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Zitat von Rene
ganau da fangen die probleme an und da frage ich mich ob es gut ist die kinder in solchen familien zu belassen. bzw ob es da nicht not tut einzugreifen. vorallem wenn man es selbst mitbekommt.
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Und wo tun wir ein Kind hin, das wir aus einer anderen Familie nehmen?
- In ein Kinderheim? Das klassische Waisenhaus in denen alle Kinder ohne Eltern kommen gibt es nicht mehr. Heim für "schwer erziehbare"? Prima - alles was es bis dahin nicht zu Hause an Unfug gelernt hat, kriegt das Kind dann da mit. Da haben wir dann zwar ein paar Erziehungsprofis, aber was Familie bedeutet, kann doch nur rudimentär vermittelt werden.
- In eine Pflegefamilie? Es gibt nur sehr wenige Dauerpflegefamilien. Wenn man da eine wirklich gute findet: super. Allerdings hat das Kind dann zwei Familien, pendelt zwischen zwei Welten - zumindest emotional. Und im schlechtesten Fall kommt es in eine Pflegefamilie, die zwar nach außen den schönen Schein wahrt, ansonsten jedoch vor allem froh über das zusätzliche Einkommen dank dem Pflegekind ist.
Wir haben jede Menge Jugendhilfemaßnahmen, die angewendet werden können, bevor eine Herausnahme des Kindes aus der Familie unvermeidbar ist.
Mein Gedanke geht viel mehr in die Prävention. Wie kann ich Eltern dazu befähigen "gute" Eltern zu sein. Vermeindlich "dumme" Eltern kriegen anscheinend eher Kinder - nur wie kann ich jetzt dafür sorgen, daß die genetische Prädisposition gut aufgefangen wird?
Elternbildungsprogramme: Nicht nur der Hechelkurs während der Schwangerschaft, sondern auch pädagogische Angebote für die werdenen Eltern sollten selbstverständlich sein.
Außerfamiliäre Erziehung. Kinderkrippe, Tagesstätte, Hort, offene Kinder- und Jugendeinrichtungen, in denen nicht nur darauf geachtet wird, daß man schon mit 3 eine zweite Fremdsprache spricht, sondern lernt, wie Menschen miteinander umgehen, was Liebe, Zuverlässigkeit und Respekt vor anderen/anderem bedeuet. Eine Verlängerung der täglichen außerhäuslichen Betreuung kann Defizite in der Familie auffangen. Hierbei muß jedoch die nichtschulische Komponente im Vordergrund stehen. Nicht nur lernen, sondern sinnvolle Freizeitgestaltung.
Längere Schulzeiten: Die zur Verfügung stehende Zeit für Schulstoff ist eh zu knapp, die Aufnahmefähigkeit für Kinder erreicht. Mehr Zeit für die Jugendlichen um sich mit Ihnen und Ihrer Welt zu beschäftigen. Um nicht nur Bildung, sondern Erziehung leisten zu können. Keine Erziehung mit nackten Verboten, sondern mit Erklärung, mit Diskussion, mit dem Ziel Sichtweisen zu verändern und Perspektiven zu bilden. Wir haben eh keine Arbeitsplätze für Jugendliche, dafür jede Menge Menschen, die arbeitslos sind und jungen Menschen etwas beibringen könnten.
Früher war alles besser? Ja und nein. Lebt den Kindern von heute vor, was früher besser war. Nicht vorleben, daß es nur noch um Geld geht. Zuerst wird den Jugendlichen vorgelebt, daß es nur um "Bigger, better, faster, more" geht. Und dann wird sich aufgeregt, wenn sie das nicht aufs Berufsleben beziehen, sondern auf "mehr Freizeit, mehr Spaß, mehr Sex, mehr Gewalt". Sie erleben - unreflektiert - daß der am weitesten kommt, der ich am wenigsten um die anderen schert. Die Kleinfeld dieser Welt sind doch die Gewinner. Sie sind die Chefs, die mit Menschen spielen wie mit Schachfiguren, die dabei reich und arrogant werden und unantastbar sind. Wenn ich möglichst brutal meine Interessen durchsetze, dann haben alle Respekt vor mir und ich krieg das meiste Geld.
"Wenn ich mal ausgelernt habe, habe ich das Sagen, und dann krieg ich eine Auszubildende und der wird es dann richtig schlecht gehen, dafür sorg ich, denn warum soll sie es besser haben als ich?" - Das ist die eine Art mit eigenen Erfahrungen umzugehen, die andere ist zu sagen "Ich sorge dafür, daß es anderen besser geht." Auf sowas kann man Einfluß nehmen. Als Eltern, als Lehrer, als Freund, als Nachbar, als Kollege etc.
Früher fand Erziehung überall statt. Wenn der Nachbar irgendwas mitbekommen hat, was einer angestellt hat, hat er es entweder dem Jugendlichen gleich gesagt oder dessen Eltern und die haben mit dem Jugendlichen geredet. Heute wird weggeschaut oder gleich mal mit der Polizeit gedroht.
Und was da die Politik leisten könnte ist ein ganz klares einfaches: Geld locker machen, das in der Prävention ein tausendfaches leistet als irgendwelche Gelder, die dann als Pflichtmaßnahmen gezahlt werden müssen, wenn es irgendwo eskaliert.
Die Energie, die in den Jugendlichen steckt, kann man auch nutzen, in dem man sie sinnvoll leitet. Die Lethargie, die sie von den Erwachsenen häufig an den Tag gelegt wird "kann man eh nix ändern..." ist mir genauso unsympathisch, wie die der Jugendlichen.
Und was wir alle machen können ist aufhören wegzuschauen und zu reflektieren, warum denn Dinge passieren, wie sie passieren. Natürlich sind nicht alle Kinder uninteressiert, gelangweilt und gewaltbereit. Es gibt Jugendliche, die sind wundervoll, die brauchen ein wenig Hilfestellung und die werden ihren Weg machen, egal aus welchen Familien sie kommen. Und genauso gibt es Jugendliche, die hatten die besten Vorraussetzungen und die Eltern haben alles getan was möglich war - und doch endet es im sozialen Abseits. Und dann gibt es die Klassiker, bei denen jeder sagt "kein Wunder, bei den Eltern" - die perfekten Kids, denen man die perfekte Familie anmerkt oder die Chaoskinder aus den Chaosfamilien.
Manchmal denke ich mir, auch Erziehung ist ein bißchen Glücksache. Es gibt einfach zu viele Faktoren, die mit hineinspielen bis ein Mensch erwachsen ist und sein Leben völlig allein in die Hand nehmen kann. Wenn man sich die Statistiken anschaut, aus welchen sozialen Schichten welche Schulabsolventen hervortreten, so gibt es schon teilweise sehr klare Linien für manche Kindern. Und das Unternehmerkind hat da einfach bessere Startchancen, als das HartzIV-Kind. Zum einen finanziell, zum anderen emotional.
Kinder wollen Zuwendung, wollen Aufmerksamkeit. Und wenn sie nicht gehört werden, wenn sie still dasitzen und lernen (ist doch selbstverständlich), dann müssen sie halt aufschreien, bis festgestellt wird "oh, da ist ja noch jemand" - saß der nicht noch eben still vorm Fernseher wie jeden Nachmittag? Nein, er hat heute seinen Klassenkameraden zusammengeschlagen... Schade, wenn erst das passieren muß, damit ein Kind Zeit und Zuwendung erfährt.
Anja