. Ich mache ihm also auf Englisch unmissverständlich klar, dass ich stinksauer bin … seine seelenruhige Antwort: „I do this every morning!!!“ Mir platzt endgültig der Kragen. Toll, dass er das „every morning“ macht, das ist aber doch kein Grund jedem, der sich dort unten aufhält eine unerwartete Dusche zu verpassen!?
Nein, sooo leicht bin ich eigentlich nicht aus der Ruhe zu bringen, ich habe aber selten so getobt. Das Ganze wäre mit einem kleinen „Sorry“ oder so ja schon fast erledigt gewesen. Aber sooooo!??? Naja, als ich dann gegenüber diesem recht ignoranten aber gewiss grandios seinen Job verrichtenden Herren mittleren Alters meinen Dampf abgelassen hatte, bin ich, noch immer schweißgebadet, in unsere Kabine zurück gestapft, habe geduscht, und mich anschließend mit dem mittlerweile auch startklarem Rest der Family auf das ziemlich leckere Frühstücksbuffet gestürzt
Ja, also wir haben mir der „Color Fantasy“ eine sogenannte Mini-Kreuzfahrt gemacht. Kiel – Oslo und zurück.
Bis auf Weiteres … total nett, leider mit gerade mal zwei Tagen tatsächlich nur eine Mini-Kreuzfahrt und heute Mittag schon wieder zu Ende
Ach ja, meine heutige Laufrunde – schon wieder auf heimischem Terrain – war gruuuuuuuseligst muskelkatergeplagt, wohl ein weiterer Punkt für HELIOS … es wird Revenge geben
