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Alt 01.10.2016, 09:46   #4187
Jörn
Esst mehr Gemüse
 
Benutzerbild von Jörn
 
Registriert seit: 22.09.2006
Beiträge: 3.499
Zitat:
Zitat von zappa Beitrag anzeigen
Nachdem wir nun wissen, wie es um Religionslehrer und deren Schüler bestellt ist, würde ich gerne einen Gedanken zu Vicky's Punkt, "Warum Religion" beisteuern:

Jede Handlung hat grundsätzlich ein Motiv und deshalb wird es bei der Frage der Ausbildung religiöser Überzeugungen und Handlungen nicht viel anders sein, es wird in vielen Menschen ein Grundmotiv in uns ansprechen bzw. auslösen.

Ich kann mir vorstellen, dass im Mensch eine Art "letzte Einsamkeit" existiert, ein Funken Einsamkeit, den man durch keine noch so gute Gesellschaft verdrängen kann, ein Funken Einsamkeit, den man selbst nicht versteht. Deshalb wirkt diese letzte Einsamkeit möglicherweise so unheimlich. Sie ist dann vielleicht der eigentliche Grund, warum Menschen für Narrative offen sind, weil sie mindestens gedanklich die Einsamkeit subjektiv aushaltbarer machen.
Ich kann das gut nachvollziehen, und ich finde, dass Du diese Gefühle treffend beschreibst.

Aber ich glaube, dass es historisch nicht richtig ist, und zwar aus folgendem Grund:

Die heutigen abrahamitischen Religionen kennen wir in Zusammenhang mit einem "persönlichen Gott". Also einem Gott, der dem einzelnen Individuum zugewandt ist und sich für dessen Belange interessiert. Eine Art Vaterfigur. Diese Vaterfigur passt gut zusammen mit der Idee der "letzten Einsamkeit", bei der man sich wünscht, es gäbe noch irgendwas oder irgendwen, der sie auflöst, oder als wäre der Tod eine Art "Heimkehr".

Aber die "persönlichen" Gottheiten haben sich entwickelt aus Gottesvorstellungen, die überhaupt nicht persönlich waren. Die Götter "interessierten" sich anfangs nur für Völker und darum, ob diese erfolgreich waren, oder um das Wetter und die Ernte. Die Menschen sorgten sich darum, ob der Nil übers Ufer steigen und ihre Felder fruchtbar machen würde, und genau das erwarteten sie von ihren Göttern und Pharaonen. Man fürchtete sich vor dem Überfall fremder Völker, und suchte Schutz bei möglichst grimmigen Kriegs- und Schutzgöttern. Aber man fürchtete sich nicht davor, durch kleinliche, persönliche Sünden bestraft zu werden.

Götter wurden auch als launisch und gefährlich angesehen, und man musste sich vor ihnen in Acht nehmen.

Es gab also eine sehr lange Epoche, zu der die Menschen eine "letzte Einsamkeit" offensichtlich nicht mit Götterglauben in Verbindung brachten. Generell war nicht das Individuum der Gegenstand der Religion, sondern Völker und Naturgewalten.

Als aber immer deutlicher klar wurde, dass Götter und Pharaonen keinerlei Einfluss auf den Nil oder das Wetter hatten, und dass Kriegsgötter keine zuverlässige Abwehr vor Überfällen darstellten, egal wie viel man ihnen opferte, wandelte sich der Glaube weg von "völkischen" Göttern hin zu persönlichen Göttern.

Diese Entwicklung betraf reihum alle Länder rund um Ägypten, Griechenland und dem Nahen Osten. In allen diesen Ländern fand reihum eine Synthese der alten Götter mit Ideen des Hellenismus (Griechenland) statt. Die Region um Judäa/Palästina war die letzte, die "umfiel".

Das Alte Testament ist ein Zeuge dieser Entwicklung, denn es pendelt hin und her zwischen der Schilderung eines Kriegsgottes, der rein national-völkisch interessiert ist, und einem persönlichen Gott, der sich um den Einzelnen kümmert. Vollendet wurde diese Entwicklung mit dem Jesus-Glauben, der sich nur noch auf das Seelenheil des Individuums bezieht.

Daran kann man sehen, dass diese "universelle Sehnsucht", die uns laut zappa allen zu eigen ist, nicht immer bestand und kein allgemeines Merkmal aller Menschen ist. Jedoch besteht diese Idee schon so lange, dass wir sie als universell annehmen.
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