Zitat:
Zitat von Klugschnacker
Moral existiert im Spannungsfeld komplementärer Verhaltensweisen
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Eine bestimmte, jedoch nicht von vornherein festgelegte Balance zwischen diesen Eigenschaften oder Werten bezeichnen wir als Moral.
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Denken wir uns eine Population äußerst friedfertiger Individuen. Es können Menschen sein, aber ebensogut Fische, Käfer oder Hirsche.
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Durch eine zufällige genetische Mutation entsteht nun ein Wesen mit aggressivem Verhalten.
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Genetisch gesprochen, wird jeweils ein Gen vererbt, dass eine Neigung zum Angriff, zur Flucht oder zur Abwägung zwischen beidem bewirkt.
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Es braucht keinerlei Bewusstsein, um das Prinzip "was Du nicht willst, das man Dir tu’, das füg’ auch keinem andern zu" zu erfinden. Diese Strategie ergibt sich auch ohne Gehirne durch den Fortpflanzungserfolg unterschiedlicher Strategien (Verhaltensweisen).
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Puh, ich hoffe ich kriege das auseinander gefieselt ... :-)
Zunächst einmal dachte ich, dass wir von einer zumindest ähnlichen Definition von "Moral" ausgehen: "Verhaltensregeln", die sich im Zeitverlauf in einem sozialen System herausbilden (Wikipedia: Moral bezeichnet zumeist die faktischen Handlungsmuster, -konventionen, -regeln oder -prinzipien bestimmter Individuen, Gruppen oder Kulturen).
Moral und die Entstehung von Moral ist dabei keineswegs auf ein Spannungsfeld angewiesen. Und ebenso ist dann auch die spezifische Balance zwischen Polen nicht die Definition von Moral. Das kann ein Bestandteil von Moral und Moralentwicklung sein, muss aber nicht so sein. Woher nimmst Du diese These? Was ist ein Nachweis dieser These?
Der Unterschied zwischen Menschen und Fischen ist, dass wir Menschen "nicht-triviale", Fische "triviale Maschinen" sind. Triviale Maschinen haben eine einfache und prinzipiell unveränderliche Reiz-Reaktionskopplung: Ein bestimmter Reiz führt immer zu einer biologisch gekoppelten Reaktion. Kein Lernen, keine Einsicht, keine Veränderung bei einer einzelnen Kreatur (nur über Populationsgenerationen hinweg sind evolutionsbiologisch Veränderungen möglich). Wir haben demgegenüber als nicht-triviale Maschinen Optionen: Handeln, nicht handeln, Option A, Option B. Lernen, Einsicht und Veränderung prinzipiell zu jeden Zeitpunkt möglich.
Und ein Kriterium für diese Wahlmöglichkeiten und Entscheidungen sind beispielsweise Moral und Vernunft.
Moral in nicht-trivialen Systemen bildet sich NICHT über Mutation und Selektion, sondern über Kommunikationsprozesse aus, zu denen triviale Maschinen nicht ansatzweise fähig sind (es gibt einen Graubereich, z.B. können Pferde in bestimmten Grenzen kommunizieren und lernen). In den Genen sind allerdings förderliche und weniger förderliche Prädispositionen enthalten, die - so definiert es der Begriff - eine grundlegende begünstigende oder restriktive Voraussetzung bilden, aber nicht das konkrete Ergebnis der Moral bzw. Moralentwicklung vorwegnehmen.
Kommunikation und kommunikative Einsicht braucht wiederum sehr sicher Bewusstsein, damit wir das verarbeiten und ggf. auf dieser Basis handeln oder eben nicht handeln. Und dazu sind triviale Maschinen schlicht nicht fähig.