Zitat:
Zitat von Klugschnacker
Wer besteht denn auf absoluten Wahrheiten? Ich sicher nicht. Meine Vorstellungen von der Welt sind Hypothesen. Sie können sich jederzeit als falsch herausstellen. Deshalb muss ich ihnen grundsätzlich misstrauen. In der modernen Welt arbeiten wir permanent an der Verbesserung dieser Hypothesen. Keine der Hypothesen nimmt für sich in Anspruch, die "Wahrheit" zu verkörpern. Es gibt kein heiliges Buch, dem nicht widersprochen werden darf.
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Diese Ansicht teile ich - aber viele unserer Zeitgenossen offenbar nicht. Ich glaube (

), daß viele Menschen ein Bedürfnis haben, für gewisse Fragen, die sie nicht beantworten können, Antworten zu bekommen, die man einfach glauben kann; damit läßt es sich einfacher, entspannter leben, als mit Ungewißheiten. Und in vielen Fällen entlastet ein Glaube den Menschen etwas von seiner eigenen Verantwortung, und macht das Leben erträglicher - was ich für höchst nützlich und sinnvoll halte. Wenn ich z.B. die 10 Gebote als "von höherer Stelle" vorgegeben akzeptiere ohne sie in Frage zu stellen, entlaste ich mich auch von der Verantwortung, immer wieder abwägen zu müssen, was ethisch richtiges Verhalten ist. Und wenn es die Mehrheit einer Gesellschaft tut, dann ist das auch noch förderlich fürs Zusammenleben.
Dabei gehen solche Verhaltensweisen oft weit über das hinaus, was wir herkömmlich unter Religion verstehehen, ohne daß sich das Verhaltensmuster unterscheiden würde. Ich denke dabei z.B. an aktuelle Themen wie das Dogma des zwingenden Wirtschaftswachstums als Maß des Fortschritts (ich kenne einige junge Kollegen, die es mit schier religiösem Eifer verteidigen), den Glauben an die Unersetzlichkeit 3-gliedrigen Schulsystems und an G9, an die Gefährlichkeit des Cholesterins, oder die vielen mit Glaubenseifer betriebenen Ernährungs"religionen" - alles mit mehr oder weniger plausiblen wissenschaftlichen Argumenten gestützte, aber nie wirklich bewiesene und teilweise durch ebenbürtige Argumente genauso widerlegbare Zusammenhänge.
Früher glaubte man einfach an "Gottes Willen", heute sind wir aufgeklärt (?), und glauben, wenn es heißt, etwas sei "wissenschaftlich bewiesen" - aber wieviele Menschen können und wollen diese Beweise wirklich nachvollziehen oder gar verifizieren?